Kapitel 10 - Die Begleitung

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Der Innenraum seines Wagens war die Definition von Luxus. Der bekannte Dreizack war auf dem
Lenkrad zu sehen, die Sitze und die Armaturentafel waren ledrig. Die Applikationen, von denen deutlich viele zu sehen waren, waren von einem Radica-Holz ummantelt. Insgesamt gab die Innenausstattung einen eleganten und sanften Stil ab. Die ganze Fahrt über redeten wir kein Wort miteinander. Ab und an sah ich ihn heimlich an, merkte aber, dass er in Gedanken versetzt war. Zuhause angekommen, trug er mich die Treppen hoch. Erst lehnte ich dankend ab, aber er gab mir gar nicht die Chance dazu. Als würde er sich dadurch etwas beweisen müssen und jede weitere Minute mit mir wäre eine Qual für ihn.

„Du musst mir nicht-"

„Schon okay."

Da ist es wieder. Diese Abweisung. War ihm die Situation von vorhin zu viel geworden?

Oben an der Wohnungstür angekommen, rutschten seine Hände an meine Hüfte. Er setzte mich behutsam ab, lehnte mich an die Wand an und steckte ohne zu fragen seine Hände in meine Jackentasche.

Oh mein Gott.

War das unangebracht oder zuvorkommend? Er durchwühlte es, bis wir das Klimpern der Schlüssel hörten. Ich beobachtete ihn die ganze Zeit, unsere Blicke kreuzten sich und seine Augen funkelten, aber da war wieder diese Leere in ihnen. Er öffnete die Tür und ab da an übernahm ich.

„Danke, geht schon."

Ich hielt ihm stoppend die Handinnenfläche vor und humpelte hinein, bevor er wieder auf die Idee kam, mich zu tragen.

Verdammte Scheiße, die Lichterketten, Val.

Ich drehte mich schockiert um, um ihm noch aufhalten zu dürfen, aber er war bereits in der Tür drin. Er lief umher und betrachtete mein Zimmer.

Ich hätte nicht gedacht, dass er so interessiert ist.

An dem Bild an der Wand blieb er stehen. Er las die Überschrift und konzentrierte sich auf die Malerei.

„Was war passiert im Wald?"

Mein Herz raste, als ich mich daran erinnerte.

„Ich dachte jemanden gesehen zu haben. Oder etwas."

„Weißt du, was es war?"

Seine Frage klang direkt und unausweichlich.

Was soll ich ihm sagen? Wieso fragt er mich das überhaupt?

Ich entschied mich für die Wahrheit.

„Nein."

Er drehte sich um und ließ den Blick auf den Tannenbaum schweifen.

„Hör zu, diese Lichterketten -"

„Ich mag es."

Jesus. Was hören meine Ohren da?

Seine Stimme war ehrlich und distanziert. Er war nicht kalt oder herablassend wie im Supermarkt, aber auch nicht unbedingt herzerwärmend und offen wie vorhin.

Auf seine Frage hin holte er den erste Hilfe Kasten aus dem Badezimmer, während ich den Fuß positionierte für eine schmerzlindernde Creme und einen dünnen Verband. Diesmal genoss ich die Berührung seiner Hände nicht. Da war keine Spannung seinerseits, sondern Kälte. Er mied den Blickkontakt und gab sich bei dem Verband alle Mühe, mich möglichst nicht anzufassen.

Du merkst doch, dass ich dich ansehe. Warum ist es dir jetzt plötzlich so egal?

Ich stand auf um zu testen, ob der Verband nicht zu fest geschnürt war. Für einen Probelauf nahm ich den erste Hilfe Kasten direkt mit ins Bad und stellte ihn ins Regal. Ich schob ihn in im Waschbeckenunterschrank bis nach hinten, schaute auf und stand vor dem Spiegel. Meine Wangen und Lippen waren rot und meine Haare chaotisch. Mein Gesicht war durch zwei feine Kratzer gekennzeichnet. Den Umständen entsprechend sah ich gar nicht so übel aus. Aber vermutlich fasste ich es nur so auf, weil ich zu optimistisch war. Ich biss mir auf die Lippen und betrachtete mich dabei.

Das soll ihn irritiert haben?

Daniele hatte sich normal verhalten bis zu dem Moment, wo er mir auf die Lippen sah.

Von da an wurde er kalt, Val. Kalt wie der Schnee, den du zu bewundern scheinst.

Schnell bürstete ich mir mit den Händen die Haare glatt und humpelte zurück ins Zimmer.

Er war weg.

Antonio Caruso ~abgeschlossen~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt