𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟚𝟙

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                                                𝕏𝕖𝕟𝕚𝕒𝕤 .𝕆.𝕍.
Lesenacht [1/6]

Nachdem ich mit Gideon eine Liste mit den Sachen, die ich brauchte erstellt hatte, machten wir uns auf den Weg. Gideon wollte erst Lebensmittel einkaufen, weil im Kühlschrank gähnende Leere war.

»Hast du überhaupt Geld?«, fragte ich ihn. Gideon zog die Augenbraue hoch, grinste und zeigte mir sein Portemonnaie. Was ich darin sah, ließ mir die Kinnlade runterfallen. Er schloss es wieder und steckte es weg. »Antwort genug?«, fragte Gideon und ich nickte verblüfft.

                                      ~~~

Gideon und ich hatten die Einkäufe bei Jace abgeladen und waren jetzt mit dem Seesack unterwegs zu meiner Pflegefamilie. »Weißt du überhaupt, wo du hinmusst?«, rief ich Gideon zu, der ein paar Meter vor mir zielsicher in die falsche Richtung ging.

»Klar!«, rief er mir über die Schulter zu. Ich verstand ihn kaum, weil er genau auf dieser Schulter den Seesack geschultert hatte. Ich rannte ein Stück, um ihn einzuholen. »Wieso läufst du dann in die falsche Richtung?«, fragte ich. Er sah mich an und grinste. »Abkürzung.«. Nach ein paar Minuten waren wir da. Wir blieben aber noch einen Moment im Schutz der Bäume.

»Woher weißt du wo ich wohne?«, fragte ich Gideon auf einmal, weil mir einfiel, dass ich es ihm nicht gesagt hatte. »Ich hab dich beobachtet, einige Tage bevor ich in die Schule gekommen bin.«.

»Wieso hast du das gemacht?«. Ich sah ihn skeptisch an.

»Weil ich schon so einen Verdacht hatte, dass du eine von uns bist. Und ich hatte recht.«. Er lächelte.

»Du Stalker!«. Ich lachte und boxte ihn leicht gegen die Brust.

Er sah gespielt verletzt aus und griff sich an die Brust. Danach blitzte etwas schelmisches in seinem Blick auf und er packe mich und wirbelte mich durch die Luft. Ich quiekte und klammerte mich an seinen Armen fest. Er lachte und ließ mich runter. Ich taumelte und blieb nur wenige Meter vor seinem Gesicht stehen. Ich spürte seinen warmen Atem in meinem Gesicht. Gideon hob die Hand und strich mir eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht, dann berührte er sanft meine Wange.

Sein Blick ruhte auf meinen Lippen. Gideons kamen meinen immer näher doch dann wurden wir von einem harschen »Hallo? Ist da jemand?«, unterbrochen. Gideon wollte aus dem Schatten treten, doch ich hielt ihn zurück und wartete bis mein Adoptivvater die Tür wieder geschlossen hatte bevor ich ihn losließ.

»Ich hab einen Schlüssel. Und außerdem hab ich keine Lust ihm sofort über den Weg zu laufen.«, sagte ich. »Und du solltest erstmal hierbleiben, sonst kommen wir nie hier weg.«.

»Ich komme, wenn ich es für nötig halte, okay?«, fragte er mich und ich nickte. Dann trat ich aus dem Unterholz und lief auf das Haus zu.

»Du Miststück!«, rief er als er mich bemerkte. Die Tür, die er gerade erst geschlossen hatte, wurde wieder aufgerissen. »Erst bleibst du wochenlang verschwunden, dann tauchst du wieder auf als ob nichts gewesen wäre und erwartest, dass wir dich wieder durchfüttern und uns freuen, dass du wieder da bist?!«. Wutentbrannt lief er auf mich zu, ich blieb ganz ruhig.

»Wer ist draußen an der Tür, Klaus?«, rief Patricia, meine Adoptivmutter, durch das ganze Haus nach draußen.

»Xylophon ist wieder da!«, rief er zurück. Jap. Cora war nicht die einzige die mich so nannte.
Ich hörte Gideon leise knurren und warf einen Blick in die Richtung, in der ich ihn vermutete. Ich entdeckte ihn und warf ihm einen beruhigenden Blick zu, woraufhin er sich wieder versteckte.

»Könnt ihr mal aufhören so rumzuschreien? Ich will meine Ruhe haben. Schlimm genug, dass Xenia jetzt jeden Morgen wieder Krach macht!«, rief eine Stimme von oben.

»Ich bin nicht gekommen, um zu bleiben.«, sagte ich laut. »Ich wollte lediglich meine Sachen holen.«.

Das Gesicht meines Adoptivvaters färbte sich puterrot und er setzte sich wieder in Gang. »Du glaubst also du könntest einfach so abhauen? Wir haben dir ein Dach gegeben, wir haben dich durchgefüttert, WIR...«, fing er an.

»Haben dich misshandelt, dich für dein Essen schuften lassen und es dir dann doch abgenommen und haben dich eigentlich nur bei uns, weil wir scharf auf das Kindergeld sind.«, unterbrach ich ihn und beendete damit seinen Satz.

Er stand einen kurzen Moment fassungslos da, dann holte er aus und mein Gesicht machte eine äußerst unsanfte Begegnung mit dem unsauber geteerten Boden. Ich hörte Gideons Schritte, die sich zwar im Dickicht bewegten, aber trotzdem schnell waren. Ich betastete meine Wange und fühlte einen kleinen Schnitt, der aber schon zu heilen begann. Ich blieb etwas länger als nötig auf dem Boden liegen, damit er den Schnitt nicht heilen sah. Dann stand ich auf. Ich richtete mich zu meiner vollen Größe auf, um ihm zu zeigen, dass es mir nichts ausmachte, wenn er mich schlug.

Er holte aus, um mich barsch am Arm zu packen, doch sobald er mich berührt hatte, schnellte Gideon aus seinem Versteck hervor und hielt seinen Arm fest bevor er mich richtig packen konnte. »Sie fassen sie nicht an!«, sagte er fest, seinem Gesicht war keine Regung zu entnehmen und seine Augen waren herausfordernd auf seine gerichtet.

»Und du bist?«, fragte Klaus, Gideons ,,Förmlichkeiten'' ignorierend.

»Jemand, mit dem Sie sich besser nicht anlegen sollten!«, antwortete Gideon drohend.

»Du kannst mich jetzt loslassen, Junge.«, lachte Klaus, doch ich konnte Panik in seinen Augen aufblitzen sehen. Gideon lockerte seinen Griff und Klaus machte sich los. Er warf Klaus einen warnenden Blick zu, bevor er sich zu mir umdrehte. »Alles okay?«. Er sah mich besorgt an. Ich nickte benommen.

Auf einmal rief Roui von oben, »Zeig's ihm Dad!« Sie muss wohl schon eine ganze Weile dort gestanden haben.

Gideon drehte sich blitzschnell um und fing gerade noch Klaus Faust, die auf seinen Hinterkopf gezielt hatte. Dann fing er die andere auch auf, bevor sie überhaupt zielen konnte. Er hielt sie fest und drückte ihn an die Hauswand. Oben am Fenster sog meine Stiefschwester scharf die Luft ein.

»Ich will keinen Ärger, also lassen Sie uns in Frieden ihre Sachen holen, dann sind wir weg. Wenn nicht, könnte das schmerzhaft für Sie werden.«. Das letzte flüsterte Gideon, ohne eine Miene zu verziehen, direkt in sein Ohr. Ich konnte von hier sehen, dass er erschauderte bei Gideons Worten.

»Ist das eine Drohung?«, fragte er provokant.

»Nur, wenn Sie uns im Weg stehen.«, antwortete Gideon trocken.

Dann ließ er ihn los. In dem Moment holte Klaus abermals zum Schlag aus, doch Gideon war schneller. Er schlug ihm mit der Faust direkt ins Gesicht und Klaus knallte mit seinem Kopf an die Hauswand. Er packte sich erschrocken ins Gesicht.

»Ich denke wir verstehen uns.«, sagte Gideon kalt.





Viel Spaß!
Eure Grace <3

Time Wolf  Wie das Blut in meine Lippen flossWo Geschichten leben. Entdecke jetzt