starrheit

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Meine Augen flackerten.

Dunkelheit.

Ich hörte lediglich dumpfes Klacken von Schuhen, hektisches Stimmengewirr und einen aufkommende Taubheit in meinen Gliedern. Die Kälte um mich herum wuchs stetig an und verschluckte mich, als hätte sich eine schwarze Wolkendecke um mich gehüllt und mich in ihrer plötzlichen Einsamkeit aufgenommen. Ich war nicht mehr Herr über meinen Körper. Angestrengt versuchte ich meine Augen zu öffnen um ein wenig Licht in mich herein zu lassen, welches dem letzten Hoffnungsschimmer in mir Mut spenden sollte weiter zu keimen. Doch auch mit größter Anstrengung war ich nicht in der Lage, aus meiner Hülle auszubrechen um den Geschehnissen des Tages freudig teilzuhaben und alle zukünftigen Augenblicke voll und ganz zu genießen. Gefangen in meiner selbst wusste ich mich nicht weiter gegen die Leere zu wehren und auch die letzte Hoffnung entwich langsam aus meinem Körper.

Die zuvor schon dagewesene Dunkelheit verwandelte sich in ein Meer aus Sternen in welches ich ohne zu Zögern eintauchte und somit nicht nur die Kontrolle über meinen Körper verlor, sondern auch meine Sinne für einige Zeit in eine andere Welt abgedriftet waren.

Diese vollkommene Stille erfüllte mich für den Moment und ein Gefühl von Geborgenheit entsprang ihr.

Ich wünschte mich an keinen anderen Ort. Doch gerade als ich diesen Wunsch in meinem Unterbewusstsein geäußert hatte wurde mein Gedächtnis durchgeschüttelt und die Traumwelt verschwand. Der bedrohliche Schleier kam zurück an seinen Platz vor meinem inneren Auge und hinterließ schwarze Schlieren zwischen den weiß zuckenden Punkten. Hinzu kamen Geräusche aller Art, welche ich die letzten Stunde ich mich aufgenommen jedoch nicht registriert hatte. Eine Welle erfasste mich und spülte meine Gedanken zurück ins Jenseits.

Geschockt schlug ich meine Augen weit auf.

Mein Atem war unregelmäßig und ähnelte mehr einem verzweifelten Japsen.

Das was ich gerade erlebt hatte, war unvorstellbar gewesen. Wie konnte etwas zugleich so angsteinflößend und zutiefst abstoßend wirken, mich jedoch mit einer unmenschlichen Geschicklichkeit in den Bann ziehen und ein Leben lang festhalten?

Die Widersprüche trafen aufeinander und umso mehr ich über das eben noch Geschehene nach dachte, so schnell verschwand es auch wieder aus meinem Gedächtnis. Zurück blieb ein Farbenspiel zwischen Schwarz und Weiß.

Verwirrend.

Nach einiger Zeit hatte sich mein Herzschlag wieder beruhigt und ich fühlte einen weichen Stoff unter meinem Körper, welcher diesem leicht nachgab. Ich wollte mich nur zu gerne umsehen, verweigerte es mir jedoch selbst, da ich Angst vor den resultierenden Erkenntnissen hatte.

Das eindringliche Geräusch eines stetig piepsenden Apparates und der stechende Geruch nach Sauberkeit und Putzmittel hatten mir schon längst verraten wo ich war, noch als meine Augen fest geschlossen waren.

Um die Annahme endgültig zu bestätigen und über meinen Schatten der Verwirrung zu springen, drehte ich meinen Kopf ein wenig und inspizierte den Raum.

Weiß.

Die Farbe der Reinheit.

Ein enges, steriles Zimmer.

Karg eingerichtet.

Kleine, grüne Topfpflanzen dienten als Farbtupfer in dieser einfarbigen Hölle - höchstwahrscheinlich aus Plastik.

Mein Kopf tat weh und ich wollte einfach nur hier raus. Deshalb richtete ich mich schwerfällig im Bett auf und streckte meine Beine aus. Ich war sehr erleichtert darüber, als ich feststellte, dass ich alle Zehen soweit bewegen konnte.

Der Schmerz kam also lediglich von einigen Prellungen, welche sich dunkel über mein rechtes Bein hinab streckten. Auch der Rest meines Körpers schien in akzeptabler Verfassung zu sein. Unter der hässlichen Krankenhauskluft, welche ich zu meinem Entsetzen trug, befanden sich ebenfalls Prellungen, Schürfwunden und Kratzer entlang meines Bauches und Rückens.

Mit einem Blick in den Spiegel konnte ich erleichtert ausatmen. Der Jethelm hatte gute Arbeit geleistet. Lediglich entlang meines Kieferknochens war ein Pflaster befestigt. Das schlimmste Übel meines Spiegelbilds war der Zustand seiner Haare. Diese standen wild in alle Richtungen ab und verfilzten sich bereits an manchen Stellen. Schnell band ich sie zu einem unordentlichen Dutt zusammen um niemanden mit deren Anblick zu erschrecken, falls sich die Tür in den kommenden Minuten von außen öffnen würde.

Bis jetzt war tatsächlich noch niemand durch diese große Tür zu mir hineingekommen. Und dies war meine Chance. Soweit ich das sah, wusste niemand, dass ich nicht mehr schlief. Ich konnte also ohne weiteres einfach verschwinden.

Im nächsten Moment erschien mir dieser Einfall als ziemlich dumm. Wohin wollte ich gehen, in dieser Kleidung? Sie würden es sofort merken, wenn ein Mädchen ohne Schuhe und bekleidet mit lediglich einem Fetzen Stoff durch die Eingangstüren einfach so verschwand.

Ein kleiner Spaziergang hinter die Tür dieses Zimmers konnte jedoch nicht schaden. Soweit ich das einordnen konnte, war dies jenes Krankenhaus, in welchem Suse und Carl gelegen hatten. Außerdem war es wohl das einzige in diesem Umkreis. Also kannte ich mich hier bereits ein wenig aus.

Ohne Schamgefühl öffnete ich die Tür und trat auf den kalten Fußboden des sich vor mir erstreckenden Ganges. Es war nicht viel los. Lediglich ein paar Schwestern stürmten in Eile von Zimmer zu Zimmer und hauptsächlich alte Menschen machten so wie ich gerad einen kleinen Ausflug durch das spärlich eingerichtete Gebäude.

Da mich der Hunger plagte folgte ich meinem Instinkt und suchte eine Art Cafeteria. Tatsächlich fand ich relativ schnell mein Ziel und ging in großen Schritten, ohne auf die Blicke meiner Mitmenschen zu achten, in Richtung Essenstheke.

Mit einem frechen Grinsen auf meinem Gesicht stellte ich mich nicht hinten an die dort wartende Schlage an, wie es jeder andere halbwegs normale Mensch hier tat um keine Aufmerksamkeit oder negativen Gefühle auf sich zu richten, sondern lief schnurstracks an den Anfang dieser.

Momentan war mir alles egal.

Ich hatte Hunger, verdammt.

Gerade als ich zum Sprechen ansetzte um meinen Essenswunsch zu äußern, wurde eine kräftige Hand auf meine schmerzende Schulter gelegt und mit einem Ruck wurde ich aus der Menschenmasse in zwei starke Arme eines bärtigen Mannes katapultiert.

Ich wehrte mich und versuchte aus seinem Griff zu entkommen, doch er vergrub seine Nägel in meinem Fleisch.

»Lass mich los, du tust mir weh«, zischte ich aufgebracht. Sein Griff lockerte sich tatsächlich, als ich ihm meine Schmerzen mitteilte.

»Frau Breckman?«, fragte er mich mit einer hochgezogenen Augenbraue und wartete gar nicht auf meine Antwort.

Er lief los und zog mich unfreiwillig mit sich.

★? Danke!

roses are slowly dyingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt