KAPITEL 43

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Manuels Sicht:

Ich liege in meinem Bett und frage mich, wie ungerecht diese Welt sein kann. Das ist doch echt scheiße. Ich hätte Patrick früher verzeihen sollen. Dann hätten wir wenigstens mehr miteinander unternehmen können. Dann hätten die Lehrer bestimmt niemals davon erfahren und meine Eltern schonmal gar nicht. "Manuel, kommst du bitte Mal runter?", fragt meine Mutter. Jedoch klingt es nicht wirklich wie eine Frage. Eher wie eine Aussage, aber um nicht zu unhöflich zu sein, ist es als Frage formuliert. Was will die denn jetzt von mir? Mein Leben etwa noch mehr zerstören? Ist das überhaupt möglich? Obwohl, bei meinen Eltern, wäre es kein Wunder, wenn die mein Leben noch mehr zerstören könnten. "Wenn es unbedingt sein muss", rufe ich und stehe, mehr oder weniger freiwillig, auf.

Ich gehe runter und sehe, dass meine Eltern auf der Couch auf mich warten. Na toll. Ich gehe zu ihnen und warte darauf, dass sie anfangen zu sprechen. "Manuel, setz dich doch bitte" "Ich würde eigentlich lieber stehen", entgegne ich sauer. Ist doch deren Schuld, dass ich sauer bin. Also müssen die damit auch klarkommen. "Nicht in diesem Ton", ermahnt mich mein Vater. "Mal ehrlich, könnt ihr eigentlich was anderes als schimpfen? Oder beleidigen? Und ich werde wie ich will, mit euch sprechen." "Das wirst du nicht. Wir sind immernoch deine Eltern. Hast du keinen Respekt?". Die wollen das echt nicht verstehen oder? Ich dachte ja immer ich wäre kompliziert... "Egal was ihr mir jetzt sagen wollt, es kann nicht so schlimm sein wie, dass ich keinen Kontakt zu der Person haben darf, die ich mag. Warum versteht ihr das nicht? Und was ist eigentlich euer Problem damit, dass Patrick Sonne ist. Ihr kennt die Sonnenleute doch gar nicht. Und wenn seid ihr diejenigen, die arrogant sind. Seitdem ich klein bin, sagt ihr mir wie ich zu sein habe. Habt ihr dabei auch nur einmal an mich gedacht?! An mein Leben? Und das dieser Entzug zu meinem Besten wäre, ist jawohl die größte Lüge, die ich jemals gehört habe. In eurem Leben gab es doch noch nie eine Sonnenperson. Also was gibt euch das Recht, so über die zu urteilen? Und selbst wenn, was legitimiert es, dass ihr einen ganzen Stamm diskriminiert?"

"Du weißt doch gar nichts über uns-/" "Und ihr genauso wenig über Patrick. Seine Familie ist bestimmt dreitausend Mal besser als ihr. Außerdem, ist es nicht traurig, dass ich nichts über euch weiß? 'Mutter' und 'Vater' ", unterbreche ich meine Mutter. Sie schauen mich sprachlos an. Doch auch betroffen und teils verletzt. "Ihr könnt mir nichts mehr befehlen. Ich bin das Mondoberhaupt. Ihr habt mich zu dem gemacht, das ich heute bin. Wegen euch bin ich stark. Also müsst ihr mit den Konsequenzen leben. Und ich würde das tun und lassen was ich will, aber-/" "Was aber? Du bist feige. Du warst schon immer feige", mischt sich meine Mutter ein. Ich sehe sie eindringlich an, ehe ich weiterspreche. "Aber ich tue es nicht, weil ihr mir etwas bedeutet. Weil ich nichtsdestotrotz euer Sohn bin. Weil ihr, egal wie scheiße ihr auch immoment seid, immer meine Eltern sein werdet. Ob das jedoch so schön ist, weiß ich noch nicht. Seit meiner Geburt werde ich behandelt, wie ein Gegenstand. Wie die Kräfte. Ich bin für euch der Junge mit den Kräften. Aber ganz bestimmt nicht euer Sohn. Und das sollte euch zu denken geben. Ich will nicht weiter mit euch streiten und ich höre auch auf euch. Doch nicht weil ich euch respektiere oder weil ich feige bin. Nein. Weil ich euch liebe." Nach dem Satz gehe ich wieder in mein Zimmer. Ich will ihre Antwort nicht hören. Ich will niemanden immoment sehen oder hören. Und die Person, die ich gerne sehen wollen würde, darf ich nicht sehen.

Ich lass mich seufztend aufs Bett fallen. Wieso ist das alles nochmal so kompliziert? Doch plötzlich höre ich ein Klingeln. Mein Handy? Ich sehe auf den Kontakt und bin teils überrascht, teils verwirrt, teils erschrocken. Patrick? Was will er? Aber natürlich. Wir haben unsere Nummern ja noch.

M: Hallo?
P: Mänuel?
M: Ja? Palle, was gibt's?
P: Kennst du das verlassene Gebäude?
M: Das verlassene Gebäude?
P: Das an der Ecke. Im Stadtteil, wo es schmutzig aussieht und es eine Art Assi-Viertel ist.
M: Ich glaube, ich weiß was du meinst.
P: Komm dahin.
M: Abe-/

Er hat aufgelegt. Okay? Muss ich das jetzt verstehen? Aber Patrick hat mich gerade gefragt, ob wir uns treffen können. Eigentlich hätte er keinen besseren Zeitpunkt nehmen können. Es ist dunkel draußen, meine Eltern denken über meine Worte nach und kommen heute nicht mehr in mein Zimmer. Das verlassene Gebäude also...was will er da? Es könnte eine Falle sein. Oder ein Hinterhalt. Oder er ist in Gefahr und braucht meine Hilfe. Meine Schuhe habe ich noch an, da ich nach der Schule, ja sofort von meiner Mutter abgefangen wurde. Praktisch. Ich gehe zu meinem Schrank und nehme mir eine Jacke raus. Ich nehme meine Lieblingsjacke. Eine Jacke, die schwarz blau gestreift ist. Na dann Mal los. Ich öffne mein Fenster und fliege raus. Das hätte ich schon viel früher machen sollen....
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Die Kraft der Elemente || Kürbistumor || ABGESCHLOSSENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt