Kapitel 20 - Jennifer Backet

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[„Du hast keine Ahnung, womit du es zu tun hast."]

Er ließ mich los und wandte sich von mir ab. Ein letztes Mal blickte er zu Amber's Fenster.

„Und du hältst dich aus meinen Angelegenheiten raus, sonst garantiere ich für nichts."

Dann rannte er hinter das Haus.

„Daniele!"

Ich rannte ihm hinterher, aber er war schneller. Ich sah ihn auf den Wald zurennen und dann verschwand er. An dem Zaun unseres Gartens blieb ich stehen, hielt mich an den Zacken fest und sah ihm hinterher. Graue, dunkle Wolken zogen auf auf und einige Minuten später regnete es in Strömen.


Ich lief ins Haus und klopfte an Amber's Tür, aber sie machte nicht auf. Ich nahm die Einkaufstaschen mit hoch und räumte mein Kühlschrank ein. Meine Gedanken ließen mich den Rest des Abends nicht in Ruhe.

Wieso nannte sie ihn Antonio? Was hatte er mit Amber zu tun? Und warum um alles in der Welt hat er so geschrien, ich meine was hat sie ihm angetan?

Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Daniele belastende Geheimnisse mit sich trug. Nachdem ich aufgeräumt hatte, zog ich mir was trockenes an und warf mich ins Bett.

Ich mailte Mister Wickinson die abgemachten Fotos zu und googelte nach dem Namen Antonio.

Nichts.

Mir fehlte der Nachname, deswegen begann ich mit Suchanfragen, wie Antonio, Tennessee, oder Antonio, Felltrix University of Arts and Materials. Aber ich bekam stets die Antwort: Es wurde mit deiner Suchanfrage keine Dokumente gefunden. Mein Handy piepte und ein Banner erschien. Es war eine Nachricht von Niclas:

Hi Val. Lust, morgen Abend etwas essen zu gehen?

Ich schrieb, dass ich dabei bin und dann hatte ich eine Erleuchtung. Ich klickte auf das Instagram-Profil von Toni Caruso und alles ergab einen Sinn.

Val, du Idiotin. Toni ist die Abkürzung für Antonio. Sein Name ist Antonio Caruso.

Daraufhin öffnete ich den Suchserver und gab seinen Namen ein. Es tauchten einige Webseiten auf, die meisten beinhalteten aber eine anderen Antonio, als den, den ich meinte. Einer, der pummelig war, blonde Strähnen in seinem braunen Haaren hatte und in seinem Jahrgang Schulsprecher von irgendeiner unbekannten Schule war. Ich wollte mit der Suche schon aufgeben, aber bei der achten Webseite entdeckte ich etwas Düsteres. Es war eine Online-Zeitschrift aus dem Jahre zweitausendundzwölf.


George Washington and Jefferson National Forest, Virginia, West Virginia und Kentucky. Seit dem 17. 02.2012 ca. 11:00 Uhr wird die elfjährige Jennifer Backet vermisst. Sie trägt ein lila Langärmel-Shirt mit blauen Jeans, ist etwa 1,50 Meter groß und hat auffällig blondes und kurzes Haar. Jennifer lief in den Wald, seit jeher fehlt jede Spur des Mädchens. Zur selben Zeit ihres Verschwindens fand die Polizei in unmittelbarer Nähe den siebzehnjährigen Jogger Antonio D. M.Caruso. Er befindet sich momentan in U-Haft, ein Gerichtsverfahren wird eingeleitet. Es wird nach Zeugen gesucht. Bei Hinweisen melden Sie sich bitte bei der Polizei unter der Rufnummer 911.


Verblüfft schob ich den Laptop zur Seite. Daniele hat definitiv belastende Geheimnisse, so viel ist sicher. Ob er sie missbraucht hat? Oder sie gar ermordet hat?

Mein Herz tobte und ich hatte ein flaues Gefühl. Ich googelte nach Ergebnissen zu dem Backet Fall, aber es gab keine weiteren Informationen. Bisher war Dan etwas Unerreichbares und Besonderes für mich, aber was war, wenn er ein gefühlloser und eiskalter Killer war? Außerdem stand in der Zeitschrift Antonio D. M. Caruso.

Das D steht für Daniele, das stand außer Frage. Aber wofür stand der Buchstabe M? Hat Daniele wirklich drei Namen?

Nicht, dass es ein Faktor war für einen kriminellen Flüchtling, aber es tauchten immer mehr Informationen auf, was ihn nicht nur interessant machte, sondern auch ungeheuer geheimnisvoll. Ich war schon fast süchtig nach ihm.

2012 war er siebzehn, das heißt heute ist er vierundzwanzig. Daniele sieht aus wie mindestens dreißig.

Ein Pop Up tauchte auf und deutete auf eine Mail hin. Es war die Antwort von Mister Wickinson auf die Schnappschüsse:


Hallo Miss Gavenar,

vielen Dank für die Bilder. Sie sind fantastisch und inspirierend. Und die Fotos auch! Kleiner Scherz am Rande. Ich wollte eigentlich warten, bis wir uns treffen, möchte ihnen die tollen Nachrichten aber doch jetzt schon mitteilen: Willkommen im Boot! Gute Arbeit!

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.

Grüße,

Jonas Wickinson


Ich freute mich. Die Aufnahmen waren ein voller Erfolg.

Was sollte dieser Scherz?

Dazwischen waren Smileys, eine Menge Smileys. Immerhin erwartete mich nach diesem chaotischen und unverstandenen Tag doch noch eine tolle Nachricht. Aber nicht lange und ich verfiel wieder in die selben Gedanken. Daran, wie Daniele mich ansah und es zerfraß mich. Seine gebrochenen bläulichen Augen mit dem verletzten Gesichtsausdruck.

Ich würde dich umarmen. Ich würde dich sogar küssen. Ich will bei dir sein. Ich will dir helfen.

Während ich mir ausmalte, was ich tun würde, um bei ihm zu sein, verfiel ich in einen langen Tiefschlaf.



Antonio Caruso ~abgeschlossen~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt