Ich bin sehr froh dass das Essen mit Chris vorbei ist. Er ist zwar ganz nett zu mir, zumindest ignoriert er mich, aber ich fand es doof dass er Gino und mich so ausgelacht hat dass er viel bessr sei als wir. Ich mein, ich weiss ja dass ich nichts wert bin, aber Gino ist doch eigentlich perfekt. Der ist doch bestimmt mindestens genau so viel wert wie Chris, oder? Unsicher frage ich Gino an der Haltestelle ob das stimmt dass Chris mehr wert ist als wir weil er eine tolle Familie hat und wir nicht. Gino lächelt mich an und dann sagt er etwas wunderbares: "Weisst du Jaron, wir beide sind genau so viel wert wie Chris. Jeder Mensch ist gleich viel wert. Egal ob er schlau ist oder nicht, ob er malen kann oder nicht, ob er helle oder dunkle Haare hat, ob er Eltern hat oder Waise ist. Aber für mich bist du der wertvollste Mensch auf der Welt." Dann küsst er mich und ich freue mich. Bei Gino ist die Welt schön. Für ihn bin sogar ich etwas wert und das finde ich gut. Ich habe ein ganz warmes Gefühl wenn ich an ihn denke. Da ich ihm auch mal eine Freude machen will möchte ich am nächsten Tag ein Geschenk für ihn kaufen gehen. Er wünscht sich eine neue Uhr weil seine kaputt ist. Weil ich den Weg in die Stadt inzwischen alleine kann gehe ich einfach zum Kaufhaus um die Uhr zu kaufen. Doch leider komme ich dort irgendwie nicht an. Ich habe mich hoffnungslos verlaufen und irre irgendwo in der Stadt herum. Ich kenne mich gar nicht mehr aus und ich bekomme ein bisschen Angst. Immer wenn ich Angst habe muss ich weinen und darum renne ich flennend durch die Strassen. So ein Mist. Nun kann ich nicht nur die Uhr für Gino nicht kaufen, ich kann auch die Bilder nicht zeichnen die für heute meine Aufgabe sind. Mann! Was habe ich mir nur dabei gedacht? Gino wird bestimmt ganz doll enttäuscht von mir sein und mich nicht mehr so lieb haben wie gestern abend. Ich suche noch ganz lange ob ich nicht irgendwie nach Hause finde aber ich finde einfach nicht zurück. Es wird inzwischen dunkel und Gino ist bestimmt schon daheim und merkt dass ich nicht mehr da bin. Oh, mann! Ich bin so blöde! Geknickt setze ich mich an eine Haltestelle und versuche nicht mehr ganz so schlimm zu flennen. Als ein Bus an die Haltestelle kommt hält er und der Fahrer macht die Tür auf. "Wo willst du denn hin Junge?" fragt er und ich sage ihm wo ich wohne und wo die Haltestelle von vor unserer Tür ist. Der Busfahrer denkt etwas nach und dann sagt er: "Du fährst am besten sieben Haltestellen mit mir und dann kannst du in die Linie umsteigen die zu deiner Haltestelle fährt. Schneller wäre es wenn du nur eine Haltestelle mit mir fährst aber dann müsstest du noch zwei mal umsteigen." Ich bin begeistert. Ich steige in den Bus ein und gebe dem Fahrer von dem Geld das ich für Ginos Uhr eingesteckt habe um mir die Fahrkarte zu kaufen. Ich setze mich ganz vorne neben den Fahrer und frage ihn ständig ob ich denn schon austeigen müsste. Ich kann ja nicht wirklich bis sieben zählen. Also ich kann das schon aber halt nicht wenn ich so langsam zählen soll. Ich komme da halt durcheinander. Der Busfahrer ist aber sehr nett und er funkt sogar extra für mich seinen Kollegen an damit der Bus der zu mir nach Hause fährt auf mich wartet. Ich muss nur ein ganz klein wenig rennen. Auch dieser Busfahrer ist sehr lieb. Er verrät mir dass ich mir keine neue Fahrkarte kaufen muss sondern dass meine noch gilt. Ich brauche nur einmal bezahlen und darf mit beiden Bussen mit fahren. Da bin ich sehr froh drüber. Ich weiss ja nicht ob so eine Fahrkarte teuer ist oder nicht. Hoffentlich schimpft mich Gino gleich nicht. Ich habe ehrlich gesagt richtig Schiss davor ihm gleich unter die Augen zu treten. Nur sehr zögerlich gehe ich von der Haltestelle heim. Diesen Busfahrer brauchte ich nicht ständig fragen weil diese Strecke mir bekannt ist. Ich bin sogar an der richtigen Haltestelle ausgestiegen. Doch nun traue ich mich nicht nach Hause. Zu Hause ist das Licht an. Gino ist also da. Das ist auf der einen Seite sehr gut weil ich keinen Schlüssel mitgenommen habe, auf der anderen Seite wäre ich lieber zu Hause ohne dass er merkt dass ich weg war. Ich warte ein wenig auf der anderen Strassenseite und da kommt Chris. Er sieht mich und ich habe ein furchtbar schlechtes Gewissen. Chris sagt zu mir: "Weisst du eigentlich wie schrecklich es für Gino ist dass du weggelaufen bist?" Ich schüttel meinen Kopf. Woher soll ich das denn wissen? Ich habe ja noch gar nicht mit ihm geredet. Chris sagt mir: "Sieh zu dass du so schnell wie möglich und so weit wie möglich wegläufst. Gino ist sehr traurig dass du weg bist und ich möchte nicht dass du ihn noch trauriger machst! Du bist ein furchtbarer Freund." Nun muss ich ganz furchtbar weinen. Ich liebe Gino doch. Natürlich bin ich weggelaufen aber doch nicht um Gino zu ärgern oder so. "Lauf!" befiehlt mir Chris und ich sehe zu dass ich die Beine in die Hand nehme und weg renne. Ich renne nicht weit. Nur so weit dass Chris mich nicht mehr sieht. Dann kehre ich um und stelle mich in den Hauseingang gegenüber von unserem Haus. Hier im Dunkeln kann mich keiner sehen aber ich kann warten bis Chris unsere Wohnung verlässt. Dann kann ich schellen. Leider fängt es nun an zu regnen. Ich ziehe mir die Kaputze tief ins Gesicht aber bald kriecht die Feuchtigkeit und damit auch die Kälte in meine Kleidung. Völlig durchnässt und verfrohren schelle ich doch bei uns. Mir ist es egal dass Chris noch bei Gino ist. Ich will nur noch nach Hause. Gino ist zum Glück an der Tür und er kommt mir die Treppen entgegengelaufen. "Mein Gott Jaron! Wo warst du?" fragt er mich während er mich in eine innige Umarmung zieht. "Vor der Tür." gebe ich kleinlaut zu. "Wieso das denn?" fragt Gino und ich verrate ihm weinend: "Chris hat gesagt ich soll weglaufen weil ich dich traurig gemacht habe. Ich will aber nicht von dir weg. Ich hab dich doch lieb." Nun nimmt mich Gino mit in unsere Wohnung und schmeisst Chris raus. Ich weiss zwar nicht warum aber Gino ist sehr wütend mit Chris. Ich gehe ins Bad und lasse mir das Badewasser ein. Schön warm mache ich das und dann kommt Gino und bringt mir meinen dicken flauschigen Schlafanzug. Gino ist so lieb und hat noch eine Tasse heissen Kakao dabei. Ich ziehe mich rasch aus und Gino auch. Wir setzen uns in die Wanne und ich darf den leckeren Kakao geniessen. Gino wäscht mir die Haare und er sagt mir dass er mich immer noch sehr lieb hat und gar nicht wütend ist dass ich weggelaufen bin. Als ich ihm beichte dass ich ihm eigentlich nur eine neue Uhr kaufen wollte mich dann aber do blöd verlaufen habe sagt mir Gino dass ich ihm leid tue. "Weisst du Schatz, wir sollten gemeinsam einkaufen gehen. Und wenn du mir ein Überraschungsgeschenk machen möchtest dann bleibe ich gerne vor dem Geschäft stehen oder mache die Augen zu während du einkaufst. Aber alleine solltest du nirgends hin gehen, ok?" Ich nicke und bin froh so einen lieben Gino als Freund zu haben. Ich glaube jeder andere hätte mich ordentlich vertrimmt weil ich so lange weg war.
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Selig sind die hoffnungslosen, denn sie werden nicht enttäuscht.
SonstigesJaron lebt seit er denken kann im Schatten seines Bruders Noah. Noah ist intelligent, sieht gut aus, ist beliebt und der ganze Stolz seiner Eltern. Jaron ist Jaron. Er träumt gerne und im Traum kann er lesen und rechnen, dann hänseln ihn nicht alle...