Nervige Zwillinge

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Nur dank seiner Magie hatte Loki überhaupt irgend etwas gesehen, wenn auch nicht viel mehr als eine Art Schemen. Trotzdem: mit 'normalen' Augen wäre das Wesen – ein Mann, wie Loki vermutete – in keiner Weise sichtbar gewesen. Denn dafür bewegte es sich viel zu schnell.

Ein Inhuman? Loki konzentrierte sich kurz und verneinte die Frage. Nein, das hier war, genau wie die rotblonde Frau, ein Mensch, der von Hydra modifiziert worden war. Mit Hilfe des Gedankensteins in seinem Zepter, wie er sicher nicht zu Unrecht vermutete. Na wunderbar: wieder ein paar Leute, die mit Dingen gespielt hatten, von denen sie keine Ahnung besassen!

Der Wirbelwind war ganz schön nervig, mehr noch, als es seine Schwester gewesen war. Vor allem, weil er sich das Zepter hatte schnappen können. Aber so schnell gab Loki nicht auf: ein rasches Heben beider Hände, und sowohl Türen als auch Wände waren magisch geblockt. Da kam keiner mehr raus – es sei denn, es handelte sich um einen Magier seiner Klasse.

Was eindeutig nicht der Fall war, wie ein lauter Knall, gefolgt von einem noch lauteren Fluchen, verriet. Der junge Mann, denn als solcher war er jetzt, da sein Rasen gebremst worden war, zu erkennen, war mit voller Wucht gegen die eigentlich offene Tür gerannt. Die magische, für ihn nicht sichtbare Sperre, hatte ihm einen kompletten Dämpfer versetzt. Während er aufstöhnend zu Boden sank, war Loki mit wenigen Schritten bei ihm und nahm das Zepter an sich.

«Das war nicht schlecht,» sagte er und meinte es sogar ehrlich. «Du bist ganz schön schnell. Ich nehme an, ihr zwei gehört zusammen?» Er drehte sich zu der jungen Frau um, die genauso überrascht war wie der immer noch fluchende Mann am Boden. Offensichtlich war Loki der erste, der es je geschafft hatte, den Wirbelwind zu bremsen.

«Mein Bruder Pietro,» entfuhr es der Rotblonden, doch sie biss sich gleich auf die Lippen. Das hatte sie eigentlich nicht preisgeben wollen. Loki grinste. Er hatte die Frage eher aus Gewohnheit als aus Notwendigkeit gestellt, denn ein kurzer Blick ins Bewusstsein des Mannes hatte ihm das Wichtigste bereits verraten: Wanda und Pietro Maximoff, Zwillinge aus Sokovia, deren Eltern bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen waren und die daraufhin bei Hydras zwielichtigen Wissenschaftlern als 'Versuchskaninchen' gelandet waren. Loki wusste jetzt auch, woher der Hass auf Tony Stark rührte. Es war eine Bombe von Stark Industries gewesen, welche die Eltern der beiden getötet und sie selbst nur knapp verschont hatte.

So sehr Lokis Interesse an den beiden jetzt auch wider Willen geweckt worden war: er durfte sich nicht ablenken lassen. Die anderen warteten schon auf ihn, und er hatte hier bereits mehr Zeit verloren als geplant.

Er ahnte, dass Pietro gleich wieder auf ihn losstürmen würde, bevor er es wahrnehmen konnte, und auch Wandas erneuten Angriff erkannte er um Milisekunden bevor er erfolgte. Doch diesmal war Loki schneller als die beiden, auch schneller als dieser Wirbelwind von einem Mann. Bevor die beiden noch wussten, was genau vor ihren Augen ablief, hatte sich Loki mitsamt dem Zepter bereits wegteleportiert.

Als er bei den anderen eintraf, wusste er sofort, dass er keine Sekunde zu früh gekommen war. Ultron hatte sich wiederum in mehreren Robotern von Stark sowie genau wie Loki vermutet hatte einigen Chitauri-Androiden eingenistet und realisierte langsam, dass dieser angebliche Mittelsmann mit dem scheinbar echten Zepter nicht existierte. Thor und seine Freunde hatten daher alle Hände voll zu tun, sich der wütenden Maschinen zu erwehren.

Naja, wenn alles nach Plan lief, würde der Spuk gleich vorbei sein. Allerdings hatte Loki das dumpfe Gefühl, dass mit der Vernichtung Ultrons die eigentlichen Probleme noch lange nicht beseitigt waren. Dass es im Gegenteil danach erst richtig losgehen würde.

Mit was auch immer...

Nur was Ultron anbelangte, so ging Lokis Plan voll und ganz auf. Er extrahierte den Infinity-Stein aus dem Zepter, sodass er freilag und seine gesamte Kraft voll entfalten konnte. Für ihn als Ase, Jotunne und vor allem Magier war es kein Problem, den Stein in der blossen Hand zu halten. Er liess ihn zwischen seinen Finger schweben und lenkte dann Ultrons Aufmerksamkeit auf sich. «Hallo Blechkiste. Wie geht's denn immer so?»

Ultron wandte sich ihm augenblicklich zu, und genauso taten es auch alle seine Roboter. «Du schon wieder. Du willst wohl nicht aufgeben, oder?»

«Tja weisst du, wenn du meinen Bruder fragen würdest, könnte der dir sicher bestätigen, dass ich echt lästig sein kann.» Loki hob die Hand und positionierte den Stein. «Allerdings gilt das meiner Meinung nach auch für dich.»

«Du nimmst den Mund immer ziemlich voll, menschliche Kröte!» Ultron begann, heranzuschweben. «Es wird Zeit, dir zu beweisen, wer hier der Stärkere ist.»

«Also, das Wörtchen 'Kröte' nehme ich dir ja nicht übel. Aber menschlich? Entschuldige, das ist doch ein bischen zuviel des Guten. » Jetzt war auch Thor heran. Und ehe Ultron sich's versah, schoss ein blitzförmiger Lichtkreis aus Lokis Hand sowie aus Thors Hammer durch den Gedankenstein hindurch, vereinte sich mit dessen Energie und traf mit grosser Wucht nicht nur Ultron, sondern auch alle seine Maschinen. Magie, Blitz und Infinity-Stein wurden zu einer einzigen gewaltigen Kraftwelle, die in einem Augenblick Ultrons gesamte Existenz auslöschte.

Die Explosion schleuderte Loki allerdings mehrere hundert Meter zurück und liess ihn gegen einen der umliegenden Felsen knallen. Aber er schaffte dennoch ein Grinsen, als er sich wieder aufrappelte. «Das war's dann wohl mit ihrer genialen Erfindung, Stark,» konnte er sich nicht verkneifen, zu spotten, als die Avengers herbeistürmten, um nach ihm zu sehen. «Aber das Gute daran: die Menschheit existiert immer noch. Und ich denke, sie wird sogar auch ohne ihren Ultron weiter bestehen.»

Iron Man war genauso wie alle anderen viel zu erleichtert, um Loki den Spott krumm zu nehmen. «Danke,» sagte er nur erschöpft. «Das war knapp. Allerdings könnte ich fragen, wo sie so lange gesteckt haben.»

Loki wurde schlagartig wieder ernst. «Es gab da ein paar Komplikationen...» Er klopfte sich den Staub von seiner Rüstung. «Sieht so aus, als hätte Hydra mit dem Gedankenstein zumindest an zwei menschlichen Versuchskaninchen erfolgreich herumgespielt.» Er informierte sie über Wanda und Pietro Maximoff – und auch darüber, dass und aus welchem Grund sie Tony Stark hassten. «Ich fürchte, von denen haben wir nicht zum letzten Mal gehört.»

«Schon möglich. Aber für heute reicht's!» erklang da eine weibliche Stimme. Melinda, die genauso wie Maria Hill von den Avengers gezwungen worden war, in sicherer Entfernung zu warten, rannte herbei und fiel Loki erleichtert um den Hals. Die Blicke der anderen kümmerte sie nicht im Mindesten. «Wie hast du das letzte Mal zu mir gesagt?» schnauzte sie den Mann zwischen zwei Küssen an, «Tu das nie wieder? Ha, du hast es ja grade nötig!»

Loki grinste. «Ich kann mich aber auch noch an deine Antwort erinnern. Du ebenfalls?»

Halt die Klappe und küss mich – was sie denn auch tat. Zumindest so lange, bis Stark seinen typischen Humor wieder gefunden hatte und sagte: «Stillhalten, Leute: das wird ein super Bild für Instagramm.»

Wenn Blicke töten könnten, wäre er nach diesen Worten leblos zu Boden gesunken.

Loki: The Dark Prince - Der dunkle PrinzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt