stillschweigen

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Verwirrt lief ich in meine Klasse, nur um mich auf meinen Platz zu setzen und ununterbrochen über diesen Moment des Augenkontaktes nachzudenken.

Nachdem ich den nicht enden wollenden Unterricht über mich ergehen lassen und die Chemie-Klausur mehr oder weniger akzeptabel geschrieben hatte, machte ich mich auf den Weg zur Sporthalle.

Als ich durch die Tür der Mädchenumkleide ging, kam mir die typisch muffige Luft entgegen und es stank nach einer Mischung aus Nagellack und billigem Parfüm. Ich wurde zum Glück kaum wahrgenommen, sodass ich schnellen Schrittes auf eine Eckbank zusteuerte. Motivationslos begann ich mich umzuziehen, um kurz darauf in die Halle zu gehen und mich aufzuwärmen.

Nachdem die Lehrerin uns eingewiesen hatte, dass wir heute Volleyball spielen würden, sprang die Hälfte auf um sich einen der neueren Bälle zu ergattern, um nicht mit einem alten, verschlissenen Ball spielen zu müssen. Eine vierer Gruppe keuchte bei der Nachricht empört auf und beschwerte sich, dass ihre Nägel brechen würden. In einer anderen Ecke der Halle diskutieren zwei Freundinnen mit der Lehrerin über ihre ach so starke Periode.

Ich blieb einfach sitzen, ohne jeglichen Grund, und philosophierte über Schönheit und Faszination, während ich mit verschwommener Sicht den bunten Boden betrachtete.

Als ich meinen Kopf hob, da eine Trillerpfeife meinen Geist durschnitt, lief das Mädchen von vorher in einiger Distanz an mir vorbei. Warte was, wir hatten zusammen Sport? Seit wann das denn? Wahrscheinlich musste sie in meiner Parallelklasse sein, jedoch hatte ich sie vorher noch nie bemerkt. Seltsam.

Die Sportlehrerin stapfte aus einiger Entfernung auf mich zu, da ich noch immer nichts tuend rum saß, viel zu müde, als dass ich mich beteiligen wollte.

Mein Blick wanderte jedoch schnell von der alten Lady weg, hin zu dem Körper des Mädchens. Natürlich betrachtete ich lediglich ihr Sportoutfit.

Als ich bemerkte, dass sie eine knappe Sporthose trug, rutschten meine Mundwinkel unaufhaltsam in die Höhe. Ich wollte keinesfalls unhöflich Starren, doch jene Kurven ließen kein Entkommen meines Blickes zu.

Da ich doch ein wenig Anstand besaß, und die Sportlehrerin nun fast bei mir angekommen war, stand ich langsam auf und setzte mich in Bewegung.
Frustriert sah ich an mir hinunter, während ich gemütlich gen Spielfeld schlenderte. Meine ausgelatschten Schuhe passten rein optisch überhaupt nicht zu der weiten Jogginghose, welche gelassen auf meiner Hüfte ruhte. Auch mein T-Shirt war Müllstellenreif.

Die Lehrerin rief mir hinterher, dass ich mich mehr bemühen sollte, Motivation aufzubringen. Über diese Aussage konnte ich nur lachen.

Eigentlich war mir die Mode immer komplett egal gewesen, doch in diesem Moment schämte ich mich für mein Auftreten, welches meinen Körper samt seiner Kurven versteckte. Am liebsten wäre ich auf dem schnellsten Weg in die Umkleide gehuscht, ohne, dass sie mich sehen hätte können.

Just in diesem Moment schaute sie zu mir hinüber. Ich war so geschockt, dass ich kurzzeitig stehen bleiben musste, da meine Konzentration nun komplett ihr verfiel, und die Beinkoordination mich lediglich gen hartem Boden gebracht hätte.

Sie lächelte mich an und dies entfachte einen kurzen Herzstillstand in meiner Brust. Ich wollte zurück lächeln, doch mein Mund schien starr und unbeweglich. Es musste rüber gekommen sein, als wäre ich die größte Bitch, welche nicht einmal ein freundliches Lächeln erwidern konnte. Nun lösten sich unsere Blicke wieder und ich erwachte aus meiner Starre. Es kam mir vor, als hätten wir uns Minuten lang angesehen.

Die Zeit war für einen kurzen Augenblick stehen geblieben. Ich bereute es, dass ich ihr gegenüber keine Reaktion gezeigt hatte, obwohl ich es so gerne wollte. Mein Gehirn jedoch war gerade vollkommen überfordert mit der Welt.

roses are slowly dyingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt