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Taehyung

Ohne zu wissen, wo ich hingehe, laufe ich die leeren Straßen entlang. Auf solchen Straßen wie diese, wo es nur schwach beleuchtet wird. Ich habe meine Hände in meine Jackentaschen gesteckt und kicke die Steine, die vor mir liegen, weg. Dabei ist ein Blick starr auf den Boden gerichtet.

Was kann es schon so wichtiges geben, dass meine Oma es mir nicht einfach sofort sagen kann? Wieso interessiert es Jungkook mehr, als mich. Es geht doch um unsere Eltern und Großeltern, also wieso sollte es uns nicht gleich viel interessieren?

Diese Fragen zerbrechen mir noch den Kopf, wenn sie nicht bald beantwortet werden. Fluchend kicke ich den nächsten Stein und beobachte ihn, wo er landet. Er landet einige Meter von mir entfernt auf einer großen Wiese.

Wiese? Wir sind doch in der Stadt. Dort gibt es nicht so viel Wiese wie hier.

Dann schaue ich vom Boden auf und sehe, dass ich nicht mehr in der Stadt bin. Von hier aus kann man zwar die Stadt sehen, aber es ist so klein, dass man nur die vielen Lichter erkennen kann.

Als ich mir die Gegend genauer anschaue, erkenne ich, dass ich diesen Ort kenne. Sogar sehr gut. Denn wenn man geradeaus geht, dann kann man dort einen Friedhof sehen. Und genau das mache ich jetzt. Ich gehe geradeaus und stehe nach einigen Minuten vor dem Grab meiner Eltern.

Und dort liegen sie vor mir. Tot. Zusammen.

Eigentlich hatte ich nach meinem letzten Besuch nicht wieder vor, hier aufzukreuzen. Ich habe damals abgeschlossen.

Nach dem Tod meiner Eltern hat meine Oma versucht meine Lebensfreude wieder "herzustellen". Ich hatte Depressionen. Ich war so zerstört, traurig, verzweifelt und wütend zugleich, dass ich ihre Hilfe ignoriert habe. Meine Eltern waren immer alles für mich. Bei ihnen war ich einfach glücklich. Sie wollten immer das Beste für mich, genauso wie ich für sie. Dann wurden sie mir genommen. Mit jeweils einem Schuss waren sie weg.

Mir tropfen die Tränen wie Ströme aus den Augen, als ich an meinen letzten Besuch zurückdenke. Es war ein Jahr nach dem Tod von ihnen. Meine Oma hat ein Jahr lang versucht mir zu helfen. Ich habe abgelehnt. Ich wollte nicht mehr leben. Natürlich bin ich in diesem einen Jahr meine Eltern immer besuchen gegangen und mich dort ausgeweint. Ich wollte immer zu ihnen. Dann hat etwas mein Leben verändert. Ich bin aufgewacht und wollte das alles nicht. Damit meine ich nicht, dass ich sterben wollte. Nein, ganz und gar nicht. Ich wollte weiterleben. Ich wollte mein Leben genießen, solange ich noch konnte. Das würden auch meine Eltern von mir wollen, habe ich mir damals gedacht. Und dann bin ich zu ihnen gegangen und habe mich von ihnen verabschiedet.

Doch jetzt bin ich wieder da. Wieder stehe ich vor dem Grab und heule. Mit langsamen Schritten nähere ich mich ihm und knie mich daneben hin.

"E-eomma...A-appa...i-ich habe euch s-so sehr ver-misst", schluchze ich und lege meine linke Hand auf die Erde. Mit verheulten Augen schaue ich auf den Grabstein. Dort steht der Name und Geburts- und Todesdatum von meinen Eltern. Wie sehr ich sie doch vermisst habe.

Never Forget You || Vkook || fanficWo Geschichten leben. Entdecke jetzt