19 Tom

63 4 0
                                    

Das Duo Jaron und Gino sind grosse Klasse. Der superschlaue aber sozial völlig schräge Gino wird von dem einfältigen aber unglaublich liebenswerten Jaron aus seinem Schneckenhaus gelockt. Die beiden tun sich gegenseitig so gut. Jaron und Gino, Gino und Jaron. Überall sieht man die beiden nur im Doppelpack. Sie machen fast alles gemeinsam, ausser zur Schule zu gehen. Jaron geht nun auf eine Förderschule und das tut ihm sehr gut. Gino wird sein Abi vorziehen und auch das tut ihm gut. Er lernt mit einem freudigen Eifer das ist wirklich wunderbar. Die beiden Jungs sind wie füreinander geschaffen. Jaron wird auf seiner Förderschule zum Künstler und Gino schafft sein Abitur mit einer glatten Eins. Er ist wirklich ein hochbegabtes Kerlchen. Der Junge hat sich in der Nachbarstadt für Jura eingeschrieben. Ich glaube er will nicht von Jaron weg. Ich finde es sehr schade dass wir hier keine Universität haben. Doch Gino muss einfach was aus seinem Leben machen. Nächstes Jahr wird Jaron volljährig und dann darf er theoretisch zu Gino ziehen. Gino darf mit Sondergenehmigung jetzt schon eine eigene Wohnung beziehen. Es ist so typisch Gino. Er hat sich eine winzige Einzimmerwohnung am Stadtrand genommen. Genau an der Haltestelle wo der Schnellbus in unser Städtchen fährt. Dafür braucht er morgens echt lange zur Uni und die Strecke ist nur mit mehrfachem Umsteigen zu bewerkstelligen. Dennoch weinen die Jungs und der Abschied fällt ihnen schwer. Jaron ist nach Ginos Auszug wie ausgewechselt. Aus dem fröhlichen, freundlichen Knaben ist ein verängstigtes, in sich gekehrtes Kind geworden. Jaron redet kaum noch und er macht auch nicht mehr bei den Gemeinschaftsprojekten mit. Wenn dann ist er nur noch gezwungen körperlich anwesend. Lediglich Freitags wachen seine Lebensgeister auf. Dann darf er mit dem Bus zu Gino fahren. Stolz packt er immer seinen kleinen Rucksack mit dem nötigsten. Eigentlich nur seinem Teddybären, denn Wäsche und Zahnbürste hat er natürlich in Ginos Wohnung. Inzwischen sind die Jungen etwa gleich gross und Jaron darf sich wohl an Ginos Klamotten bedienen. Zumindest kommt er Sonntags nie in den selben Kleidern heim wie er Freitags abgefahren ist. Sonntag Abends ist Jaron ein Häufchen Elend. Nicht selten geht er direkt in sein Zimmer und weint dann. Zumindest finde ich ihn immer heulend im Bett wenn ich Sonntag abends Schicht habe und nach ihm suchen gehe. "Jaron, warum weinst du?" frage ich jedes mal und jedes mal erhalte ich keine Antwort. Ich glaube er vermisst seinen Freund einfach. Nie im Leben hätte ich damit gerechnet dass Jarons Kummer kein Trennungsschmerz ist. Er hat nie etwas gesagt und ich muss zugeben dass mir auch bei den anderen Jugendlichen kein seltsames Verhalten aufgefallen ist. Doch als ich das Ausmaß der Katastrophe erfahre schäme ich mich. Ich schäme mich dass ich nie weiter gefragt habe wenn der schüchterne Jaron mir keine Antwort gegeben hat. Wenn er lieber geschwiegen hat als sich anzuvertrauen. Die Sorgen eines Teenagers waren mir nicht wichtig genug dass ich sie ihm aus der Nase gezogen hätte. Ich weiss doch dass Jaron nie im Leben gelogen hätte, er hätte vielleicht eine Phantasiegeschichte erzählt aber die hätte ich durchschaut. Ganz bestimmt. Ich schäme mich dass ich so wenig Zeit für ihn hatte. Dass ich geglaubt habe den Auslöser für seinen Kummer zu kennen und mich nicht weiter um ihn gekümmert habe.

Selig sind die hoffnungslosen, denn sie werden nicht enttäuscht. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt