Kapitel 2 - Blinder Im Supermarkt

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Der Supermarkt war riesig und hatte alles, was das Herz begehrte. Tausende Regale erstreckten sich über eine große Fläche und ich war sichtlich überfordert.

Hier würde ich Menschen verlieren.

Ich nahm mir hauptsächlich Joghurts, eine Packung Müsli, reichlich Nudeln und fand noch in einer Ecke eine Dose Erbsen. Doch ich sah einfach kein Brot. Ich schlenderte widerwillig umher, gab schneller auf als gedacht und hielt Ausschau nach einem dunkelblau bekleidetem Menschen, denn so waren die Mitarbeiter hier gekleidet. Zu meinem Glück fand ich im nächsten Gang jemanden und lief auf ihn zu.

„Entschuldigung, können Sie mir sagen, wo ich Brot finde?"

Er reagierte nicht, ich stand nun dicht hinter ihm.

„Sorry, sind Sie da?"

Dieser jemand war schlank und muskulös. Nicht zu sehr und an den richtigen Stellen. Sein Oberteil spannte an seinem Oberrücken und auch leicht an seinen Schultern. Er stützte sich mit dem rechten Arm ab. 

Am Einkaufswagen. 

Der ihm gehörte.

Shit.

Ich schnappte panisch nach Luft. Für jegliche Fluchtüberlegungen war es zu spät, denn er drehte sich zu mir.

Oh. Mein. Gott. Peinlich. Val, dreh dich um und renn weg. Renne einfach weg. Schau ihm auf gar keinen Fall in die Augen.

„Meinst du mich?"

Seine Stimme war tief und deutlich, er redete langsam und sehr bedacht. Ich sah ihn unentwegt an. Und ich war fassungslos, gefangen in seinem Bann. Wie gerne hätte ich weggeschaut, aber es ging nicht. Dieser Mann war die Definition von unmenschlicher Schönheit.

Diese Augen.

Seine Augen, mit diesem eindringlichen und stechend scharfen Blick, hatten große Pupillen, umrandet von einer intensiv blauen Iris.

Die Augen sind so unnatürlich hell, ist er blind?

Seine Wimpern waren auffällig lang und machten seine Augen zum absoluten Hauptmerkmal seines Gesichtes. Die dichten ungemachten Augenbrauen ließen die Perfektion seiner Augenpartie nur noch mehr abheben. Selbst seine Haut war makellos, geprägt von einem gebräunten Teint.

Makellos. Das ist wahrlich das einzig richtige Wort.

Er sah mich an, als wäre ich verrückt, aber es ließ mich nicht davon abbringen, ihn nicht genaustens zu beobachten. Auch er betrachtete mich, er fixierte mich förmlich mit seinen Augen. Für einen kurzen Moment dachte ich, dass seine blauen, fast weißen, Augen aufblitzten.

Er ist nicht blind. Er nimmt mich genau wahr. Das ist seine echte Augenfarbe.

Während er körperlich Kraft und Männlichkeit ausstrahlte, waren seine Gesichtszüge eher rau und markant. Seine Wangenknochen schauten heraus und definierten eine Zierlichkeit, die ich zuvor bei keinem Mann gesehen hatte. Er war fein, wie eine Skulptur aus den alten Zeiten. Selbst sein kurzer Bart konnte sein Gesicht nicht abrunden, seine Wangenknochen ragten einfach zu sehr heraus. Die Haare waren gänzlich schwarz und streng zum Hinterkopf gegelt. Er spitzte seine schmalen Lippen an und zog die Stirn in Falten. Dann warf er mir einen spöttischen Blick zu. Ich versank in seinen Augen, die meine wie ein großes Loch verschluckten und es war mir nicht möglich, ihn zu deuten. Sein Blick nahm ich ein und das einzige was ich konnte, war, ihn intensiv zu erwidern.

Ist er besorgt? Ist er verwirrt? Oder gar genervt?

Er war einfach nicht zu deuten.

„Alles okay?"

Wenn du jetzt nicht redest, denkt er du bist verrückt. Oder dreht sich um und geht. Wobei letzteres mir lieber ist.

Ich spürte wie meine Hände feucht wurden und begann zu schwitzen.

„Oh... mein Gott", presste ich mit meinen Lippen hervor.

Geschockt hielt ich die Luft an.

Verdammt, Val. 'Oh mein Gott'? Dein Ernst?

Ich lief rot an und mein Mund stand offen. Jetzt war auch er verwirrt, zog seine Augenbrauen hoch und missbilligte mich.

„Wie bitte?"

Er sieht dich verachtend an Val. Es ist jetzt definitiv ein verachtender Blick.

„Ich meine...a-also damit war gemeint...", ich hob die Dose mit den Erbsen entschuldigend in die Luft, „ich war auf der Suche nach Brot und n-naja", und bemühte mich darum, ein unschuldiges Lächeln aufzubringen, „ich dachte, du wärst einer der Mitarbeiter."

Der letzte Teil meines Satzes klang eher nach einer Frage. Und als wäre es nicht peinlich genug, rutschte das Ende meines Schals von meiner Schulter ab und ich fühlte mich körperlich entblößt. Ich hatte einen Pulli mit Ausschnitt an, der meine Brüste und ein wenig meinem schwarzen BH aus Spitzen zeigte. Aber er sah nicht einmal dahin. Stattdessen behielt er den Augenkontakt bei, verschlang mich mitsamt meinem Mut, und wartete auf eine bessere Erklärung. Und so sprudelten weitere unnütze Worte aus mir heraus.

„Die sind so angezogen. So dunkelblau wie du...Und von weiter weg sieht man nicht, dass du -"

Mein Unfug wurde durch einen scharfen Unterton, gefolgt von einem kaltgelassenen und leeren Blick, unterbrochen.

„Der Gang hinter dir."

Antonio Caruso ~abgeschlossen~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt