Zweigeteilt

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Loki kannte zwar so ein, zwei Methoden, wie man sich selbst gegen Geister zur Wehr setzen und ihnen entkommen konnte. Leider schloss keine dieser Methoden eine schmerzlose Variante für die Gegner mit ein... Denn obwohl es natürlich nicht möglich war, Geister physisch zu verletzen, so konnte er ihnen doch psychisch derart zusetzen, dass der Schmerz ausreichen würde, um sie lange genug von ihm abzulenken, damit er entwischen konnte.

Aber wenn eines für ihn feststand, dann dass er dies unter keinen Umständen wollte. Früher hätte er sich kaum Gedanken darüber gemacht, doch inzwischen wusste er aus eigener Erfahrung nur zu gut, dass seelische Qualen mindestens ebenso schlimm, wenn nicht sogar noch weitaus grösser sein konnten als körperliche. Und er hatte diesen Halbwüchsigen vor ihm schon genug angetan.

Er sass also ganz schön in der Zwickmühle, denn ein Portal öffnen und einfach dadurch verschwinden, konnte er nicht – die Geister verschlossen die Tore zur anderen Dimension. Zumindest soweit, dass er nicht an einem Stück durchpasste...

Es gab noch eine Möglichkeit, aber Loki zögerte, sie anzuwenden. Erstens hatte er das nur ein einziges Mal geübt und war sich somit absolut nicht sicher, dass es klappen würde. Und zweitens bedeutete es, einen Teil von sich selbst zurücklassen zu müssen. Was wiederum bedeutete, dass er nicht mit seiner ganzen magischen Kraft entkommen konnte... und dass der Teil von ihm, der nicht durchs Portal passte, den rachsüchtigen Geistern preisgegeben wäre.

Andererseits hatte er kaum eine Wahl: entweder das, oder er wäre ihnen vollständig ausgeliefert.

Er sammelte seine ganze Energie im Zentrum des Körpers und versuchte dabei, die Anwesenden auszublenden. Er spürte, wie sich die Magie in seiner Mitte sammelte und konzentrierte sich darauf, seinen Körper in zwei Teile zu spalten. Dabei galt es nicht nur, beide Teile soweit vollständig zu erhalten, dass sie getrennt voneinander agieren konnten (er also seinen Körper sowie seinen Geist in zwei identische Personen materialisierte) sondern auch noch, den einen Teil unsichtbar sein zu lassen. Zumindest solange, bis er das Portal gebildet hatte und durchschlüpfen konnte.

Loki spürte, wie ihm der kalte Schweiss auf der Stirn ausbrach. Er musste sich beeilen, denn die Geister kamen immer näher. Zum Glück genossen sie seine - scheinbare - Verzweiflung und glitten deshalb nur sehr langsam voran, doch er wusste: wenn sie ihn erst einmal erreicht hatten und berühren konnten, war es zu spät. 'Konzentrier dich', befahl er sich selbst und schloss die Augen, um seine Umgebung vollständig aus seinen Gedanken auszuklammern. 'Du hast es beinahe...'

Er merkte, wie eine ungeheure Kraft in ihm Gestalt annahm und ihn zerriss. Sein neuer, zweiter Körper begann sich von seiner eigentlichen Gestalt zu lösen - eine identische Kopie seiner selbst aber doch etwas ganz anderes als die Hologramme oder auch festeren Kopien, die er sonst bei Bedarf im Kampf schuf. Jene Abbilder waren nichts anderes als seelenlose Täuschungen... Hier und jetzt aber erschuf er sich sozusagen ein zweites Mal.

Das Reissen in seinem Inneren war ungeheuerlich, und der Schmerz kaum auszuhalten. Doch Loki gelang es, auch dies weitestgehend auszublenden. Er brauchte nur noch ein paar wenige Sekunden... Und er bekam sie. Die Geister waren zwar beinahe heran, aber gerade noch zwei, drei Schritte entfernt genug, dass die Ablösung vollendet werden konnte. Es gelang ihm sogar tatsächlich, seinen 'Zwilling' unsichtbar sein zu lassen. Mit allerletzter Kraft öffnete er ein Portal - und dann hörte er die vier schreien.

Allem Anschein nach war es nun vorbei mit der Unsichtbarkeit!

Sei's drum: Loki schlüpfte durch das Portal, ohne dass ihn jemand hindern konnte. Die Geister versuchten gar nicht erst, ihm nachzueilen, denn sie waren komplett überrumpelt. Ausserdem hätten sie auch keine Chance gehabt, denn Loki versiegelte das Portal hinter sich und sorgte dafür, dass der 'Totenwelt' der Zutritt zur realen Dimension wieder verwehrt wurde.

Aber irgendwie schienen sie auch komplett verwirrt zu sein, denn schliesslich stand Loki eigentlich noch immer an derselben Stelle.

Oder zumindest die Hälfte von ihm...

Als sich das Portal hinter ihm schloss, sank er auf der anderen Seite erschöpft zu Boden und fragte sich, welchen Teil seiner magischen Kraft er wohl eingebüsst hatte. Zumindest konnte er noch Öffnungen zwischen den Dimensionen schaffen - und blocken...

Nach einigen Minuten, als seine Kräfte langsam zurückkehrten, versuchte er, einen Energieblitz in den Händen zu formen. Erfreut stellte er fest, dass auch dies noch klappte. Auch das Erschaffen eines Hologramms von sich selbst bekam er hin. Er richtete sich auf und testete zuletzt noch die Möglichkeit, seine Gestalt zu verändern: alles bestens, das klappte ebenfalls.

Nicht, dass er sich hätte beschweren wollen, aber langsam fragte er sich, welche Kraft ihm fehlte. Er brauchte allerdings nicht besonders lange zu warten, um es herauszubekommen...

Laute Schritte waren plötzlich zu hören, und Loki zuckte zusammen. Wer konnte das sein? Noch mehr Geister? Aber nein, Unsinn: die würden keinen Lärm verursachen.
Wer also dann? Er dehnte seinen magischen Sinn aus – und dann wusste er, welche Kraft ihm jetzt fehlte.

Er hatte die Fähigkeit eingebüsst, lebende Wesen wahrzunehmen. Und auch diejenige, in ihre Gedanken einzudringen. Etwas, das ihm sofort klar wurde, als er Coulson und die zwei jungen Agenten Fitz und Simmons um die Ecke kommen sah und ihr Geist ihm verschlossen blieb.

Er fluchte innerlich, gestand sich dann aber ein, dass es weitaus schlimmer hätte sein können.

Als Coulson ihn erkannte, blieb er wie vom Donner gerührt stehen. «Loki!» rief er aus. «Wir dachten, sie wurden...»

«...entführt?» half er dem Mann weiter, der vor lauter Überraschung – und deutlichem Misstrauen, das sich sofort auf sein Gesicht stahl – den Faden verlor. «Dem war auch so. Aber wie sie sehen, konnte ich entwischen.» Welchen Preis er dafür bezahlt hatte, behielt er für sich.

Coulson, immer noch irritiert, stammelte: «Und seit... wann..?»

«Vor ein paar Minuten.» Loki spürte Ungeduld in sich aufsteigen. «Keine Angst: ich wollte eigentlich gerade zu ihnen kommen.»

«Das trifft sich ja bestens.» mischte sich Jemma Simmons ein. Sie erkannte, wie angespannt Coulson war, und wollte die Situation entschärfen. «Wir sind froh, sie unverletzt wieder zu sehen.»

Loki hob eine Braue und grinste ihr zu. «Tatsächlich?»

Sie wurde rot, gab aber keine Antwort.

Loki: The Dark Prince - Der dunkle PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt