Miaka

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Man konnte eines gleich sagen, Jaselaya sah viel reiner und strahlender aus, als eine Waldelbe. Ihre spitzen Ohren waren beinahe weiß, ebenso wie ihre helle Haut und zierlich, wie die ihrer Mutter. Sie trug fast nie Schuhe und auch wenn sie sich kleidete, als wäre sie eine von ihnen, konnte man auf den ersten Blick deutlich sehen, wie anders sie war. Als wäre sie stets von weißem Licht umrahmt und wo sie ging, oder ihre Blicke schweifen ließ, schien alles zu erblühen. Das alles konnte Miaka schon sehen, als sie nur sah, wie die Elbe durch das Tor ging, wobei es aussah, als würden ihre zierlichen Füße den Boden kaum berühren, oder mehr schweben als laufen. Miaka hatte schon den ganzen Morgan am Fenster gesessen uns auf sie gewartet. Sie selbst fühlte sich beim Anblick der Elbe wie ein fettes Schwein bekennet an einen Stuhl, gewaschen war sie auch nicht, na das würde ja was werden, dachte sie sich.
Schnell rollte sie geschickt um den Holztisch und die Schemel herum und versuchte den Griff der Tür herunter zu ziehen.
„Miaka, was tust du hier um diese frühe Stunde?" fragte ihre Mutter, die in der Tür des Elternschlafzimmers stand und noch ihr Nachtkleid trug. Die braunen Haare, welche Miakas vollkommen glichen, bis auf die grauen Strähnen, waren noch zerzaust und wirr.
„Hinaus," antwortete ihre Tochter und versuchte sich in ihrem Rollstuhl hoch zu drücken um genügend Kraft zu haben, den Knauf zu drehen.
„Du warst seit vielen Wochen nicht draußen, woher der plötzliche Sinneswandel?" fragte ihre Mutter überrascht und durchaus glücklicher als zuvor. Wochen waren untertrieben, es waren bestimmt 3 Monate, in denen ihre Tochter die Zeit in ihrem Zimmer verbrachte und nur hinaus ging um Wasser aus dem Brunnen zu holen.
„Ein Gefühl," sagte Miaka ganz ehrlich, ohne zu viel zu verraten. Sie hatte es eilig.
„Aber natürlich, Schatz!" ihre Mutter hechtete vor um ihr die Tür zu öffnen.
Dann sauste Miaka nach draußen und nahm eine Abkürzung durch die Backstube von Jan Willson, dieser schaute sie voller Erstaunen an und so schnell wie sie hereinkam, war sie auch durch die Hintertür verschwunden.
Sie war flink und gekonnt mit ihrem Rollstuhl. Es war der gleiche. Der gleiche, den sie auch als Dämon benutzt hatte und der sie in den Orkstollen begleitet hatte. Sie hasste ihn und doch war er ihr treu und es war einfach, schnell und galant dovon zu huschen. Eine Zeit lang konnte sie Laufen, da die Dämone es sie lehrten, doch als sie diese verrat, verließ sie diese Kraft wieder und sie war wieder nur Mensch.
Dann hatte sie endlich den Weg erreicht, der neben dem Dorf herlief. Nur Elben durften ihn betreten, deshalb rollte sie nebenan über die Blätter und Äste, bis sie sie erreicht hatte.
„Elbenmädchen, du reines Licht! Die du da wanderst auf dem Pfade, bitte drehe dich um in deinem weißen Gewand und schenke mir einen Blick und etwas deiner Zeit!"
Jaselaya erschrak und blieb wie angewurzelt stehen. Sie fürchtete sich ein wenig und wusste nicht recht, was sie nun tun sollte. Doch sie folgte der Bitte des Menschenmädchens und drehte sich in ihrem weißen Leinenkleid um um sie zu betrachten. Alle in der Schule trugen diese weißen Leinenkleider. Die Farbe der Korsetts war nicht vorgeschrieben, doch alle sollten in einheitlichen Farben gekleidet sein. Ihre blauen, verlockenden Augen, eingerahmt von schwarzen langen Wimpern gewährten ihr einen Blick und auch wenn Jaselaya es nicht beabsichtigte, wie eine Herrin dort zu stehen und wie eine Königin zu strahlen, tat sie genau dies. Es war, als erlaube sich der Wind einen Spaß und ließ das Haar der kleinen Elbin schwungvoll wehen, es sah aus wie eine Welle und nun konnte Miaka das Gefühl einordnen. Es war das kühle plätschern des Wassers und das stille Wehen des Windes, welches die Elbe stetig umgab.
Es hatte Miaka kurz den Atem geraubt und die Stimme hatte sie auch verloren und nicht geglaubt wieder zu finden.
Doch sie raffte sich zusammen und sagte tapfer:„Die Elbin auf dem Hirsch, die uns still den Weg geleitet hat, hier her. Du warst es, du warst unsere Hoffnung!" Miaka schämte sich, das sie die kleine Elbin sofort ansprach, als ob sie sie schon länger kannte.
„Ich erinnere mich an Euch," sagte Jaselaya und Miaka schauderte, als sie ihre klare Stimme hörte, wie ein Echo, so klar und rein.
„Wenn Ihr mir die Frage gestattet, warum lebt eine reine Elbe wie Ihr hier im Waldlandreich? Denn jeder der die Ehre hat, Euch zu sehen, ist sich eines mit Sicherheit bewusst, das so etwas reines unmöglich eine der Waldelben sein kann!" fragte Miaka und bereute ihre Frage sogleich. Sie hatte die Elbe einfach so angesprochen, wie dumm von ihr, sie war so ein Narr.
Doch Jaselaya kümmerte das nicht. Sie lief leichtfüßig zu Miaka, doch blieb auf dem geschützen Weg. Ihn würde sie nicht verlassen!
„Gewiss nicht. Doch der Schein trübt. Waldelben sind weitaus weiser als man glauben mag."
„Und wer seit ihr, wenn ihr mir die Frage gestattet?" fragte Miaka neugierig. Die Anziehungskraft der Elbe war wirklich stark und jedes Wort, jedes verwirrte Spielchen machte sie nur noch interessanter.
Jaselaya hatte man gelehrt, ihren Namen nicht sofort preis zu geben. Jeder hatte es ihr gesagt, vielleicht wegen ihrem Stand? Ihrer Eltern? Sie wusste es nicht, doch sah auch keinen Grund darin, ihren der Menschentochter zu verraten.
„Welcher ist Euer?" fragte Jaselaya. Sie spielte und das war gut so. Sie musste sich erstmal in Sicherheit wiegen. Sarkasmus und eben genau diese Spiele, das hatte sie gelernt, waren eines ihrer Waffen.
„Mein Name ist Miaka, ich bin die Tochter von Derek Mike und Baleanes Mike, doch eure zarten Ohren werden wohl kaum die Namen solch unbekannter Menschen kennen."
„Was arbeiten sie? Eure Eltern meine ich."
„ Mein Vater ist Tischler, meine Mutter Bäckerin bei Jan Wilson," Miaka verstand, das der Elbe offenbar aufgetragen wurde, nicht gleich jedem zu vertrauen.
„Nun denn, da Ihr es wissen wolltet, werde ich Euch meinen Namen sagen, doch er wird euch nicht viel sagen.
Mein Name ist Jaselaya... Ich bin die Tochter Galadriels und Celeborns, meine Schwester war Celebrían und ich bin die Tante von Arwen. Viele Namen, doch einfach ausgedrück, ich bin die Tochter der Herrin des Lichts."
Jaselaya kicherte und sah in Miakas graue Augen. Sprenkel von Dunkeln Flecken und hellen, die Aussagen wie geschliffene Edelsteine. Diese hatte es wieder die Sprache verschlagen. Die Elbe war noch kleiner als sie zuvor geglaubt. Sie war beinahe so klein wie ein Kind und hatte wunderschöne weibliche, verführerische Kurven, dünn war sie und sehr blass.
„Entschuldigt mich, dass ich Eure Zeit raube, meine Herrin!"
„Oh bitte, nicht so förmlich! Ich fühle mich dann immer so unpersönlich. Einigen wir uns einfach auf Jaselaya und Miaka, ist das für Dich in Ordnung?"
„Aber natürlich, mei-... Jaselaya," Miaka fand es fantastisch, wie sich ihr Name anfühlte, wenn man ihn aussprach und sie wusste, dass viele irgendwann ihren Namen kennen würden.
Jaselaya schenkte Miaka ein freundliches, warmes Lächeln und sagte, das sie jetzt weiter müsse, um den Unterricht nicht zu verpassen, doch dass sie gerne am Nachmittag noch einmal reden könnten, wenn die Elbe zurück kam.
Der heutige Unterricht war wie jeder andere. Langweilig und monoton. Selbst wenn es ein spannendes Thema gäbe, welches mit Sicherheit spannend gestaltet hätte werden können, wurde eine reiste Leier. In der 2. Stunde war sie beinahe eingeschlafen.
Dann hatten sie eine freie Pause, in der die Schüler auf der Lichtung essen konnten. Diese verbrachte sie die meiste Zeit alleine. Alle mieden sie und es war beinahe schmerzhaft, denn alle starrten sie an. Mit giftigen, abstoßenden Blicken. Sie saß auf einer Trauerweide und das alleine. Sie lief herum und das alleine. Es viel ihr am Anfang noch viel schwerer, doch sie hatte sich einfach daran gewöhnt. Egal was die Anderen in ihr sahen. Etwas erschreckendes? War es weil sie so viel kleiner war? Kühner war, oder einfach keine Waldelbe? Oder war es dieses schlummernde Etwas in ihr, dass alle Beunruhigte?
Doch an diesem Tag beschloss sie, nicht mehr alleine sein zu wollen. Woher der Sinneswandel kam, war ihr nicht klar. Doch sie hatte das dringende Bedürfnis endlich nicht mehr die zu sein, die schüchtern auf einer Trauerweide saß.
Also sprang sie leichtfüßig vom Baum und ging auf eine Gruppe junger Elbenmädchen aus ihrer Klasse zu.
Ihre Größe war ihr zwar immer bewusst gewesen, doch jetzt, da sie neben diesen hochgewachsenen Schönheiten stand, fühlte sie sich schon sehr mickrig, auch wenn sie mindestens 4 Mal so schön aussah.
„Hallo," war im Moment das einzige, was sie über ihre Lippen brachte.
Na das fing ja gut an!
Die Mädchen zogen ihre dünnen Augenbrauen hoch und sahen zu ihr herunter.
„Valia, Malianor, Beliay, wäre es in Ordnung, wenn ich heute bei euch sitze, anstatt ganz alleine auf einer Trauerweide verweile?" Vielleicht war sie etwas zu direkt, dachte Jaselaya nervös.
„Du warst viel zu lange bei unserem Herrn Thranduil, lehrte er dich so geschwollen zu sprechen, Jaselaya?" machte sich Malianor über sie lustig.
„Da könntest du Recht haben. Aber ich halte es für überflüssig, Unhöflichkeit vor zu ziehen," sagte die kleine Elbe und sah Melianor an, die orange haarige Elbe, mit den typischen Waldelbenohren und der käsefarbenen Haut an.
„Du bist schon wirklich eine seltsame Elbe, doch wenn du es wünschst, verweile ruhig mit uns," sagte Melianor und machte das förmliche Reden Jaselayas lachend nach.
„Ich danke euch!" sagte Jaselaya und lächelte sie an. In diesem Moment bereuten sie alle, die Elbe jemals ausgelacht zu haben. Und sie spürten diese Kraft, die sie umgab. Es war, als hassten sie sich selbst und dann Jaselaya und ihr niedliches Lächeln.
„Dann komm," sagte Beliay leicht verwirrt über sich selbst und überwältigt von der kleinen Elbe.
„Okay," sagte sie und folgte ihnen.
Seit dem waren es Melianor, die orangene Sonne, Beliay, die zarte hellblonde Blume, Valia, die braune Kastanie und Jaselaya, die Welle. Bei ihrem Gang über die Lichtung und ihrem Rast auf den geblümten Marmorbänken, sahen sie alle an und ganz besonders die neue in der Gruppe, die kleine gefürchtete Elbe mit leuchtenden Augen.
Jaselaya genoss diese Aufmerksamkeit, denn das erste Mal war es keine Aufmerksamkeit des Hasses, es war eine Aufmerksamkeit des Überraschens und Blicke, die verwirrt waren, nicht giftig und brennend. Und Jaselaya badete darin. Sie wurde noch schöner und noch reiner, bald leuchtete sie wie ein Stern, beinahe wie ihre Mutter.
Und dieses Gefühl blieb, den ganzen Tag über.
Am Nachmittag kam Jaselaya den Steinweg entlang und wirklich, Miaka hatte auf sie gewartet.
„Du bist nach Hause gegangen, oder?" fragte Jaselaya besorgt.
Miaka schüttelte den Kopf. Sie hatte gewartet, bis die Elbe ihres Weges kam, um sie nicht zu verpassen.
Jaselaya kicherte und setzte sich auf den Weg.
„Dein Kleid wird noch dreckig!" sagte Miaka vorsichtig, doch dieses Mal war es Jaselaya, die Ihren Kopf schüttelte und abwinkte.
„Das ist egal," sagte sie und lächelte Miaka an:„Erzähl mir etwas über dich!"
Miaka hatte ihr ihre ganze Geschichte erzählt und Jaslaya hatte aufmerksam zugehört. Wie tampfer diese Menschentochter war, dachte sie, wie stark und fantastisch!
„Erzähl mir nun etwas über dich!" sagte Miaka.
Jaselaya dachte sich, was sie ihr schon zu erzählen hatte, sie war nie wirklich weit gereist, war nie in ein Abenteuer verwickelt und sie war auch nichts besonderes. Sie erzählte Miaka all das. Wie sie von jedem herumgeschubst und geleitet wurde, wie sie nie eigene Entscheidungen wählen durfte und jeder sich wahnsinnige Gedanken darum machte, wie es ihr ging, oder wie sie sich fühlte. Dass sie all das nicht verstand und gerne frei wäre und jeder sie in Sicherheit wissen wollte, obwohl sie sowieso niemand richtig kannte, da sie immer innerhalb der Mauern sein musste. Das einzige Spannende waren ihre Trainigsstunden mit Legolas, wie sie erzählte und die Ausritte auf den Hirschen Thranduils.

Auch Miaka hörte aufmerksam zu und beneidete sie um ihr behütetes Leben und irgendwie wusste sie, das diese kleine Elbe etwas ganz besonderes war und noch viel mehr erleben würde, als was sie sich vorstellen könnte. Ein Abenteuer welches noch größer sein würde, als ihres. Aber was wenn sie all ihre Macht aufbringen würde, um auch Teil ihrer Geschichte zu werden?

Nim Weiß

Die Elbe des Wassers ___Meine größte SehnsuchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt