FIGHT FOR YOU - Gefährliches Verlangen

66| Stark sein

Estrela

Eine Ewigkeit beschreibt das Warten auf mehr über Kians Zustand zu wissen, ganz gut.
Ich weiß nur darüber Bescheid, dass Kian wegen einer Schussverletzung Not operiert werden muss und gerade um sein Leben kämpft. Keiner der Krankenschwester oder die am Info-Bereich können uns mehr über seinen Zustand berichten. Aber Kian ist schon seit Stunden im OP-Saal und dies ist unglaublich angsteinflößend. Ich meine, er hat eine Kugel im Bauch. Nur der Gedanke daran, zerfrisst mich regelrecht. Dass er es überhaupt noch ins Krankenhaus geschafft hat, zeigt, wie stark Kian wieder einmal ist – dass er nicht aufgibt und hoffentlich bei der OP genauso weiter kämpft. Er muss überleben. Er muss einfach!

Eine Hand, die sich auf meinen Rücken legt, reißt mich aus den düsteren Gedanken. Julien, der mir im Dark Palace bis jetzt nicht von der Seite gewichen ist, sieht mich einfühlsam an. Er bringt ein schmales Lächeln zustände. Julien ist nicht nur ein liebevoller Mensch, er hat auch irgendwie etwas sehr Beruhigendes an sich. "Ich war auch einmal in dieser Situation ... ", beginnt er. Er wendet den Blick ab, als würde er in Erinnerungen schwelgen. "Ein Kollege von mir, der mir sehr wichtig war, wurde bei einem Einsatz angeschossen. Es stand wirklich schlecht um ihn. Es war der schlimmste Moment, in meinem ganzen Leben. Er war – und wenn ich es mir selber eingestehe, immer noch sehr wichtig ... Er ist ein Kämpfer. Das hat ihn damals gerettet. Es mag albern klingen, aber ich wusste, dass er nicht aufgeben wollte. Er hat gegen den Schmerz gekämpft." In seinen Augen glitzern Tränen. "Ich habe ihn sehr geliebt. Und ich bereue es bis heute, dass ich ihm dies nie gestanden habe." Er lächelt mich traurig an.

"Habt ihr noch Kontakt?", frage ich leise.

"Nein. Nach dem Unfall hat er sofort gekündigt. Wir waren danach noch eine Zeitlang Freunde. Bis er mir gestanden hat, dass er heiraten wird. Ich konnte das nicht mehr. Wie er eine andere liebt, eine Zukunft mit jemandem aufbaut. Das war damals sehr schmerzhaft für mich gewesen, weshalb ich auch den Kontakt abgebrochen habe ... "

"Wusste er, dass du Gefühle für ihn hegtest?" Julien lacht leise auf und sieht auf seine Hände hinab, die er nervös knetet.

"Wir hatten in der Ausbildungszeit etwas miteinander. Es ergab sich irgendwie. Wir hatten 'ne Zeit lang Spaß. Doch ich wusste von Anfang an, dass er bloß ein Mann von kurzer Dauer sein wird."

"Das tut mir leid, Julien." Ich lege meine Hand auf seine und drücke sie. Er lächelt mich sanft an.

"Danke. Aber ich bin darüber hinweg. Das wichtigste ist doch nur, dass er jetzt glücklich ist. Er hat sicher schon Kinder." Trotz seiner Worte, merke ich ihm an, dass ihn das immer noch etwas mitnimmt.
„Kian ist ein Kämpfer. Du liebst ihn über alles und das weiß er. Wenn er überlebt, dann nur deinetwegen, Süße."

"Ja, ich liebe ihn wirklich sehr. Ich hätte nie gedacht, dass ich einen Menschen so sehr lieben kann und das, obwohl Kian und ich so unterschiedlich sind. Aber er ist der Grund, warum ich mich nach meiner vorherigen Beziehung, wieder so stark und sicher fühle. Doch jetzt muss er stark sein ... u-und ich weiß nicht ... " Ich schluchzte auf. Diese schreckliche Angst, Kian vielleicht verlieren zu können, überrollt mich.

"Schsch... Süße!" Julien nimmt mich schnell in die Arme. "Nicht nur Kian muss jetzt stark sein, auch du, Estrela!" Ich nicke langsam und wische mir dann die Tränen weg. Julien hat recht. Ich muss ebenfalls stark sein!

"Kian ist ein harter Kern. Da braucht es etwas mehr, als eine Kugel im Bauch, um diesen Kerl nieder zu machen", ertönt Gabriels Stimme vor uns. Mit den Händen in den Hosentaschen vergraben, sieht er mit schief gelegtem Kopf auf Julien und mich herab.
Während ich mit Julien geredet habe, hat Gabriel versucht mehr Informationen über Kians Zustand herauszufinden.
Gabriel deutet meinen fragenden Blick richtig und erklärt: "Er hat eine Menge Blut bis ins Krankenhaus verloren, was ihn sehr schwach gemacht hat. Sie haben die Kugel raus. Sie sagen, das Schlimmste hat er hinter sich. Er hat verdammt großes Glück, das kein Organ groß zu Schaden gekommen ist." Ich atme zittrig aus und Julien drückt meine Hand.