Kapitel 23 - Ich Hasse Dich Nicht

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Wow. Wunderschön, sein Name. Warum er sich hier als Daniele ausgab?

Ich hatte das Gefühl, dass es etwas mit dem verschwundenen Mädchen zu tun hatte und aus diesem Grund ist er wahrscheinlich auch hierher gezogen. Er wollte ein neues Leben beginnen, vermutlich. Der Name Antonio gefiel mir am Besten, ich stand auf das Altmodische und Mystische. Es zog mich umso mehr an. Erst nach vielen Minuten öffnete sich die Badezimmertür und Niclas lief ins Wohnzimmer.

„Valerie! Ich habe Stimmen gehört", sein Blick verdüsterte sich, „hast du mit Daniele geredet?"

„Nein, eher mit seinem Cousin."

„Achso", er lächelte beschämt und kratzte sich an den Kopf, „Lorenzo ist ein echt cooler Typ. Er ist schon seit gestern Abend bei uns und bleibt noch bis morgen. Er war auf der Durchreise, fährt dann wieder Heim nach Italien."

Also sind sie doch Italiener.

Wir gingen gemeinsam essen und er setzte mich zuhause ab.



Am darauffolgenden Tag, Sonntag, faulenzte ich den halben Tag, schaute fern und telefonierte mit Jackie. Egal wie sehr ich mich ablenkte, meine Gedanken fielen immer wieder auf Antonio zurück. Aus dem Grund telefonierte ich auch immer häufiger mit meiner besten Freundin. Die einzige Erkenntnis, die ich von Lorenzo hatte, war, dass ich auf ihn zugehen sollte. Ihn aufbrechen sollte.

Leichter gesagt, als getan.

Fakt war, dass ich ihn nicht auf Jennifer ansprechen sollte. Das gab mir Bedenken, denn es fühlte sich nicht mehr an als würde er eine schwarze Vergangenheit haben, sondern, als würde er um sie trauern. Doch ein Familienmitglied war sie nicht, denn ihr Nachname war Backet.


Am frühen Nachmittag entschloss ich mich spontan dazu, den Forest zu besuchen. An meinem geliebten Platz fehlte jede Spur von Dasher, daher blieb ich nicht lange. Seitdem Dasher von dem Wolf angegriffen wurde, sah ich ihn nicht mehr. Das machte mich traurig, denn das bedeutete, dass der Hirsch sich ein anderes Plätzchen gesucht haben musste.

Bei diesem Wolf würde ich es auch tun.

Ohne Dasher hatte etwas gefehlt und es verging nicht lange Zeit, als ich begann zu frieren. Auf dem Weg zurück bekam ich eine Nachricht von Niclas.

Ich fand gestern schön.

Es war wirklich schön, aber ich befürchtete, dass er es anders meinte. Daher schrieb ich zurück:

War echt cool.

Im Übrigen hatten wir gestern Nummern ausgetauscht, da Niclas das Schreiben über Instagram „nervte".

Nur cool?

Ich schüttelte den Kopf und überlegte was ich schreiben könnte, aber löschte den Satz immer und immer wieder. Ich kam bald zuhause an und erwartete eine Überraschung an der Haustür.

„Hi."

Stopp, stopp, stopp. Seit wann begrüßt du mich?

Es war Antonio. Sein eleganter Körper trug eine schwarze Anorak Jacke und sie stand ihm. Schon wieder etwas Lockeres und es zog mich unglaublich an. Er hatte einen festen Halt und er verschränkte die Arme. Ich erwiderte seine Begrüßung nicht. Stattdessen hob ich die Augenbrauen an und zog die Lippen zum Mundwinkel zusammen, wartend, was er zu sagen hatte.

„Es tut mir leid."

„Was tut dir leid?"

Meine Frage kam aus der Pistole geschossen und seine Augen funkelten mich an.

„Falls ich dir das Gefühl gegeben habe, dich zu hassen."

„Das stimmt, das hast du", sagte ich kaltherzig. Dann änderte sich meine Stimmlage, sie wurde ruhiger und ich starrte meine Beine an, „Aber das tust du auch. Und du verspottest mich." Ich konnte ihn nicht mehr ansehen.

Ob Lorenzo ihm was gesagt hat? Das wäre mir unangenehm.

Er kam mir näher und hob sanft mit der Hand meinen Kinn an. Schon wieder merkte ich, wie seine Hand vor Hitze glühte. Ich ließ die Gedanken sacken und musste ihm unentwegt in seine göttlichen Augen schauen.

„Ich verspotte dich nicht. Glaubst du mir das?" Da war wieder diese ruhige, liebliche Stimme von ihm. Sie drang in mein Ohr ein und löste eine Welle der Gänsehaut in mir aus.

„Gib mir einen Grund."

„Ich würde dir alles erzählen, wenn ich könnte."

„Das reicht mir nicht." Ich war ihm ergeben. Ich nahm sein Parfüm wahr und ich schmolz dahin. Meine Haaren fielen mir ins Gesicht, was ihm auch auffiel. Vorsichtig strich er sie zur Seite und befestigte sie hinter meinem Ohr. Seine zärtlichen Finger an meinen Haaren wärmten mein Inneres und meine Knie wurden weich. Ich biss mir auf die Lippen und sah ihm unablässig auf seine.

„Bitte, hör auf damit." Er redete zwar mit mir, aber ich konnte ihm nichtfolgen.

„Valerie. Hör auf", flüstere er. Ich sah zu ihm auf. Auch er starrte mir auf die Lippen.

„Mit was soll ich aufhören?"

„Mit deinen Lippen...du sollst...", er vollendete seinen Satz nicht und ich spürte wie seine Lippen sich langsam meinen näherten.

Mein Herz rast, es rast wie verrückt.

Ich schloss die Augen, aber ich spürte die Berührung nicht. Ich wartete noch einen Moment, aber da kam nichts. Als ich sie wieder öffnete, war er an der selben Stelle stehen geblieben und beobachtete mich. Er hatte mich nicht geküsst.

Wieso küsst du mich nicht? Wieso tust du es nicht?

Traurig sah er mich an.

„Ich kann nicht."

Skeptisch zog er den Kopf zurück, fasste sich an den Haaren und brachte seine schwarzen Locken durcheinander.

Selbst in seiner Verzweiflung, ist seine Tonlage so beherrscht.

„Wieso nicht?", meine Stimme war kratzig und ich klang verzweifelt.

In mir drin zog sich alles zusammen. Ich spürte ein paar Regentropfen auf meinem Gesicht und entdeckte Wolken, die sich über uns aufzogen.

„Bitte, bitte sag es mir...", flehte ich.

„Ich hasse dich nicht. Und...das wollte ich dir sagen. Damit du es weißt." Er war dabei, sich schon wieder zu distanzieren.

„Ich will aber bei dir sein!", rief ich lauter und hörte, wie meine Stimme hallte.

„Ich...bin kein guter Umgang für dich, Valerie."

„Wieso nicht?!"

„Ich bin es nicht!"

Es war stechend. Finster. Auch seine Stimme nahm an Lautstärke zu. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und er knirschte mit den Zähnen.

„Hast du das auch Jennifer Backet gesagt?!"

Scheiße, Val. Scheiße. Was sagst du nur?


Antonio Caruso ~abgeschlossen~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt