34 Gino

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Mein Freund ist zu niedlich. Immer wenn wir baden können wir so was wie Sex haben. Nach einer Weile kann auch Jaron mir in der Wanne einen runter holen und er geniesst es sehr wenn ich ihn in der Wanne verwöhne. Zusammen duschen und uns geniessen geht auch. Auch wenn Jaron ständig ängstlich fragt ob ich das Wasser auch nicht zu heiss mache. Ich gehe davon aus dass er mal als Kind unter der Dusche verbrüht worden ist. Ich dusche immer wohl temperiert und Jaron mag das Wasser so schön warm wie ich. Doch im Bett läuft nichts und wenn ich ihn in der Wohnung oder gar draussen auf der Strasse berühre zuckt Jaron verängstigt zusammen und schaut mich mit seinen grossen Knopfaugen wehmütig an. Er kann da einfach nicht entspannen. Das ist der Grund weswegen ich ihn zu einem Psychologen bringe. Die erste Sitzung war wohl katastrophal weil Jaron unaufhörlich geweint hat. Zu Hause hat er mir gebeichtet dass er grosse Angst vor dem fremden Mann hat. Ich habe ihm angeboten mit zu seinen Therapiesitzungen zu gehen und da hat Jaron dann mit dem Psychologen geredet. Er hat ihm frei alles erzählt. Seine Kindheit (die ich im Detail auch noch nicht kannte, vor allem nicht die schrecklichen Szenen), seine Jugend (die ich ja theoretisch miterlebt habe aber praktisch der gewaltbereite Teil an mir vorbeigezogen ist) und dann sein Leben auf der Strasse. Bei dem Teil wird mir fast schlecht. Was Jaron da passiert ist wollt ihr nicht wissen. Ich würde es auch gerne wieder vergessen aber ich kann nicht. Der Psychologe ist echt gut zu Jaron und tut ihm gut. Jaron blüht immer mehr auf und er wird wieder zu einem fröhlichen Menschen. Noch fröhlicher als damals im Heim. Ich liebe es wenn ich nach der Uni heim komme und er mir ein Bild gemalt hat. Jaron kann immer noch genau so gut malen wie früher. Er versucht sich inzwischen an hyperrealistischer Zeichnung und darum sehen seine Bilder aus wie Fotografien. Es ist einfach nur genial was er zu Papier bringt. Jaron hat ausserdem eine blühende Phantasie. Manchmal zeichnet er Phantasielandschaften und erzählt mir die Geschichte die auf den Bildern zu sehen ist. So können wir Nachmittage füllen. Jaron so versunken in seine Welten zu erleben ist wunderbar.

In der Uni habe ich mich mit Chris ausgesöhnt. Er ist zwar immer noch enttäuscht dass ich nicht mit ihm zusammen gekommen bin aber ich glaube er ist nicht mehr ganz so geknickt seit dem er mitbekommen hat dass ich für Jaron nicht mein Studium schmeisse oder so. Ich muss doch eines Tages Geld verdienen. Jaron wird wahrscheinlich nie einen Beruf ergreifen können. Zum Glück gibt es Marlene. Die kleine Schwester von Chris. Als wir einmal zu viert essen waren hat sie völlig angeekelt Jaron beim Essen zugeschaut und dann gesagt: "Gino, dein Freund frisst wie ein Schwein. Bist du dir sicher dass er nicht behindert ist?" Ich war entsetzt und verletzt, Jaron hat fast geweint und sich nicht mehr getraut weiter zu essen. Chris hat nur gelacht und zu Marlene gesagt: "Du kannst dir sicher sein dass Jaron behindert ist. Der kann echt nix. Weder essen, noch richtig sprechen oder denken." Natürlich war die Situation schlimm. Ich wollte nur noch weg, hab mir meinen Liebling geschnappt und wir sind nach Hause gegangen. Aber dort wollte Jaron auch nichts mehr essen. "Ich will nicht dass du mir dabei zuguckst." hat er gemeint und ich musste ihn sehr trösten und ihm tausendmal versichern dass ich seine Art zu essen mag. "Jaron, Liebling, schau, ich liebe dich. Genau so wie du bist. Und darum liebe ich auch deine Art zu essen." Jaron schaut mich mit seinen riesigen Knopfaugen an und meint dann: "Also stimmt das was Marlene gesagt hat und ich wie ein Schwein esse? Und du magst das?" Ich muss über seine Logik ein wenig lächeln und schmuse ihm seinen Kopf. "Ja, das stimmt. Ich liebe deine Art zu essen." sage ich noch einmal und Jaron fragt: "Kannst du mir beibringen normal zu essen?" Ich mühe mich einen Nachmittag damit ab Jaron die wichtigsten Tischmanieren beizubringen. Er ist ungeschickt im Umgang mit Messer und Gabel. Er fasst zum Beispiel sein Essen immer an und hält es fest wenn er es mit der Gabel aufspiessen will. Dann hält er die Gabel in der Faust und sägt mit dem Messer daran herum wie ein Kleinkind. Wir fangen damit an Messer und Gabel ordentlich zu greifen. Nach einer Weile bekommt er es tatsächlich hin, denn Jaron ist eingentlich sehr geschickt mit seinen Händen. Dann bringe ich ihm bei sich den Mund nicht so voll zu stopfen und mit geschlossenem Mund zu essen und nicht zu schmatzen. Dabei fällt mir auf dass Jaron kaum Luft durch seine Nase bekommt. Er hat seinen Mund immer offen weil er durch ihn atmet. Natürlich vereinbare ich einen Termin beim HNO Arzt um nachsehen zu lassen weswegen er keine Luft bekommt. Jarons Nase ist stark verkürzt und er hat sie als Kind wohl mehrfach gebrochen gehabt. Sie ist nicht mehr gerade zusammen gewachsen. Um eine Korrektur kommen wir nicht herum. Der Arzt ist super lieb zu uns und fragt uns wer denn Jarons Betreuer sei. Ich frage den Arzt verwundert was das sein soll und er erklärt mir das Offensichtliche: Jaron ist behindert und kann nicht in allen Lebenslagen für sich selbst entscheiden weil er die Konsequenzen seines Tuns nicht abschätzen kann. Er benötigt jemanden der für ihn die Entscheidungen trifft. Jaron ist damit einverstanden dass ich dieser Jemand sein werde und wir beantragen die Vormundschaft. Leider ist das nicht so ohne weiteres möglich. Wir müssen beweisen dass Jaron auch wirklich behindert ist. Dafür müssen wir ihn untersuchen lassen und Jaron bekommt einen Behindertenausweis und einen Pflegegrad. Jaron ist damit sehr zufrieden weil wir mit seinem Ausweis nun überall nur den halben Preis bezahlen. Er benötigt eine Begleitperson und kann nirgends alleine hin. Es nun schwarz auf weiss lesen zu können ist irgendwie komisch. Doch eigentlich hat er sich ja gar nicht verändert. Er ist immer noch mein kleiner, süsser Jaron. Ich bin immer noch sein Beschützer, sein Freund und Lebensgefährte. Für ihn eine sinnvolle Beschäftigung zu finden wird eine Herausforderung. Niemand will ihn einstellen weil er nicht lesen und schreiben kann. Die Behindertenwerkstädten würden ihn nehmen aber die Bezahlung ist unter aller Würde. Ich lasse mein Baby da nicht hin! Also lasse ich ihn das tun was ihm am meisten zusagt: Ich lasse ihn zeichnen. Wir haben eine Internetseite wo uns Leute die Fotos ihrer geliebten Haustiere  schicken können und Jaron zeichnet sie dann auf Leinwand, Karton oder Papaier. Wir lassen uns die Bilder gut aber nicht überteuert bezahlen und weil Jaron wirklich gut und fix ist hat er bald ziemlich viele Aufträge. Selbst Kinder bekommt er gut abgemalt. Einmal hat ihm eine verzweifelte Mutte das einzige Bild ihres verstorbenen Säuglings geschickt. Ein Frühchen verkabelt mit unendlich vielen Schnüren im Brutkasten. Leicht verschwommen weil Handys auf einer Intensivstation nun mal verboten sind und sie die Aufnahme heimlich gemacht hat. Jaron hat das Mädchen wie auf dem Foto nur kabellos und wunderschön als Blumenkind gemalt, fröhlich mit anderen Engln spielend im Himmel und noch weitere wunderbare Werke. Als die Mutter diese Zeichnungen bekommen hat hat sie endlich die Erinnerung an ihr Kind erhalten die dem kleinen Mädchen würdig waren. Seit dem erhält Jaron oft Bilder die eigentlich keine gute Qualität haben und die er dann hyperrealistisch abmalt oder wo er Kinder in andere Szenen malt. Jaron verdient mit seinen Bildern richtig gutes Geld. Ich müsste lügen wenn ich sagen würde dass ich davon nicht profitieren würde. Natürlich können wir uns nun gutes Essen kaufen, müssen nicht mehr mit der Heizung sparen und wir kaufen uns neue Kleidung wenn uns der Sinn danach steht und nicht wenn uns die drei mal geflickte Hose vom Hintern fällt. Wir verprassen sein Geld nicht aber wir brauchen es zum Leben. Natürlich spare ich auch etwas aber meist kommt irgendetwas was wir dringend brauchen. Als die Couch zerbrochen ist haben wir das Gesparte genommen und uns eine neue Couch gekauft.

Selig sind die hoffnungslosen, denn sie werden nicht enttäuscht. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt