Gerade als Loki die Agenten rufen wollte, geschah es: vor ihm erschien auf einmal ein Kreis aus glühenden Flammen, aus deren Mitte sich vier Schemen lösten. Der Magier erstarrte, und als er die Gestalten deutlicher sah, die auf ihn zukamen, wurde er blass. «Das kann doch... nicht sein.» stammelte er und hätte sich beinahe die Augen gerieben.
Sie waren zu viert. Drei junge Männer und ein Mädchen. Die Gesichter weiss und ausdruckslos, doch in den Augen schimmerte blanker Hass. Loki kannte diesen Hass - ihren Hass. Genauso, wie er die vier nur zu gut kannte. Denn er hatte sie schon oft genug gesehen...
In seinen Alpträumen!
Aber das konnte nicht sein. Alle vier waren tot, das wusste er. Er hatte sie in seinen Träumen sterben sehen. Sie waren unter seinen Opfern beim Anschlag auf New York gewesen. Zwei der Männer hatten das Pech gehabt, den Weg eines Chitauri zu kreuzen, und waren durch deren Strahlenpistolen getötet worden. Das Mädchen war unter der Last eines in sich zusammenstürzenden Gebäudes begraben worden. Und der letzte junge Mann...
Loki schwindelte, als er daran dachte. Der letzte junge Mann hatte versucht, drei Kinder zu beschützen. Er hatte sie in einen der wenigen Busse geschoben, die noch fahrtüchtig gewesen waren, und selbst natürlich auch noch hineinspringen wollen. Doch in dem Moment, als er den Wagen hatte betreten wollen, hatte ein Strahl aus einer Kanone vom grossen Hauptschiff der Chitauri sein halbes rechtes Bein weg geschossen. Brüllend vor Schmerz war der Junge auf die Strasse zurückgefallen - nur um wenige Sekunden später von einem in blinder Panik flüchtenden Autofahrer überrollt zu werden. Er war nicht sofort tot gewesen... erst rund fünfzehn qualvolle Minuten später hatte ihn der Tod erlöst.
Loki wurde es heiss und kalt zugleich. Er hatte das Schicksal dieser vier jungen Leute mehr als einmal durchlebt - genauso wie das Schicksal von seinen unzähligen weiteren Opfern, die sein Angriff auf New York hinterlassen hatte. Zu gerne hätte er sich eingeredet, dass sie genau das und nichts anderes waren... Träume!
Aber er hatte leider nur zu gut gewusst, dass dem nicht so war. Dass es die realen Schicksale von realen Menschen aus Midgard waren, die ihn heimsuchten.
Genauso wie das Schicksal der vier, die er jetzt vor sich sah. Die, genauso wie die meisten der übrigen, von denen er geträumt hatte, tot waren. Trotzdem standen sie ihm jetzt gegenüber... oder, genauer gesagt: ihre Geister. Denn obwohl sie inzwischen eine solch feste Form angenommen hatten, dass man erkennen konnte, wer sie gewesen waren, waren sie eindeutig keine noch atmenden Wesen.
In Lokis Kopf schwirrte es, und er versuchte, die aufkommende Panik nieder zu drücken. Die Versuche der beiden Wissenschaftler im Gebiet der Entmaterialisation musste die Barriere zwischen der Welt der Toten und jener der Lebenden durchlässig gemacht haben.
Die Geister der Toten begannen jetzt langsam, Loki einzukreisen. Und dann, ehe er richtig wusste, wie ihm geschah, rissen sie ihn mit sich fort. Er wollte sich dagegen stemmen, aber auch seine gesamte Magie kam nicht gegen die Kraft der Geister an. Sie entführten ihn mühelos durch ein Portal an einen ihm unbekannten Ort, und dabei ging eine Welle von Emotionen von ihnen aus und hüllte den Magier ein. Und Hass war nur eines der Gefühle, die ihm entgegen schlugen. Da waren auch noch Zorn, Abscheu, Vergeltungswillen... Die Empfindungen waren so stark, dass sie wie Hiebe auf Loki einschlugen und ihn schwanken liessen.
Er war wie gelähmt. Er hatte in seinem ganzen langen Leben schon gegen unzählige Gegner, aber noch nie gegen Tote gekämpft. Wie sollte er sich gegen sie wehren? Doch die Tatsache, dass er keine wirkliche Ahnung hatte, ob seine Magie hier überhaupt etwas ausrichten würde, war noch nicht einmal das Schlimmste daran...
Das Schlimmste war, dass er genau wusste, dass er sich nicht zur Wehr setzen wollte.
Die vier waren in seinen Augen noch halbe Kinder – nach midgardischen Masstäben gerechnet höchstens zwischen dreizehn bis sechzehn Jahre alt. Und er war derjenige, der sie letztlich auf dem Gewissen hatte.
Er taumelte und versuchte beinahe unbewusst, vor ihnen zurückzuweichen. Doch er kam nicht weit. Hinter ihm ragte eine Wand auf – und Loki sass in der Falle. Seine Finger fuhren nach hinten und befühlten den kalten Stein. Es war eine Stollenwand. Das bedeutete, dass sie ihn nicht an einen anderen Ort gebracht hatten, sondern nur in eine andere Dimension.
Loki versuchte, seine Gedanken zu ordnen, doch es gelang ihm kaum. 'Warum diese vier?' fragte er sich, als die Geister immer näher kamen. 'Ich habe Unzählige getötet... Warum sind nur sie hier?'
Nicht, dass er sich darüber beschwert hätte, dass nicht noch mehr von seinen Opfern durch das Portal gekommen waren. Aber seltsam war es dennoch.
Seltsam und erschreckend!
Vor Lokis Augen begann plötzlich alles zu flimmern, und er nahm die vier Halbwüchsigen nur noch undeutlich wahr. Auch sein magischer Sinn schien ihn im Stich zu lassen: so sehr er es auch versuchte, er konnte nicht im Mindesten spüren, was die Geister beabsichtigten oder welche Gefahr sie für ihn darstellten.
Abgesehen davon natürlich, dass ihre blosse Anwesenheit die reinste Folter war...
Sie sprachen nicht. Keiner von ihnen. Und doch sagten sie eine ganze Menge. Es dauerte jedoch einen Moment, bis Loki sie hören konnte – dann jedoch so laut und deutlich, dass er erschrocken aufkeuchte. Er vernahm die Stimmen der vier zwar nur in seinem Kopf, aber das war mehr als ausreichend...
Dabei war nicht er es, der in ihr Bewusstsein eindrang. Nein: sie drangen in seines ein und überhäuften ihn mit ihren Worten. Mit ihren Anklagen, um genau zu sein. Und selbst wenn er es noch nicht gewusst hätte, hätte er spätestens jetzt erfahren, was er ihnen angetan hatte. Denn sie erzählten es ihm in allen Details.
Doch sie klagten ihn nicht nur an – sie verkündeten ihm auch sein Urteil.
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Loki: The Dark Prince - Der dunkle Prinz
ChickLitEr ist die grösste Bedrohung, der die Menschheit bisher ins Auge blicken musste. Der schlimmste Feind, den es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt. Doch Agentin Melinda Crave kann nicht verhindern, dass sie von Anfang an dem Bann des geheimnisvolle...