blassblau

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Ohne recht zu wissen, was soeben eigentlich geschehen war, versuchte ich meine Gedanken klar zu formen und die Lust in meinem Körper zu beherrschen. Diese Frau machte mich noch verrückt.

Eilig schlug ich nun jenen Weg ein, welchen Sam vor kurzer Zeit noch durch die Menschenmassen gegangen war. Dieser leitete mich zu dem Ausgang des Clubs, und so gern ich noch hier geblieben wäre und meinen Rausch ausgetanzt hätte, so sehr neckte mich nun ebenfalls die Versuchung, nach Hause zu Sam zu eilen und ihren heißen Körper erneut an meinem zu spüren.

Doch so ganz sicher war ich mir nicht, ob sie mich nun lediglich nach Hause locken wollte, oder ich dort ebenfalls belohnt werden würde, für was auch immer. Der Alkohol war urplötzlich wie verflogen und schien nicht vergleichbar mit jenem drogalen Effekt, welche Sam mir schenkte.

Deshalb entschloss ich mich, ohne weiter nachzudenken, den kurzen Weg zu Sam's Wohnung anzutreten. In dem Club war sie jedenfalls nicht mehr ausfindig zu machen.

Als ich vor der verschlossenen Wohnungstüre stand, fiel mir auf, dass ich keinen Schlüssel mitgenommen hatte. Auch nach dem Betätigen der Klingel wurde die große Tür nicht geöffnet. Sie blieb verschlossen und sperrte mich somit aus der Wohnung aus. Eigentlich hatte ich fest damit gerechnet, dass Sam nach Hause gegangen war, nachdem wir uns geküsst hatten, um mich somit auf diese Art und Weise ebenfalls heim zu locken. Deshalb verwunderte es mich sehr, als die Tür nicht geöffnet wurde und sich auch keine Sam in Reizwäsche dahinter stehend befand.

Ich trat auf die verlassene Straße, um die Wohnung von außen besser betrachten zu können, machte ich ein offenes Fenster aus, welches ich anpeilte. Ich war nicht die Unsportlichste und dieses Schlupfloch ebenfalls über Mülltonnen und den Fenstersims gut zu erreichen, weshalb es nicht viel Zeit benötigte, dort hinauf zu steigen.

Finster blickten mir die Möbel entgegen, da keinerlei Licht das Zimmer einnahm. Als ich aus dem Raum trat, folgte ich auf Zehenspitzen einem kleinen Lichtschimmer, meine High Heels lediglich unachtsam in dem Flur stehen lassend.

In der Wohnung herrschte eine seltsame Stille, welche just in jenem Moment von einem laufenden Wasserhahn durchbrochen wurde, als ich die Tür durchtrat und mich in der Küche wieder fand. Sam stand mit dem Rücken zu mir gerichtet an dem Spülbecken und blickte hinab in das Wasser, welches wild den Abfluss hinein lief. Die schwarze Kappe lag einige Meter entfernt von ihr auf dem Fußboden, unangetastet und einsam dort schlummernd. Als ich mich Sam leise näherte und sie von Hinten in eine Umarmung schloss erschrak sie bei meiner Berührung auf ihrer Haut kurzzeitig, doch gab sich meiner Umarmung anschließend hin. Ihre Finger umfassten meinen Arm, welcher sie umschmeichelnd hielt.

Leicht küsste ich ihr auf die Wange, welche sich intuitiv an mich schmiegte, als das Rot meiner Lippen die zarte Haut fand. Nachdem ich bemerkt hatte, dass der Wasserhahn noch immer rauschend den Abfluss hinunter lief, streckte ich meine Hand dem Regler entgegen und stoppte somit die Geräuschkulisse.

Sanft drehte sich Sam in meine Richtung, sodass unsere Hüften aneinander ruhten und auch unsere Nasenspitzen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Ich konnte einen seltsamen Blick in ihren Augen ausmachen, welcher mich verunsicherte. Ebenfalls ihre Stirn schien gerunzelt, sowie die Körperhaltung ein bisschen steif.

Zwar versuchte sie sich mit aller Kraft von ihren Gedanken loszumachen, doch die Kälte nahm sie ein wie die Dunkelheit diesen stickigen Raum. Gitterne Stäbe umgaben ihre Hülle.

Als ich diesen Ausdruck vollends gedeutet und wirken gelassen hatte war ich verwirrt von der Offenheit, welche mir Sam in diesem Moment zukommen ließ. Die schimmernden Augen blickten mich wehmütig trüb an und schienen in endlosen Gedanken sowie der Starre des Blickes zu verschmelzen. Seit ich Sam erneut auf jenem Polizeirevier wieder gefunden hatte, konnte ich keine wahrhaften Emotionen ausmachen. Zwar schien es oftmals ehrlich und ohne Trug, doch auch dann waren nicht all ihre Gedanken der brennenden Seele offenbart. Gerade jetzt legte sie mir die Farbe ihres Gemüts offen und ich wagte es kaum, aufgrund dessen, zu atmen.

Beschwichtigend strich ich der erstarrten Frau ihre glatte Wange entlang und betrachtete jede Reaktion ihrerseits genauestens. Sie blinzelte ein paar Mal, dann strich sie sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und blickte mich erneut an. Die Mauern waren abermals vorgefahren und jener Sternenhimmel, welcher das Zimmer erleuchtet hatte, nun hinter dicken Wolken verborgen. Ein leichtes Lächeln wurde mir entgegen gebracht, um meine Gedanken, welche unruhig nach Lösungen und Erklärungen suchten, sofort verstummen zu lassen.

»Es tut mir leid«, kam es Sam von den Lippen, welche ich nun intensiv betrachtete.

Wieso nur entschuldigten wir uns stetig bei dem anderen? Ich wollte das nicht, vor allem nicht, wenn ich nicht wusste, weshalb sie jene Worte wählte. Die Situation verwirrte mich.

»Bitte sei still«, erwiderte ich deshalb nach kurzer Stille und unterstrich die Aussage dieser Bitte mit einem ehrlichen Blick in ihre blassen Augen.

Doch anstatt ihre Lippen brav aufeinander zu behalten, setzte Sam erneut zum Sprechen an. Als ich diese Geste ihrerseits wahrnahm, legte ich meine Lippen auf ihre und erstickte somit die Worte, welche gefolgt hätten. Ich wollte nicht reden und mich über ihren Gefühlszustand austauschen - ich wollte die Emotion spüren und somit lernen, Sam zu lesen.

Unsere im Einklang schlagenden Herzen wurden lauter und schneller, und als ich ihre Erwiderung realisierte, schienen abermals jegliche Adern meines Körpers aufgrund des schnellen Blutdruckes platzen zu wollen. Jedes Mal aufs Neue war es eine wundervolle Entdeckung, ihre Sanftheit des Kusses sowie die darin liegende Begierde an eigenem Leib zu spüren. Als ich in den Kuss lächelte, seufzte Sam und schien hier und jetzt aufgrund der spannungsgeladenen Berührung zu schmelzen. Leicht legte sie eine Hand an mein markantes Schlüsselbein und dirigierte mich hinfort von ihren Lippen, sodass wir uns erneut in vollem Winkel erblicken konnten. Sie wirkte unsicher, und schon bald verwandelte sich dieser Ausdruck in ein sorgenvolles, leidendes Gefühl, ruhend in der dunklen Farbe ihrer Augen.

»Allie..«, begann sie flüsternd.

Ich blickte sie erwartungsvoll an. Was würde sie nun sagen? Etwa, dass sie erneut Gefühle für mich entwickelte?

Dies wäre tatsächlich meine Wunschvorstellung, denn dann hätten wir eine Gemeinsamkeit, sowie ich die Hoffnung auf ein zukünftig gemeinsames Leben. Die Sicherheit wäre geschaffen, dass ich nicht verloren war, in dem Meer meiner Vergangenheit. Ebenfalls würde ich mich begehrenswert fühlen, und endlich einmal wieder wirklich angekommen in den Wellen des unruhigen Lebens.

»Das muss aufhören.«

Ich schluckte den Schmerz hinunter.

Was?

★? Danke!

roses are slowly dyingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt