Ich darf nicht zu Jaron. Er ist in der geschlossenen Psychiartrie und da kommt keiner mal so eben rein. Ich darf Jaron nicht anrufen und ich darf ihm keine Nachricht hinterlassen. Es ist schrecklich. Das einzige was sie mir versprechen ist, dass sie Jaron bescheid geben und er sich dann bei mir melden darf sobald er stabiler ist. "Wieso stabiler?" frage ich entsetzt aber die Ärztin gibt mir keine Auskunft.
Woche für Woche fahre ich in das Krankenhaus und Woche für Woche bekomme ich die selbe Auskunft: nämlich keine. Irgendwann wird es mir zu bunt und ich rufe Jarons gesetzlichen Vormund an. Doch auf dem Amt herrscht Chaos. Jarons Vormund ist wohl plötzlich und unerwartet an einem Herzinfakt verstorben und wer die Fälle übernimmt kann mir keienr sagen. Ich rufe also Woche für Woche bei der Stadt an und ich bekomme einfach nie heraus wer denn nun für Jaron zuständig ist. Im Spätsommer bekomme ich dann doch was raus: Jaron ist nicht mehr im Krankenhaus. Ob er verlegt oder entlassen wurde wird mir natürlich nicht mitgeteilt. Im Herbst verraten mir die netten Leute vom Amt dann endlich dass niemand für Jaron zuständig ist. Jaron sei schliesslich inzwischen volljährig. Na, toll! Nun weiss ich nicht mehr wo ich nach meinem Freund suchen soll. Im Heim taucht er nicht auf und auch sonst nirgends. Ich habe überhaupt keinen Anhaltspunkt wo ich ihn suchen könnte. Chris versucht alles um mich aufzumuntern und mich aufzubauen. Immer wenn ich zu niedergeschlagen bin ist er für mich da. Er hilft mir mit dem Studium und auch sonst in allem. Ich selber bin ja noch lange nicht volljährig. Zu meinem sechzehnten Geburtstag schenkt Chris mir einen Kuss. Ich weiss gar nicht wie ich damit umgehen soll. Ich mag Chris aber ich liebe ihn nicht. Ich liebe Jaron. "Wir suchen ihn doch schon so lange und wir finden ihn einfach nicht. Wirf dein Leben nicht für ein Phantom weg. Lebe, liebe und lache." versucht mich Chris zu überreden. Ich will das eigentlich nicht aber wir haben einen Deal. Wenn Jaron bis Weihnachten verschwunden bleibt dann werde ich mit Chris zusammen ziehen und eine Beziehung mit ihm probieren. Ich weiss nicht was mich geritten hat diesem Wahnsinn zuzustimmen. Eigentlich will ich das nicht. Ich will Jaron zurück. Doch Jaron bleibt verschwunden. Ohne den Hauch einer Idee wo er sein könnte lebe ich jeden Tag einfach so vor mich hin. "Morgen ist Heilig Abend." erinnert mich Chris. Ich bin traurig. Chris will Stitch auf keinen Fall in seiner Wohnung haben. Wenn ich also ernsthaft eine Beziehung mit ihm eingehen möchte dann muss ich den Kleinen abgeben. "Soll ich dich ins Tierheim begleiten?" fragt Chris lieb aber ich möchte das nicht. Diesen letzten Weg möchte ich mit Stitch alleine gehen. Schweren Herzens mache ich mich mit Stitch und seinen Sachen auf den Weg ins Tierheim. Vor genau einem Jahr hat Jaron ihm dieses Schicksal erspart. Ich komme mir vor wie ein Verräter. Um meinen Verrat endgültig zu machen habe ich auch noch Jarons Teddy mit dabei. Stitch soll ihn an Weihnachten haben. Er braucht etwas um nicht so alleine zu sein. In der Innenstadt reisst Stitch sich plötzlich los. Als hätte er geahnt was ich vorhabe schlingt er seinen Kopf durch sein Halsband und saust weg. Natürlich renne ich dem Kleinen hinterher. Ihn abzugeben ist ja eine Sache aber ihn mutterseelenallein in der Stadt auszusetzen eine andere. Stitch rennt zu den Obdachlosen die in ihre dicken Mumienschlafsäcke gemummelt auf dem Bahnhofsvorplatz liegen. Da kriecht er zu einem in den Schlafsack und ich mache mich auf eine entsetzte Schimpftirade gefasst. Doch aus dem Schlafsack pellt sich ein blonder Wuschelkopf mit unglaublich blauen Augen. "Stitch, was machst du denn hier?" fragt der Junge erstaunt. Ich nähere mich und Jaron schaut mich verwundert und dann mit einem kleinen Lächeln im Gesicht an. "Gino" haucht er und dann fängt er an zu weinen. Stumm laufen ihm Tränen aus seinen wunderschönen blauen Augen. Ich knie mich vor ihn und umarme ihn einfach. "Jaron, bitte verzeihe mir." sage ich ihm und Jaron erwiedert die Umarmung. "Bist du mir nicht mehr bös?" fragt er glücklich. "Nein, ich habe erfahren was Shane und die anderen mit dir gemacht haben und ich wünschte ich hätte es früher erfahren. Dann hätte ich dir helfen können." Jaron seufzt ein bisschen an meiner Schulter. Er ist eisekalt und sieht genau so durchgefroren aus wie damals als ich ihn aus meiner Wohnung geworfen habe. "Bitte komm mit mir nach Hause." sage ich zu Jaron und der freut sich. "Willst du mich wirklich wieder haben?" fragt er noch ein bisschen schüchtern und als ich nicke lacht Jaron sein Sonnenstrahlenlächeln. Nun kann Weihnachten kommen. Ich habe meinen Freund wieder! Glücklich nehme ich Jaron an der Hand und ich erkenne die Klamotten wieder die er am Leib trägt. Es sind immer noch die alten Sachen die ich ihm vor einem Jahr gegeben habe. "Was hast du gemacht?" will ich von ihm wissen. "Oh, als ich aus dem Fenster gefallen bin war ich lange im Krankenhaus. Dann musste ich noch in die Psychiartrie weil die mir nicht geglaubt haben dass ich mich nicht selber umbringen wollte. Und dann wollte ich eigentlich zu dir aber in deiner Wohnung war ein anderer Mann und der hat gesagt dass du mich nicht mehr sehen willst. Er hat gesagt dass er jetzt dein Freund ist und ich abhauen soll. Ich habe noch ein paar mal probiert bei dir vorbei zu schauen aber dein neuer Freund hat mich immer wieder weg geschickt." Jaron schaut mich verängstigt an. "Meinst du es ist okay wenn du mich jetzt mit nimmst?" Ich schaue Jaron an und ich werde so wütend wie ich es noch nie in meinem Leben war. Wie konnte Chris mich nur so sehr hintergehen? Ich dachte er sei mein Freund und er hat meine Liebe von mir geschickt. Ich weiss noch nicht was ich ihm alles an den Kopf werfen werde aber ich werde mich auf alle Fälle von ihm trennen. Meine Wohnung ist schon so gut wie leer. Weihnachten hatte ich vor umzuziehen. Doch das möchte ich nicht mehr. Ich gehe natürlich sofort zu meinem Vermieter und mache die Kündigung rückgängig. "Du hast Glück, Junge. Dein Nachmieter hat vorhin abgesagt. Du kannst das Zimmerchen behalten." sagt er freundlich und seine Frau bietet mir an dass sie uns Bettwäsche und Handtücher ausborgt. Wir nehmen dankbar an und dann lege ich Jaron erst einmal ins Bett. Ich koche ihm einen heissen Tee und etwas Suppe. Der kleine ist durchgefroren und muss nun auftauen. Jaron klammert sich an mich und streichelt mir immer wieder verträumt über mein Bein oder meinen Arm. Dann schaut er zu mir hoch und er sagt: "Gino, ich liebe dich." Ich kann nicht anders und ich muss mich zu ihm beugen um ihn zu küssen. Jaron küsst immer noch so wie immer: unschuldig und wie ein Kleinkind. Oh, wie habe ich diese Küsse vermisst.
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Selig sind die hoffnungslosen, denn sie werden nicht enttäuscht.
RastgeleJaron lebt seit er denken kann im Schatten seines Bruders Noah. Noah ist intelligent, sieht gut aus, ist beliebt und der ganze Stolz seiner Eltern. Jaron ist Jaron. Er träumt gerne und im Traum kann er lesen und rechnen, dann hänseln ihn nicht alle...