Sie bissen auf Granit. Die Hydra-Festung war mit einem Schutzschild umgeben, und Jarvis schaffte es nicht, den Code zum Aufheben der Sperre zu knacken. Auch Thor, der es wie immer mit Gewalt versuchte, hatte keinen Erfolg.
«Ich schnappe mir den Tarnanzug und schleiche mich mit einem der Hydra-Leute rein,» beschloss Melinda deshalb und machte sich bereits daran, zum Jet zurückzukehren. Da sie über Funk mit allen verbunden war, wusste sie, dass ihr Vorschlag von allen gehört worden war. Doch ehe einer der Avengers reagieren konnte, hörte sie Lokis Stimme über den Sender: «Kommt gar nicht in Frage! Das ist viel zu gefährlich.»
Die Worte waren ihm rausgerutscht, ehe er richtig nachgedacht hatte, was er da sagte. Aber er meinte es absolut ernst. Wenn Melinda da reinging, begab sie sich mitten in die Höhle des Löwen. Und allein bei diesem Gedanken wurde dem Mann heiss und kalt.
«Loki, lass das!» flüsterte Melinda zurück. «Es ist unsere einzige Chance, den Schutzschild zu deaktivieren. Wenn ich da mal drin bin, kriege ich sicher raus, wie das...»
«Und wenn du auffliegst?» unterbrach er sie.
«Berufsrisiko einer Agentin.» Das war Starks Stimme. Er war ganz in Melindas Nähe gewesen und schloss jetzt zu ihr auf. Ein rascher Blick auf ihr entschlossenes Gesicht zeigte ihm, dass er sich nicht irrte: sie würde sich davon nicht abbringen lassen. Und die Idee war ja auch gut. «Ich will jetzt nicht zynisch sein, aber ich könnte mich ja schon wundern, dass sie sich auf einmal um eine gewöhnliche Sterbliche Sorgen zu machen scheinen.»
«Sie wollen nicht zynisch sein?» schnauzte Loki zurück, während er sich den Kopf zermarterte, wie er Melinda die Sache ausreden konnte. «Dann lassen sie es auch!»
Die junge Agentin hakte sich bei Iron Man unter, der sie innert weniger Sekunden beim Jet absetzte. Als Loki ihr die Tür öffnete, stürmte sie an ihm vorbei und sagte noch im Gehen: «Spar dir jedes weitere Wort. Ich muss das tun, und das weisst du genau.» Mit dem Tarnanzug in der Hand blieb sie dicht vor ihm stehen. Sanft berührte sie sein Gesicht. «Mir passiert schon nichts. Denk dran: ich habe ja sogar einen Trip nach Asgard und zurück unbeschadet überstanden.»
Loki verzog das Gesicht, wusste aber, dass es sinnlos war, sie umstimmen zu wollen. Er hatte ihren Dickkopf mittlerweile schon ziemlich gut kennen gelernt, und selbst wenn nicht: wenn er ehrlich sein wollte, musste er ihr ja zustimmen. Die Idee war gut. Wenn nur nicht ausgerechnet Melinda diejenige gewesen wäre, die sie hätte ausführen müssen!
Am liebsten hätte er Thor gebeten, ein Auge auf Melinda zu haben, aber das war natürlich unmöglich. Im Gegensatz zu ihr konnte sich sein Bruder ja nicht mit einem Tarnanzug unsichtbar machen.
Wenigstens konnte er sie auf dem Bildschirm verfolgen. Aber das war ihm nur ein kleiner Trost. Er wusste: wenn sie aufflog, wäre sie tot bevor auch nur einer der Avengers in ihre Nähe gelangte. Wenn er bloss seine Magie noch hätte! Dann wäre er an ihrer Stelle gegangen, denn er konnte genauso für alle unsichtbar sein, wenn er es wollte. Oder er hatte es gekonnt. Im Moment taugte er zu nichts anderem mehr als dem Überwachen des Teams am Monitor. «Womit ich eine wirklich unverzichtbare Hilfe darstelle!» brummelte er zynisch vor sich hin und sah dann widerstrebend zu, wie Melinda den Jet verliess. Wobei 'sehen' nicht ganz den Tatsachen entsprach: das einzige, was er jetzt noch von ihr sah, war der Punkt ihres Signals auf dem Computer. Sie selbst war für das Auge nicht mehr erkennbar.
Draussen tobte ein erbitterter Kampf zwischen den Avengers und den Leuten von Hydra, die zahlenmässig weit überlegen waren. Ausserdem besassen sie offenbar ein nicht gerade kleines Arsenal an Chitauri-Waffen. Waffen, in deren Besitz sie natürlich einzig und allein durch seine, Lokis, Schuld gelangt waren. Nicht zum ersten Mal verfluchte er sich dafür, den Verlockungen von Thanos nachgegeben zu haben. Oder, wenn er ehrlich sein wollte, den eigenen Hass solange genährt zu haben, bis er ihn aufzufressen drohte. Diesen zu jenem Zeitpunkt riesigen Hass auf Odin, Thor und die ganze verlogene Bande in Asgard, wie er sein ehemaliges Volk damals abschätzig genannt hatte. Wäre er nicht so blind vor Zorn und Eifersucht gewesen und hätte er sich nicht benommen wie ein dummes, in seinem Stolz verletztes Kleinkind, hätte er gemerkt, was für einen absurden Plan er da im Namen von Thanos verfolgen sollte. Die Erde erobern... Du meine Güte: als ob ihm je ernsthaft was an einer Herrschaft über Midgard gelegen hätte!
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Loki: The Dark Prince - Der dunkle Prinz
ChickLitEr ist die grösste Bedrohung, der die Menschheit bisher ins Auge blicken musste. Der schlimmste Feind, den es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt. Doch Agentin Melinda Crave kann nicht verhindern, dass sie von Anfang an dem Bann des geheimnisvolle...