Am späten Samstag Abend werde ich vom Krankenhaus angerufen. Einer meiner Schützlinge ist dort eingeliefert worden. Offenbar ist er aus einem Fenster gefallen. Genauer aus dem zweiten Stock. Nicht tödlich aber dennoch sehr hoch. Jaron ist es der gestürzt ist. Wieso weiss man nicht. Man hat ihn verletzt vor dem Gebäude gefunden. Er hatte keine Kleidung am Leib und seine Knochen sind fast alle zerschmettert. Ich gebe die nötigen Unterschriften dass der Junge operiert und behandelt werden kann. Dann rede ich lange mit Tom, einem der Betreuer dort im Heim. Er erzählt mir dass Jaron wohl mit seinem Freund schluss gemacht habe und dass er sehr geknickt heim gekommen sei. "Eigentlich hätte ich ihn für morgen erwartet aber Jaron ist schon heute nach Hause gekommen. Er war völlig durchnässt und hat geweint. Eigentlich wollte ich mich mit dem Jungen zusammensetzen dass er von seinem Kummer erzählen kann aber er wollte zuerst duschen." Tom fährt sich verzweifelt mit der Hand durch das Gesicht. "Wenn ich gewusst hätte dass er sich umbringt wäre ich bei ihm geblieben." Tom sieht verzweifelt aus. Ich versuche etwas tröstendes zu Tom zu sagen aber mir fällt nix gescheites ein. Was sagt man in so einer Situation? Gut dass der Junge zu doof war aufs Dach zu gehen? Woher hättest du wissen können dass er verzweifelt ist nur weil er mit seinem Freund schluss hat? Es ist doch nur Jaron? Wer vermisst ihn schon? Egal was mir einfällt es ist alles Käse. Ich weiss nicht wieso aber wir gehen in das Zimmer des Jungen. Jaron ist nicht gerade der aufgeräumteste Junge. Wie jeder Bursche in seinem Alter hat er seine Klamotten achtlos im Zimmer verteilt. Es riecht etwas streng. So wirklich scheint der Junge seine Blase noch nicht kontrollieren zu können. Tom sammelt fahrig die Kleidungsstücke ein und wirft sie alle auf das Bett. Dann öffnet er Jarons Schrank um dem Jungen eine Tasche zu packen. Wir müssen ihm was zum Anziehen ins Krankenhaus bringen. "Wo hat er eigentlich seinen Bären?" fragt Tom laut. "Er hat einen Bären?" frage ich verwundert und Tom nickt. "Ja, er hat ein Lieblingsstofftier ohne das er immer noch nicht verreist. Ob er ihn bei Gino gelassen hat?" Ich zucke mit den Schultern weil ich das nicht weiss. Woher auch. Ich setze mich an den Schreibtisch und lasse meine Augen über Jarons Schulsachen schweifen. Eine riesige Sammelmappe sticht mir ins Auge. Ich nehme sie und schaue hinein. Wunderbare Bilder sind darin. Lebensechte Protrais, fast alle von Gino aber auch ein paar andere Menschen die ich nicht kenne. Phantastische Landschaften mit allerhand Fabelwesen. Es sind wirklich wunderschöne Bilder. Sie wirken alle so lebendig. Ich staune. Jaron ist ein echter Künstler. Als ich auf schaue sehe ich noch eine Sammelmappe im Schrank. Sie ist unter Jarons Pullovern versteckt. Ich stehe auf und nehme mir neugierig die Mappe. Doch der Inhalt schockt mich. Diese Bilder sind nicht so heimelig wie die der anderen Mappe. Dort sind brutale Szenen gezeichnet. Ein kleiner Junge wird von Riesen zerschmettert, von Drachen verbrannt, von Unholden zerrissen und geschändet. Ungläubig starren Tom und ich auf die Bilder. Tom schaut sie entsetzt an. "Die Geschichte mit dem Drachen und den Riesen kenne ich, das war als Jaron versehendlich seinen Teddy angezündet hat und sein Adoptivvater ihn danach fast umgebracht hat. Aber was sind die anderen für Erlebnisse?" Tom schaut entsetzt. Ich hoffe für Jaron dass es keine Erlebnisse sind, denn dann würde es bedeuten dass er misbraucht worden ist. Wir verdächtigen natürlich sofort Gino. Doch wir haben keine Beweise. Ginos Gesicht taucht nur bei den schönen Bildern auf. Die hässlichen Fratzen der Unholde sehen Gino überhaupt nicht ähnlich. Tom starrt auf die Bilder als würde er die Unholde erkennen. "Ich glaube ich rufe besser die Polizei." ächzt Tom und wählt den Notruf. Er erklärt den Beamten was wir gefunden haben. Die Jungen, die den Bildern ähneln werden verhört und irgendwann gesteht einer von ihnen. Sie haben Jaron wirklich über mehrere Monate immer wieder und wieder misbraucht, gedemütigt und geschlagen. Jaron haben sie gedroht dass sie seinem Gino etwas antun würden wenn er nicht still schweigen würde.
Im Nachhinein frage ich mich ja schon wieso keiner von uns auf die Idee gekommen ist mal Gino anzurufen. Es ist mir unbegreiflich wie wir Jarons Freund so vergessen konnten. Okay, Gino hat mit Jaron Schluss gemacht, aber es wäre doch besser gewesen wenn wir ihn benachrichtigt hätten. Ich schäme mich dass ich das verpennt habe.
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Selig sind die hoffnungslosen, denn sie werden nicht enttäuscht.
RandomJaron lebt seit er denken kann im Schatten seines Bruders Noah. Noah ist intelligent, sieht gut aus, ist beliebt und der ganze Stolz seiner Eltern. Jaron ist Jaron. Er träumt gerne und im Traum kann er lesen und rechnen, dann hänseln ihn nicht alle...