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Alle waren völlig aufgeregt mit den Vorbereitungen beschäftigt. Ich war gleich Montagmorgen eilig zu Elias gegangen, um ihm Bescheid zu geben und ihn eventuell zu bitten, einige unserer Sachen aufzuheben, bis der Frühling kam und e es uns mit dem Zug nachschicken konnte. Es hatte über Nacht zu schneien begonnen und am Morgen noch nicht aufgehört. Sam hatte mich dahin begleitet und war dann weiter zur Post, um den Brief an seine Mutter zu versenden. Als wir bei Elias in Bowery ankamen, lag der Schnee auf den Wegen schon bestimmt 20 cm hoch. Sam brachte mich bis zur Haustür und verabschiedete sich mit einem leidenschaftlichen Kuss. Er ging jedoch nicht, ohne mich vorher noch einmal eingehend ins Gebet zu nehmen, auch ja nicht ohne ihn zu verschwinden. Ich hatte ihm versprechen müssen, zu warten, bis er mich wieder abholte. Und so saß ich jetzt etwas entnervt in Elias' kleiner Wohnung in der Küche, trank Kaffee und ärgerte mich, dass Tante Milly zu Hause packte und ich ihr nicht helfen konnte. Elias saß mir gegenüber und nippte an seiner Tasse. Ich blickte nachdenklich aus dem kleinen Fenster und beobachtete, die großen, weichen Flocken, die vor der Scheibe vorbei wirbelten. "Was ist denn, meine Liebe?" Ich riss mich aus meinen Gedanken und blickte ihm durchdringend in die Augen. "Wir können nur mit leichtem Gepäck reisen, könntest du vielleicht ein paar von unseren Sachen bei dir unterstellen, bis der Frühling kommt?" Elias runzelte die Stirn, nickte aber. "Verzeih mir, wenn ich dir zu nahe trete, aber ist etwas vorgefallen, dass ihr so plötzlich aufbrechen wollt?" Ich seufzte und zuckte die Achseln. "Ich kann es dir nicht genau sagen. Sam ist im Moment völlig rastlos und wird mit jedem Tag gereizter. Irgendetwas beunruhigt ihn erheblich, doch ich glaube er weiß selbst nicht genau, was es ist." Elias nahm einen kräftigen Zug aus seiner Kaffeetasse. "Hat er denn nicht mit dir darüber gesprochen?" "Doch, ich kann mir nur leider keinen Reim darauf machen, was die genauen Gründe sind. Er hat mir gestern ein Telegramm gezeigt, dass er von seinem Bruder aus dem Reservat erhalten hat. Der Text ergibt für mich überhaupt keinen Sinn, doch Sam wurde sofort nervös und zu Hause hat er Tante Milly förmlich auf Knien angebettelt, mit uns zu kommen, so schnell es geht!" Elias nickte nachdenklich. "Dein Mann weiß, oder ahnt, irgendetwas. Doch egal, was es ist, wenn er eine Bedrohung darin sieht und mit euch davor zu fliehen gedenkt, dann solltet ihr ihm einfach vertrauen." Ich wurde ein bisschen rot, weil er Sam meinen Mann genannt hatte und musste mir eingestehen, dass mir der Gedanke gefiel. Ich seufzte theatralisch und er lachte leise. "Das kommt alles so plötzlich." Elias nickte verständnisvoll. "Ich glaube, Sam weiß, was er tut. Ich wünsche euch auf jeden Fall viel Glück und eine sichere Reise. Gib mir einfach Bescheid, wann ich die Sachen aus der Wohnung abholen lassen soll." Ich seufzte erleichtert. "Ich danke dir, Elias. Du bist wirklich ein guter Freund." Er lächelte schief. "Das ist ja wohl das Mindeste, das ich tun kann." Ich wehrte ab. "Du hast schon so viel für uns getan, ich werde es wieder gutmachen, wenn ich kann." Elias lächelte sanft in sich hinein. Dann runzelte er die Stirn "Was macht ihr eigentlich mit dem Hund?" Ich blickte erstaunt zu ihm herüber. "Minnie kommt natürlich mit!" Das brachte ihn zum Lachen und ich fiel etwas verlegen mit ein.

Wir verbrachten noch eine Weile damit, die Einzelheiten der Reise zu erläutern und tranken noch zwei weitere Becher Kaffee, bis Sam endlich an die Tür klopfte. Elias öffnete ihm und ließ dabei einen eisigen Windhauch herein, ich bekam eine Gänsehaut und schlang die Arme um den Körper. Bei Sams Anblick musste ich unweigerlich grinsen, er sah aus wie Väterchen Frost, völlig weiß von Schnee, selbst seine langen, losen Haarmassen und sein Dreitagebart waren vollkommen damit bedeckt. Er hatte offenbar erkannt, was so lustig war und blies sich auf "Ho, ho, ho!" rief er mit gespielt tiefer Stimme und ich brach in wildes Gelächter aus. Er beugte sich zu mir herunter und gab mir einen eisigen Kuss, einige Schneeklumpen vielen von seinem Scheitel und ich kreischte auf, als einer davon in meinem Ausschnitt landete. Hastig versuchte ich, mich davon zu befreien, doch es schmolz sofort auf meiner Haut und eisige Wassertropfen rannen unter meiner Kleidung herunter bis zu meinem Bauchnabel und verursachten mir erneut eine Gänsehaut. Sam wandte sich an Elias: "Wir wollten Samstagabend noch eine kleine Abschiedsfeier veranstalten, kommst du wieder zu uns?" Elias seufzte betrübt. "Es tut mir leid, ich habe die ganze Woche über Spätdienst von 16 Uhr an." Sam runzelte die Stirn. "Dann mach doch einfach einen Tag frei, ich denke du darfst am Sabbat sowieso nicht arbeiten?" Elias zuckte entschuldigend die Achseln "Als Arzt ist das nicht so einfach, ich rechtfertige mich einfach immer damit, dass ich es tue, um Menschen zu helfen. Und ich habe meine letzten Urlaubstage dieses Jahres schon für Hanukkah eingetragen." Sam seufzte betrübt. Ich hatte das Gefühl, dass er ihn mittlerweile doch ziemlich gut leiden konnte, trotz der anfänglichen Differenzen. "Dann lass uns morgen früh mit einem Kaffee darauf anstoßen." Schlug ich vor. Sam betrachtete mich liebevoll und legte den Arm um mich. "Das machen wir! Elias, wir laden dich jetzt einfach stellvertretend für Milly zum Frühstück ein." Elias nickte strahlend. "Gut, dann bringe ich frisches Brot mit und vielleicht eine Flasche…" Sam wehrte ab. "Lass gut sein, Freund! Milly hat ausreichend Whisky auf Vorrat, um das ganze Viertel in die Luft zu jagen." Er musste selbst über seine eigenen Worte lachen und Elias und ich fielen mit ein.

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