Loki fiel. Und fiel. Und fiel. Er hatte den Eindruck, dass dieser Fall endlos war, kein Reisen im Bifröst, wie er es kannte, sondern ein Sturz im wahrsten Sinne des Wortes. Und hätte er selbst nicht immer wieder ein entsetztes Keuchen ausgestossen, hätte er mit Sicherheit dasjenige der Frau gehört, die mit ihm fiel. So aber gingen ihre überraschten Laute in den seinen unter.
Er fühlte, wie die Erde näherkam, und schloss die Augen in Erwartung des Aufschlags, der diesmal wohl kaum einer sanften Landung gleichkommen würde. Und er sollte sich nicht getäuscht haben. Mit einem lauten Krachen schlug sein Körper auf den Boden auf, und Loki schwanden sekundenlang alle Sinne. Er hatte das Gefühl, dass kein einziger Knochen in seinem Körper heil geblieben war.
Nun, das stimmte zum Glück nicht ganz, wie er nach einigen Momenten feststellte, als er, noch benommen und mit verschwommenem Blick, versuchte, sich hochzurappeln – aber doch teilweise, denn als er die linke Hand am Boden abstützte, schoss ein stechender Schmerz in sein Gehirn. Er keuchte und fluchte leise vor sich hin. Offensichtlich war sein Handgelenk gebrochen. Na wunderbar! Das fing ja toll an.
Melinda Crave merkte, dass etwas nicht stimmte, und es brauchte auch keine Fantasie, um zu wissen, was passiert war. Als Loki schmerzhaft das Gesicht verzog, wusste sie ebenfalls, dass er sich das Handgelenk gebrochen hatte. Ihr selbst war zum Glück nichts passiert, denn anders als Loki, der die «Reise» im Bifröst ja das erste Mal als sozusagen normaler Sterblicher mitmachte, hatte sie immerhin schon zum zweiten Mal das Vergnügen gehabt – und war somit besser vorbereitet gewesen. Kurz vor der Landung hatte sie sich deshalb zum halbwegs sanften Abrollen am Boden bereit gemacht.
Nun schaute sie unsicher zu dem Mann hinüber und fragte sich, ob er sie trotz ihres Tarnanzuges bemerkt haben könnte. Doch gleich darauf atmete sie erleichtert aus: Loki war offensichtlich vollkommen ahnungslos, dass sie sich in seiner unmittelbaren Nähe befand. Zudem hatte er im Moment wahrhaft andere Sorgen!
Er trug noch immer seine asischen Kleider – zwar ohne das grüne Cape und den Helm, aber trotzdem auffällig genug, dass es nicht lange dauern konnte, bis er erkannt wurde. Und da sie, wie Odin es versprochen hatte, genau an der Stelle gelandet waren, von der sie nach Asgard aufgebrochen waren, befanden sie sich demzufolge mitten im Central Park in New York. Und damit nicht nur mitten in der Stadt, die Loki fast dem Erdboden gleichgemacht hatte, sondern auch noch an einem ihrer belebtesten Punkte! Der einzige, kleine Vorteil, den Loki hatte, bestand darin, dass es langsam Abend wurde und bereits eindunkelte. Trotzdem war es noch hell genug, dass es einige Menschen gab, die dem nicht gerade unfauffälligen Mann verwunderte Blicke zuwarfen. Ein paar Leute blieben sogar stehen, zeigten mit dem Finger auf Loki und begannen zu tuscheln.
Dem Mann war klar, dass er so schnell wie möglich verschwinden musste. Aber als er Anstalten machte, sich davon zu stehlen, verzog er wieder schmerzhaft das Gesicht: offensichtlich hatte er bei dem Sturz genügend Prellungen davongetragen, dass er nicht mehr ganz so leichtfüssig auf den Beinen war. Als nur wenige Meter von ihnen entfernt zwei grosse, bullige Männer plötzlich stehen blieben und eindeutige, düstere Blicke auf Loki warfen, bemerkte Melinda ganz deutlich, wie dieser blass wurde.
Langsam drehte sich Loki um und versuchte, so gelassen wie möglich zu verschwinden. Seine gespielte Ruhe liess die beiden Männer tatsächlich unsicher werden, und diesen kurzen Moment nutzte Loki, um möglichst rasch ausser Sichtweite zu gelangen. Es klappte auch dank der vielen Bäume und Sträucher, die es im Park gab – denn obwohl die zwei Männer nach einigem Zögern in die Richtung eilten, wo Loki eben noch gestanden hatte, fanden sie ihn nicht mehr. Melinda hörte, wie der eine sagte «Komm schon, gehen wir. Er kann es ja schliesslich unmöglich gewesen sein!» Der andere schnaubte was von wegen, er sei sich ganz sicher gewesen, und dieses Gesicht würde er sein Leben lang nicht mehr vergessen, liess sich dann aber doch zum Weitergehen überreden.
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Loki: The Dark Prince - Der dunkle Prinz
ChickLitEr ist die grösste Bedrohung, der die Menschheit bisher ins Auge blicken musste. Der schlimmste Feind, den es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt. Doch Agentin Melinda Crave kann nicht verhindern, dass sie von Anfang an dem Bann des geheimnisvolle...