Lokis dunkle Seite

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Der Sturz war endlos, und doch hatte Loki nicht wirklich das Gefühl, zu fallen. Es fühlte sich eher an, als würde er schweben. Als würde er ganz langsam und sanft nach unten in die Tiefe gleiten. In die schwarze, endlose Tiefe, die allerdings nichts Bedrohliches an sich hatte. Eher etwas Tröstliches. Etwas Vielversprechendes. Wäre da nicht der pochende Schmerz in seinen Schläfen gewesen, hätte Loki sich direkt gut fühlen können...

War er tot? Er wusste es nicht. Eigentlich hätte er es sein müssen, obwohl er zumindest mit der kleinen Möglichkeit gerechnet hatte, dass seine Magie ihn schützen könnte. Doch der Tod bildete die grössere Wahrscheinlichkeit in diesem Spiel...

Nur, wenn er tot war, warum fühlte er sich dann noch lebendig? Oder war das normal? War es so, dass man noch einen Körper hatte, wenn man starb? Hände und Füsse, Beine und vor allem einen Kopf, der sich anfühlte, als würde er gleich platzen?

Nein, er musste noch am Leben sein. Oder zumindest in einem Zustand, der dem sehr nahe kam.

Womit sich eine zweite, nicht minder wichtige Frage stellte: wo war er?

Eine Stimme war in seinem Kopf, hallend, zischend und beinahe unangenehm laut. Zunächst verstand Loki kein Wort von dem, was gesagt wurde, dann nahm er einzelne Gesprächsfetzen wahr: «...müsste tot sein... spüre Zorn... nützliches Werkzeug...»

Wer war das? Träumte er, oder war das echt? Sprach da jemand mit ihm... über ihn?

Jemand antwortete. Eine dunkle, unheimliche Stimme, die Loki einen Schauer den Rücken hinunterjagte. Er versuchte sich aufzurichten und merkte, dass er wieder auf den Boden gedrückt wurde. «Liegenbleiben... verletzt...» sagte die erste Stimme. Es klang nicht besorgt oder gar mitfühlend, eher ungeduldig.

Lokis Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dunkelheit, die allumfassend schien. Nirgends gab es auch nur das kleinste Licht. Er stöhnte und versuchte zu sprechen. Es kam nur ein weiteres Stöhnen heraus.

Da beugte sich ein Gesicht über ihn. Gross, bläulich-violett schimmernd, mit funkelnden Augen und einem breiten, seltsam vernarbten Kinn... Das Wesen kam ihm ganz nahe und lächelte. Ein düsteres, unheimliches Lächeln.

«Du bist stark.» Diesmal verstand Loki die Worte. «Stärker, als man es dir ansieht. Das ist gut. Sehr, sehr gut...»

Wieder dieses grausame Lächeln. In Loki schrillten sämtliche Alarmglocken. Doch die nächsten Worte waren beruhigend und vielversprechend. Trügerisch vielversprechend. «Du bist in Sicherheit, Junge.» sagte der violette Riese. «Hier bei uns wirst du alles finden, was du dir wünschst.»

Eine riesige Hand näherte sich seinem Gesicht und...

...Loki wachte schweissgebadet auf. Er keuchte und brauchte ein paar Minuten, um zu realisieren, wo er war. Doch die Erinnerung liess sich nicht so schnell abschütteln wie die Bettdecke, die er zurückstreifte, um sein Gesicht im angrenzenden Bad unter den eiskalten Wasserstrahl zu halten.

Sein Sturz vom Bifröst vor rund zwei Jahren. Der endlose Fall ins Nichts. Und dann Dunkelheit... und Thanos.

Warum träumte er ausgerechnet jetzt von ihm? Loki war sich zu sehr seines überirdischen magischen Sinnes bewusst, um das als blossen Zufall abzutun.

Er zitterte und wusste, dass er dringend frische Luft brauchte. Ein kurzes Schnippen mit den Fingern, dann war er angezogen, eine weitere Bewegung mit der Hand, und er stand draussen vor der Tür. Die Strassen lagen menschenleer vor ihm. Es war drei Uhr morgens.

Ohne besonders Ziel stapfte er los. Vielleicht würde ihm die kühle Nachtluft helfen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Aber schon nach wenigen Metern wusste Loki, dass es sinnlos war. Die Erinnerung an seine dunkelste Zeit umklammerte ihn wie eine Faust.

Loki: The Dark Prince - Der dunkle PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt