3 Jaron

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„Warum hast du gesagt dass du dumm seist?" fragt mich Gino und ich schaue auf meine Füße. „Weil ich dumm bin. Ich kann nix. Kein Mathe, keine Schule, noch nicht einmal die Hose zu machen."gebe ich deprimiert zu. Ich sage es ihm lieber gleich. Er wird es ja eh raus kriegen. Gino nimmt seinen Arm nicht von meinen Schultern. Das war meine allergrößte Sorge, dass er wenn er weiß wie dumm ich bin er nicht mehr lieb zu mir ist. Doch Gino zieht mich nur noch enger an sich. „Ich kann dir helfen. Ich bin ziemlich gut in der Schule." sagt er und ich schaue ihn mit großen Augen ungläubig an. „Wie, mir helfen?" frage ich weil mir noch nie irgendjemand mit den Schularbeiten geholfen hat. Ich weiß gar nicht wie das gehen soll. Papa sagt immer wenn man es nicht alleine lernen kann dann nützt es nix wenn es einem jemand anders vorkaut. „Na, Mathe erklären und die anderen Fächer." sagt Gino und lächelt. Ich nicke und hoffe mal dass ich keinen Ärger mit meinem Papa bekomme.
„Warum bist du so lieb zu mir?" frage ich den netten Jungen und schaue ihn interessiert an. Gino schaut mir in die Augen und sein Blick wird traurig. „Weil ich weiß wie du dich fühlst." sagt er leise. „Hä? Du bist doch gar nicht dumm." sage ich und weiß nicht was er meint. „Bisher haben sie immer mich geärgert." gibt er betroffen zu. Ich starre ihn mit offenem Mund fragend an. „Auch der Lehrer?" frage ich entsetzt und kann mir gar nicht vorstellen dass irgendjemand so einen netten Jungen ärgert. „Nein, der nicht. Aber die  Klasse. Die sind richtig gemein." Ich nicke und weine. „Klar, mein Bruder ist ja auch da drin." sage ich weil Noah und seine Freunde mich schon immer geärgert haben. Doch dann fällt mir ein dass ich ja niemandem verraten sollte dass Noah mein Bruder ist. Entsetzt schlage ich mir die Hände vor den Mund. „Was ist los?" fragt Gino. „Noah hat gesagt ich darf keinem verraten dass er mein Bruder ist." sage ich verzweifelt. „Dann sag es keinem." lächelt Gino. „Ich werde es Nico nicht verraten dass du es mir anvertraut hast." Ich strahle Gino an und bedanke mich. Gino ist echt lieb! Ich umarme ihn auch und lehne meinen Kopf an seine Schulter. Gino fühlt sich so toll an. Noch nie war jemand so lieb mit mir. Ich wünschte wir könnten Freunde werden. „Willst du mein Freund sein?" frage ich Gino leise und drücke mir ganz fest die Daumen dass er ja sagt. Ich habe aber Schiss dass er nicht mein Freund sein will und darum schließe ich feste meine Augen. Doch plötzlich spüre ich seine Lippen auf meiner Wange ich reiße meine Augen auf und Gino sagt lächelnd „Ja!" Ich grinse ihn an und küsse ihn zurück. Gino wird ganz rot. Ich glaube ich auch. Zumindest ist mir ganz heiß. Glücklich schauen wir uns in die Augen. Gino hat so schöne Augen, ganz dunkelbraun. Sie gucken so warm. „Wollen wir spielen gehen?" frage ich ihn atemlos weil noch nie jemand mit mir spielen wollte. Gino auch nicht. Er schüttelt seinen Kopf und sagt: „wir müssen zurück in den Unterricht." Weil er sieht wie traurig ich gucke sagt er: „Wir können ja gleich in der Pause miteinander spielen." Ich nicke und wir stehen auf um zurück in die Klasse zu gehen. Mit schlottern die Knie und mein Herz rast. Weil ich aber vor Gino nicht als Feigling da stehen möchte schlucke ich meine Angst herunter. Nun rumort es in meinem Bauch - na toll! Plötzlich begegnen wir dem Direktor, einem fürchterlich strengen alten Herrn mit gruseliger Brille und abstehenden grauen Haaren. Er schaut uns streng an und ich würde am liebsten weglaufen. „Guten Tag Herr Kleinhans." grüßt Gino freundlich. „Was macht ihr beide denn hier draußen? Habt ihr keinen Unterricht?" „Doch, aber die haben Jaron geärgert und darum musste er mal kurz vor die Tür." sagt Gino mutig. Ich schäme mich. „Dann geht mal wieder rein." brummt Herr Kleinhans streng. Gino klopft und wir betreten das Klassenzimmer. „Ah, die Heulsuse und sein rosa Ritter in der Not bequemen sich auch mal wieder dem Unterricht beizuwohnen." Wieder lachen alle und ich drehe mich um um  abermals wegzulaufen. Doch ich komme nicht weit weil Herr Kleinhans direkt hinter mir steht und mich festhält. „Doch nicht mutig genug für Mathe?" ruft mir Herr Brandt zu. „Komm sofort wieder zurück! Jaaaroooon! Oder du wirst dich schneller beim Direktor wieder finden als du losheulen kannst du Jammerlappen!" Er reißt die Tür auf und sieht mich in den Armen des strengen alten Direktors. Ich habe furchtbare Angst vor dem alten Mann. Aber noch mehr fürchte ich mich vor Herrn Brandt. Als er letztes Jahr mein Klassenlehrer war war die Schule die Hölle für mich. Ich habe so große Angst dass sich das dieses Jahr wiederholt. Darum schluchze ich dem Direx auch in sein Jackett. Der sagt irgendetwas was ich nicht mit bekomme und dann führt er Gino und mich ab in sein Büro. Nun weine ich noch mehr weil ich so große Angst vor diesem Büro habe. Ich war letztes Jahr fünf mal dort. Jedes Mal weil meine schulischen Leistungen nicht genügt haben und dort hat mir der Direktor auch gesagt dass ich nicht versetzt würde. Dass ich anschließend die schlimmsten Ferien meines Lebens erleben würde hat er mir zwar nicht gesagt aber es war eine Folge davon. Ich habe voll Schiss dass es jetzt wieder so schlimm für mich wird. Ich zittere und schlottere voll. Gino erzählt den Direx was Herr Brandt alles gesagt hat und warum ich weinend aus dem Klassenzimmer gerannt bin. „Warum weinst du immer noch?" fragt mich plötzlich der Direktor und ich muss schlucken. „Ich hab vor meinem Vater Angst." gebe ich zu. „Vor deinem Vater?" fragt der Direktor verwundert und ich nicke. „Eher davor dass er mich wieder Oma und Opa gibt." sage ich und erschaudere. „Ich will nicht wieder in den Keller. Mein Teddy hat da unten Angst." gebe ich kleinlaut zu. „In welchem Keller?" fragt Herr Kleinhans und ich Beichte dass ich mich bei Oma und Opa nicht benehmen konnte und darum immer in den Keller gesperrt wurde. Ich hatte sehr große Angst. Der Direktor schreibt etwas auf und ich bettle ihn nicht meinen Eltern zu verraten dass ich mal wieder bei ihm bin. „Sind auch deine Eltern gemein zu dir wenn du nicht spurst oder nur deine Großeltern?" fragt Herr Kleinhans und ich zucke mit den Schultern. „Wir haben keinen Gruselkeller zu Hause." verrate ich und erzähle warum unser Keller nicht so schlimm ist wenn ich da Stunden drin hocken muss. „Da ist ein Fenster und ich kann raus gucken." sage ich und dass ich dann keine Angst habe ist ja klar. Gino nimmt meine Hand und drückt sie. Ich schaue ihn an und freue mich dass er da ist. Es tut so gut einen Freund zu haben! Ich fühle mich nicht halb so schlimm wie sonst immer beim Direktor.

Selig sind die hoffnungslosen, denn sie werden nicht enttäuscht. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt