Loki schaffte den Weg zurück in Melindas Apartment kaum. Oben angekommen, dirigierte sie ihn deshalb ohne viele Worte in ihr Schlafzimmer und bedeutete ihm, auf dem Bett Platz zu nehmen. «Sie können hier schlafen,» sagte sie bestimmt. «Ich nehme das Sofa.» Als Loki etwas einwerfen wollte, hob sie die Hand und fügte hinzu: «Keine Widerrede, denn die Sache hat einen Haken: ich werde sie an den Bettpfosten fesseln.» Sprach's und zog ein Paar Handschellen hervor. «Schliesslich möchte ich verhindern, dass sie morgen früh verschwunden sind.»
Loki lächelte säuerlich. «Da könnten sie eigentlich ganz beruhigt sein, denn die Kraft zum Abhauen fehlt mir schon jetzt.» Aber er liess es dann ohne Gegenwehr zu, dass sie sein rechtes Handgelenk an den Bettpfosten kettete.
Melinda konnte ihm weder einen Pyjama noch sonst etwas Bequemeres zum Schlafen anbieten, doch als sie sah, wie erschöpft Loki aussah, wusste sie, dass es auch egal war. Er hätte eh nicht mehr die Kraft zum Umziehen gehabt... Und tatsächlich liess er sich völlig kraftlos aufs Bett fallen, ohne auch nur die Schuhe auszuziehen.
Melinda liess ihn allein. Sie merkte ihm deutlich an, dass er Schmerzen hatte, und ging ins Bad, um nach Schmerztabletten zu suchen. Doch als sie mit einer Packung des stärksten Mittels, das sie besass, zurückkam, schüttelte Loki nur matt den Kopf. «Das wird nichts bringen,» sagte er schwach. «Wie gesagt: die Peitsche ist magisch gewesen... was heisst, dass es die Schmerzen... sozusagen... auch sind.»
Melindas Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Loki seufzte leise und meinte dann nur: «Vereinfacht gesagt: kein Medikament wird gegen die Schmerzen helfen.»
«Und wie schlimm wird das werden?» fragte Melinda und versuchte krampfhaft, sich ihr Entsetzen nicht anmerken zu lassen.
Loki zuckte nur die Schultern. «Schätze, ich werde es bald... rausfinden.» Als sie zögerte, fügte er hinzu: «Gehen sie schlafen. Ich komme schon klar.» Davon war er zwar alles andere als überzeugt, aber da sie eh nichts für ihn tun konnte und ihren Schlaf dringend brauchte, war es das Vernünftigste, wenn sie sich jetzt hinlegte. Nach einem letzten 'sind sie sicher' und seinem bekräftigenden Nicken daraufhin verschwand sie schliesslich.
Kaum dass sie weg war, wurde Loki von Schmerzen überrollt. Er hatte es bis gerade eben knapp geschafft, sich nicht allzu viel anmerken zu lassen, doch jetzt war er froh, alleine zu sein. So bekam Melinda nicht mit, dass er ins Kissen biss, um nicht laut aufzuschreien.
Es wurde die schlimmste Nacht seines Lebens. Erst als bereits der Morgen anbrach, driftete er wenigstens zwischendurch kurz weg, wurde aber immer wieder von den grässlichen Qualen aufgeschreckt. Als Melinda nach nur vier Stunden unruhigem Schlaf ebenfalls wieder hochschreckte und nach ihm sah, fand sie ihn stöhnend und sich hin- und her wälzend im Bett vor. Als sie ihn ansprach, schien er sie gar nicht wahrzunehmen.
Sofort löste sie die Handschellen, um ihm wenigstens jede mögliche Bewegungsfreiheit zu lassen. Mehrmals versuchte sie, seine Aufmerksamkeit zu erlangen, aber er starrte sie nur aus schmerz geweiteten, glasigen Augen an. Was sollte sie bloss tun? Sie fühlte sich so hilflos wie nie zuvor in ihrem Leben. Sollte sie Juan anrufen und bitten, herzukommen? Aber was konnte der Arzt schon tun? Loki hatte gesagt, dass kein Schmerzmittel helfen würde, und ohne dass sie das überprüfen musste, war sich Melinda sicher, dass es stimmte.
Fieberhaft ging sie in Gedanken sämtliche Möglichkeiten durch, nur um sie alle gleich wieder zu verwerfen. Jemand aus Asgard hätte vielleicht gewusst, was zu tun war, aber ausser Thor fiel ihr da niemand ein, und der war nicht nur unendlich weit entfernt, sondern wohl mit Sicherheit auch der letzte, der helfen würde. Schliesslich trug er ja die Schuld an Lokis Zustand.
Immer wieder versuchte sie, den sich windenden und stöhnenden Mann zu beruhigen, aber es gelang ihr nicht. Ihr Herz zog sich zusammen, und erst sehr viel später würde ihr bewusst werden, dass sie von dem Moment an, wo sie ihn so erlebte, vergessen hatte, wer er war und was er alles verbrochen hatte. Jetzt sah sie nur noch einen leidenden Mann in ihm – und sie wäre nicht Melinda Crave gewesen, wenn so etwas sie kalt gelassen hätte.
Auf einmal – später würde sie diesen Gedanken als göttliche Eingebung bezeichnen – fiel ihr Bruce Banner ein. Zuerst schob sie die Idee gleich wieder beiseite, denn wie (und vor allem: warum?) sollte er helfen können... Doch all ihre Überlegungen kamen plötzlich immer wieder zu diesem Punkt zurück, und schliesslich beschloss Melinda, ihn anzurufen. Vielleicht hatte er ja irgendeine Idee – und ausserdem war Loki dann nicht mehr nur ihr Problem. Denn obwohl sie es vermutlich nicht einmal sich selbst eingestanden hätte, hatte sie absolut keinen Plan, wie es weitergehen sollte.
Ein letztes Mal versuchte sie, zu Loki vorzudringen. Doch als sie sanft seine gesunde Hand nahm und ihn ansprach, sah er sie an, als hätte er sie nie zuvor gesehen – ehe er sich zusammenkrümmte und einen leisen Schrei ausstiess. Das war genug, um Melinda zum Handeln zu bewegen. Ganz gleich, ob Bruce Banner helfen konnte – oder wollte – Melinda brauchte in dieser Situation jetzt dringend Unterstützung.
Mit zitternden Händen wählte sie seine Nummer.
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Loki: The Dark Prince - Der dunkle Prinz
ChickLitEr ist die grösste Bedrohung, der die Menschheit bisher ins Auge blicken musste. Der schlimmste Feind, den es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt. Doch Agentin Melinda Crave kann nicht verhindern, dass sie von Anfang an dem Bann des geheimnisvolle...