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Sam schluckte einmal schwerfällig und wurde dann wieder Herr über ihren Gesichtsausdruck, welcher ihr kurzzeitig ein wenig entgleist war. Langsam blickte sie von ihren Kollegen hin und her, ihr Umfeld genauestens betrachtend. Womöglich versicherte sie sich, dass diese verbleibenden zwei Polizisten nicht bemerkten, wer sich hier soeben mit an deren Tisch gesetzt hatte.

»Ich habe nicht mit dir gerechnet, Tiffany. Nicht hier.«, gab sie als Antwort auf meine Anregung, eine kleine Konversation zu beginnen.

Das Wort "Tiffany" sprach sie besonders betont aus, und spätestens in diesem Moment wurde mir klar, dass sie die Diebin gewesen war.

Nun ja, ich hatte auch nicht mit mir gerechnet, in Teilen einer Polizeiuniform auf einem Polizeirevier sitzend, ohne, dass es jemanden interessierte.

Diese Cops waren alle so blind, als wäre keine Gefahr inmitten ihres Arbeitsumfeldes möglich, sondern nur außerhalb dieser vier Wände. Wirklich traurig, vor allem nachdem ich so spielend leicht hier hinein gelangt war.

Ich setzte ein gekünsteltes Lächeln auf und blickte Sam in die Augen.

Deren einzigartige Farbnuance funkelte mich an, wunderschön und doch zugleich ziemlich beängstigend, als würde Sam mich hier und jetzt umbringen wollen. Doch auch Schmerz und Verzweiflung waren darin zu erkennen.

»Du hast etwas, das mir gehört.«, erwiderte ich stumpf.

Der Mann zu meiner Linken schaute kurzzeitig zu mir. Sein Blick wanderte dann hinüber zu Sam und schlussendlich wieder auf sein Essen. Sam bemerkte seine unmittelbare Anwesenheit sowie die Aufmerksamkeit, kurze Zeit speziell gerichtet auf uns Frauen, und blieb still. Nachdem sie auf diese Aussage keine Antwort gegeben hatte, fügte ich noch einen kleinen Hinweis hinzu.

„Kleiner Tipp, es ist schwarz und eckig. Hätts gern wieder, wenn es der Dame keine Umstände bereitet.«

Ich lehnte mich ein wenig nach vorne und zuckte herausfordernd mit der Augenbraue.

Sam versuchte mit aller Macht, meine Präsenz auszublenden und mich, so gut es eben ging, nicht zu beachten. Provozierend aß sie in aller Ruhe ihr Mittagessen weiter, als wüsste sie nicht, wovon ich reden würde. Zu aller Krönung vermittelte sie mir dies dann auch noch sprachlich.

»Ich kann dir leider nicht weiter helfen.«

Kalt schaute sie mich an. Dann senkte sie ein wenig ihre Stimme, damit nicht jeder mitbekam, was sie da sagte.

»Und außerdem hast du eine Polizeiuniform gestohlen. Gehts dir noch ganz gut da oben?«

Ihre Augen durchbohrten mich.

Nach dieser Aussage seufzte ich im Stillen auf. Dies war die Wahrheit, und ich wusste kurzzeitig nichts entgegenzusetzen, da ich mir selbst über das Ausmaß dieser Taten bewusst war.

Bei jenem gedanklichen Stichwort meinerseits standen die letzten zwei Männer von dem Tisch auf und ließen Sam und mich in Zweisamkeit zurück. Vereinzelt befanden sich noch Angestellte an deren Sitzplatz, doch langsam aber sicher wurde der Raum überschaubar und viele kehrten an deren Arbeitsplatz zurück.

Etwas aufgelöst saß sie vor mir und stocherte mit der Gabel auf ihrem Teller herum, ohne ein Ziel und recht skrupellos die sich dort befindenden Erbsen abmurksend. Ihr Brot hatte sie bereits größtenteils aufgegessen.

Doch tatsächlich konnte ich ihr das stille Gefühlschaos nicht verübeln. Ich wusste, dass meine Erscheinung viele Emotionen lostrat.

»Gegenfrage«, setzte ich an.

»Welcher Cop bestiehlt bitte eine Unschuldige, hm?«

Sie verharrte, als die Worte bei ihr ankamen. Langsam legte sie die Gabel beiseite und richtete nun ihren Killerblick direkt auf meine graue Seele, dessen Mauern auf einmal zu schwanken begannen.

Okay, ich nehme alles zurück.

Aber nun war kein Rückzieher mehr möglich und ich musste mich wohl oder übel der dunklen Stimmung unterwerfen.

»Ich kenne keine Unschuldige.«

Ihre Stimme klang gereizt, doch noch sehr beherrscht. Mir war bewusst, dass ich kurz davor war, das Fass zum Überlaufen zu bringen.

»Doch, du kennst mich. Du kennst mich sehr wohl.«

Mit einem rauen Brodeln in der Stimme antwortete sie mir, auf diese Worte.

»Pah, ich kannte dich vielleicht einmal. Aber diese Frau mir gegenüber ist mir fremd. Die Frau, welche mich verlassen hat, um lieber nächtelang die Clubs zu besuchen.«

Anscheinend hatte sie keine Lust auf meine charakterliche sowie körperliche Veränderung, obwohl ich sie nun wirklich ganz gern in einen Nebenraum ziehen würde, um das Ganze mit heißem Hasssex aus der Welt zu schaffen.

Ich fragte nach, bewusst die Maximalgrenzen Sam's Geduld auszutesten.

»Willst du mir jetzt vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe, oder was?«

»Ja Allie, hör auf mit diesem illegalen Scheiß. Du kannst von Glück reden, dass ich dich nicht verraten habe.«

Dieses Mal kam ihre Antwort wie aus der Pistole geschossen. Ihre süßen Lippen bemühten sich, dieses Streitgespräch so flüsternd wie möglich zu halten. Dafür war ich ihr tatsächlich sehr dankbar. Ebenfalls, dass sie, obwohl sie anscheinend von den Drogen wusste, mich nicht verraten hatte.

Emotional geladen nahm sie einen Apfel von ihrem Tablett, biss ein großes Stück davon ab und blickte mich wütend an. Dann legte sie den angebissenen Apfel zurück an seinen Platz, die Augen kräftig funkelnd.

Mit eiskalter Miene, unterstützt durch ein gekünsteltes Lächeln, flüsterte sie mit heißer Stimme in meine Richtung.

»Mach was aus deinem Leben, solange du noch die Möglichkeit hast, dich zu verändern.«

Sie stand gekonnt auf, um ihr Geschirr weg zu bringen und dem Moment zu entfliehen. Provozierend langsam lief sie in Richtung der Geschirrabgabe.

Ich sprang vom Tisch auf und folgte ihr. Bei ihr angekommen stellte ich mich nah an ihre Seite und flüsterte etwas an ihr Ohr, während sie versuchte mich auszublenden und ihr Geschirr in die zugehörigen Behälter zu sortieren.

»Ich kann mich nicht verändern, so gern ich das auch möchte. Und ich wollte dich auch niemals verlassen. Versteh das doch.«

Sam stockte kurzzeitig, intensiv über diese Antwort nachdenkend. Sie suchte allem Anschein nach verzweifelt nach Worten, um mich endlich abzuweisen, und die Emotionen somit zu verbannen.

»Verdammt Sam, ich will eine Antwort!«, fügte ich hinzu.

Sie wollte an mir vorbei laufen, doch ich griff fordernd nach ihrem Arm und hinderte sie somit an einer Flucht.

Intensiv blickten wir uns an. Heiße Luft entwich aus dem kleinen Spalt meiner Lippen, als ich diese öffnete. Die gesamte Zeit war Sam's Aufmerksamkeit auf meine Lippen gerichtet. Sie verzehrte sich, allem Anschein nach, nach Ihnen.

Dann fand sie einen klaren Gedanken und durchschnitt die Luft in wenigen Sekunden mit ihrer Erwiderung.

»Wenn du noch ein Wort sagst, möge es über unsere Vergangenheit sein oder sonst etwas, dann ficke ich dich so hart, dass dir nichts weiter über die Lippen kommt, als mein Name und das traurige Winseln nach Erlösung.«

Ihre freie Hand kniff mir neckisch in die Wange meines erstarrten Gesichtes.

Hätte mein Reflex nicht sofortig nach Luft geschnappt, so wäre dies sicherlich der Moment gewesen, in welchem ich aus Verblüffung das Atmen verlernt und daran wehleidig auf diesem kargen Boden des Polizeireviers erstickt wäre.

Sam löste sich aus meinem Griff.

»Nicht nur du hast dich verändert.«, richtete sie mir mit rauer Stimme entgegen.

Als sie zum Gehen ansetzte sah ich ein kleines ehrliches Schmunzeln auf ihren Lippen.

Nach dieser Aussage konnte ich ganz klar nur die weiße Fahne hissen, sowie leise Stoßgebete gen Himmel schicken, auf dass sie eines Tages ihre Androhungen in die Wirklichkeit umsetzen würde.

★? Danke!

roses are slowly dyingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt