Der Tarnanzug

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Als Stark ihr das erste Mal davon erzählt hatte, hatte Melinda nur laut lachen können. Er sollte einen Anzug entworfen haben, der unsichtbar machte? «So ähnlich wie bei Harry Potter?» hatte sie spöttisch gefragt und sich damit einen wütenden Blick von Tony Stark eingefangen.

«Nein, absolut nicht wie bei Harry Potter!» hatte er sie angeblafft. «Kein blöder Umhang, bei dem unten die Füsse rausschauen oder so... Ein richtiger Anzug, der ihren Körper von Kopf bis Fuss bedeckt und sie – hören sie auf, mich so amüsiert anzuschauen! – für jeden unsichtbar werden lässt!»

Zugegeben: inzwischen wusste sie nicht nur, dass er das ernst gemeint hatte, sondern dass der Anzug auch tatsächlich funktionierte. Sie hatte ihn nämlich anprobieren dürfen, denn offenbar hatte Stark seine neueste Errungenschaft zumindest einer Person enthüllen wollen.

Trotzdem war Melinda überrascht, als er jetzt damit in ihrer Kabine auftauchte. «Nehmen sie ihn,» sagte er, für einmal recht kurz angebunden. «Wer weiss, ob sie ihn nicht noch brauchen werden.»

«Warum sollte ich?» Verwirrt nahm sie den grau-blauen Ganzkörperanzug entgegen.

«Weil sie es vorhin geschafft haben, Loki auszutricksen. Und das hat mir definitiv bewiesen, dass sie so gut sind, wie ihre Akte verspricht. Es könnte also vielleicht mal noch von Vorteil sein, dass sie sich in die Nähe dieses Psychopathen begeben können, ohne dass er sie zu Gesicht bekommt.»

Melinda konnte sich ein flüchtiges Grinsen nicht verkneifen. «Das geht doch auch anders... Schon mal was von der genialen Erfindung namens Überwachungskamera gehört?»

Einen Moment lang schien Stark ärgerlich werden zu wollen, doch dann stimmte er in ihr Lachen ein. «Ja, man hat mir davon erzählt..!» Schlagartig wurde er wieder ernst. «Aber es gibt nicht immer und überall Kameras.»

Auf diesem Helicarrier schon, dachte die junge Agentin verwirrt, aber ein Blick in Tony Starks Augen liess sie verstummen. Instinktiv ahnte sie, dass er das gleiche annahm wie sie: dass Lokis Plan einen Aufenthalt hier miteinschloss – und demnach sicher auch eine Flucht von hier.

Melinda nickte ergeben. «Wenn sie es für nötig halten, hefte ich mich von nun an ständig an seine Fersen. Ob mittels Kameras oder...» Sie hielt den Anzug hoch, «...damit. Aber erst muss ich Fury fragen, ob er das autori...»

«Nein!» Starks Tonfall ähnelte jetzt mehr dem seines Alter-Egos Iron Man als dem des lockeren Playboys, der er im privaten Leben war. «Das bleibt unter uns.»

«Darf ich nach den Gründen dafür fragen..?»

«Sie dürfen.» Er machte eine wegwerfende Bewegung, «Aber die Antwort werde ich ihnen schuldig bleiben.»

«Schon gut, ich nehme an, ich kenne sie auch so. Sie vertrauen Fury – oder S.H.I.E.L.D. – nicht.» Schliesslich hatte sie mitbekommen, wie sie sich vor einigen Stunden alle zusammen im Kontrollraum gestritten hatten, als sie Lokis Zepter genauer unter die Lupe nahmen. Und dabei hatte Stark ihren Chef offen der geheimen Herstellung von Nuklearwaffen bezichtigt. Hatte behauptet, dass dies der eigentlich Grund sei, weshalb sie sich den Tesseract, diese offensichtlich ausserirdische Energiequelle, die von Loki gestohlen worden war, unbedingt wiederbeschaffen mussten. Womit er nicht ganz unrecht hatte, wie Melinda wusste...

«Nicht S.H.I.E.L.D. misstraue ich,» korrigierte Stark, «nur Fury.»

Was dasselbe war, aber sie vermied es, den Gedanken laut auszusprechen. War ja nicht unbedingt nötig, Stark daran zu erinnern, dass sie ebenfalls eine Agentin dieser Organisation war.

«Kann ich mich auf sie verlassen?»

Melinda seufzte. Wer konnte Iron Man schon etwas abschlagen? «Ja, klar.»

Erst als er draussen war, wurde ihr bewusst, dass sie nun die Möglichkeit hatte, ganz nahe an Loki heranzukommen – buchstäblich und unbemerkt...

Bei dem Gedanken wurde ihr auf einmal heiss und kalt!

Loki: The Dark Prince - Der dunkle PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt