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Er erwachte, weil ihm die Sonne ins Gesicht schien, doch er wollte die Augen nicht öffnen, sich nicht bewegen, alles tat ihm weh, selbst atmen schmerzte fast unerträglich. Er wusste nicht wo er war, doch es spielte auch keine Rolle für ihn. Er war nicht zu Hause, soviel wusste er. Der Gedanke an sein Zuhause überschwemmte ihn mit solcher Sehnsucht, dass er krampfhaft versuchte, wieder das Bewusstsein zu verlieren, doch sein Gehirn arbeitete unbeirrt weiter. Das dumme Ding wollte ihm nicht gehorchen. Und so ergab er sich in sein Schicksal und öffnete ein Auge einen spaltbreit. Nur das rechte, das andere gehorchte ihm nicht. Gleißendes Sonnenlicht stach ihm entgegen, sodass er das Auge gleich wieder zukniff. Er beschloss, fürs Erste nur zu atmen. Einfach weiteratmen, alles Andere würde sich schon fügen. Doch der Schmerz in seinem Bauch war so überwältigend, dass er nicht einfach wie ein Toter liegen bleiben konnte. Und so öffnete er einige Sekunden später entschlossen das funktionierende Auge und versuchte, den Arm zu heben, um sich vor dem grellen Licht abzuschirmen. Es klappte, er konnte den Arm bewegen, zwar nur sehr langsam und unter großer Anstrengung, aber er schien nicht verletzt zu sein. Er spürte nicht diesen Schmerz wie einen Blitzschlag und den Widerstand, wie wenn ein Knochen gebrochen war. Er hob die Hand und befühlte vorsichtig sein Gesicht. Das linke Auge war komplett zugeschwollen und an seiner Stirn klaffte ein gezackter Riss, der bereits verkrustet war. Soweit, so gut. Er versuchte auszumachen, wo er sich befand. Er lag in einem sauberen, weiß bezogenen Bett, jemand hatte sein Hemd zerschnitten, es lag über der Lehne eines Stuhls, der direkt neben sein Bett geschoben worden war. Hinter dem Fußende standen ein kleiner Tisch und ein weiterer Stuhl. Er war allein in dem kleinen Raum. Es sah für ihn sehr nach Krankenhaus aus, alles in Weiß und sehr sauber. Er roch starke Reiniger und den durchdringenden, stechenden Geruch von Jod. Ja, definitiv ein Krankenhaus. Das war gut und gleichzeitig schlecht. Es bedeutete, dass irgendetwas passiert war mit ihm, doch er konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, was es war. War er bei der Arbeit abgestürzt? Gut war es aber deshalb, weil es bedeutete, dass ihn jemand hierher gebracht hatte, oder war er selbst hergelaufen? Nein, unwahrscheinlich, daran würde er sich doch erinnern. Auf jeden Fall hatte sich jemand um ihn gekümmert und obwohl sein ganzer Körper nur aus Schmerzen zu bestehen schien, war er fest davon überzeugt, dass er nicht sterben würde. Sonst würde es ihm wohl noch schlechter gehen. Vielleicht war es ja auch ein Verkehrsunfall? Nun, er würde wohl jemanden fragen, sobald man hier einer Krankenschwester habhaft werden konnte, denn offenbar waren sie alle irgendwo anders. Alles um ihn herum war totenstill. Krankenschwester! Da kam ihm eine Erinnerung und es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Diese junge Frau von gestern Nacht, sie hatte gesagt sie sei Krankenschwester und er hatte es an ihrer Kleidung erkannt. Sie hatte ihn gefunden und allein hierher geschleppt. Ihn! Dieses zarte, bezaubernde Wesen hatte IHN den ganzen Weg gestützt und während der Untersuchung seine Hand gehalten. Er dachte an diese zarten, filigranen kleinen Finger, wie sie seine große Hand gehalten hatten, zärtlich, aber mit erstaunlicher Kraft. Bei dem Gedanken daran schämte er sich ein bisschen für seine Feigheit. Doch sie hatte ihn sofort in den Bann gezogen und er hatte der Chance, ihre Hand zu halten, einfach nicht widerstehen können. Sie war wie ein Engel in dieser finsteren, dreckigen Gasse aufgetaucht. Mit diesen dunkelbraunen Locken und den hellgrünen, intelligenten Augen. Und dieser Mund! Wäre er nicht da schon völlig indisponiert gewesen, so hätte er sicher versucht, sie zu küssen. Und wenn er sich dafür eine Ohrfeige gefangen hätte, so wäre es das wert gewesen! Bei dem Gedanken daran musste er unweigerlich grinsen, was ihn vor Schmerz aufkeuchen ließ. Selbst Grinsen tat weh! Er besann sich wieder. Verdammt Sam, du bist auf den Kopf gefallen! Eine Frau wie sie, noch dazu eine O'seronni, eine Weiße, was sollte sie mit ihm schon anfangen? Und ausgerechnet ER und eine weiße Frau? Kaum nachvollziehbar, das musste er sich eingestehen. Das konnte doch nicht gut gehen. Für ihn gab es nur das Leben im Reservat, das wusste er, und obwohl es sein Zuhause war, stimmte ihn dieser Gedanke doch etwas bitter. Die Arroganz der Weißen war unübertroffen, andere Leute in Reservaten einzupferchen wie Schafe! Er schloss kurz die Augen und schüttelte leicht den Kopf. Vergiss sie, Junge, das endet nicht gut. Eine mahnende Stimme in seinem Hinterkopf flüsterte leise "Du klingst wie deine Mutter." Bei dem Gedanken musste er wieder grinsen, auch wenn es schmerzte.
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I see fire
Romance... Als ich vorsichtig den Kopf in die Dunkelheit streckte, dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis sich meine Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten und ich etwas erkennen konnte. Ich machte ein, zwei Schritte in die Gasse hinein und sah mich um. I...