Ich hasse Menschen. Ich habe wirklich keine Ahnung weswegen ich mich mit ihnen abgeben muss. Ständig habe ich Menschen um mich herum und das macht mir keinen Spaß. Seit dem meine Eltern tot sind lebe ich in einem Kinderheim. Das ist so schrecklich. Ich habe Tag und Nacht andere Kinder um mich herum und ich kann Ihnen kaum entfliehen. Ich glaube ich bin anders als alle anderen. Zumindest fühle ich mich so. Ich bin am liebsten alleine und selbst wenn andere nur im selben Raum wie ich sind fühle ich mich unwohl. Ich hätte es vorgezogen mach dem Tod meiner Eltern zu Hause zu bleiben. Aber leider wollten die Erwachsenen es nicht. Sie haben gesagt dass ich noch zu jung sei um alleine klar zu kommen. Doch da täuschen sie sich. Seit dem ich denken kann lebe ich mehr oder weniger alleine. Meine Eltern waren beruflich viel unterwegs und sind nur selten heim gekommen. Ich habe sie kaum gekannt und war auch nicht sonderlich traurig als sie mit ihrem Flugzeug abgestürzt sind. Die Polizistin, die mir gesagt hat dass meine Eltern tot sind, hat wegen meiner Reaktion ganz schön blöd geguckt. Seit einem halben Jahr lebe ich nun im Heim und die Sommerferien waren die Hölle. Ich hätte mich so gerne einfach nur zurück gezogen. Den Wolken beim ziehen beobachtet und den Grillen beim zirpen zugehört. Doch ständig wurde ich gezwungen an irgendwelchen Veranstaltungen für Jugendliche teilzunehmen. Dadurch war ich diesen Sommer in Südfrankreich anstatt zu Hause. Ich wäre lieber zu Hause geblieben weil alle Kinder aus dem Heim ebenfalls mit mir in Südfrankreich waren. Das war grauenhaft. Ständig und überall Lärm. Und nun beginnt ein neues Schuljahr. Es wird genau so schrecklich wie alle anderen davor. Ich bin nicht dumm. Was die mir in der Schule beibringen lerne ich schnell. Ich glaube ich bin ziemlich intelligent. In meiner Klasse bin ich der Beste. Ich verstehe nicht wieso die anderen es nicht können. Ich meine die Lehrer erklären es mehr als einmal und man darf sogar Fragen stellen wenn man es mal nicht verstanden hat. Dennoch schaffen es die wenigsten die Aufgaben korrekt zu lösen. Und die Aufgaben die wir bekommen sind nicht wirklich schwer. Trotzdem flehen mich meine Klassenkameraden manchmal an dass ich sie meine Hausaufgaben abschreiben lasse. Meistens lasse ich sie abschreiben weil sie mich dann in Ruhe lassen. Doch häufig klappt das nicht gut. Ständig gehen sie mich an, finden es witzig mir ein Bein zu stellen, meinen Turnbeutel zu verstecken. Sie nehmen mir mein Essen weg und ich bin froh dass ich kein Geld habe, sonst würden sie mir das auch weg nehmen. Ich bin wohl das typische Opfer: Klein, dürr, intelligent und irgendwie anders. Selbst die Mädchen mögen mich nicht und auch vor ihnen muss ich auf der Hut sein dass sie mich nicht verletzen. Ich hasse sie. Ich hasse jeden einzelnen aus meiner Klasse und jeden aus meinem Heim. Am liebsten würde ich weglaufen und irgend wo leben wo niemand sonst ist. Jetzt aber schleppe ich mich zur Schule und hoffe dass es nicht so schlimm wird. Dass sie mal zur Abwechslung jemand anderen piesacken. Erstaunt stelle ich fest dass auf meinem Stammplatz schon jemand sitzt. Ich sitze immer direkt vor dem Lehrerpult weil ich da am wenigsten von der Klasse mit bekomme. Dort, unter den mehr oder weniger wachsamen Augen der Lehrer können Sie mir nicht zu schlimm weh tun. Ich hatte noch nie jemanden neben mir sitzen und ich lege auch keinen gesteigerten Wert da drauf. Da es schellt setze ich mich auf den Platz daneben und bin gespannt wer sich gleich neben mich setzt. Die Tür geht auf und Herr Brandt kommt herein. Er grüßt ins und nach dem üblichen Geplänkel wie denn unsere Ferien waren und ob wir alle gut erholt seien liest er unseren Stundenplan vor. Er kündigt es an aber ein zaghaftes Klopfen unterbricht ihn. Ein Junge mit den blausten Augen die ich jemals in meinem Leben gesehen habe steckt ängstlich seinen Kopf herein. Der Junge traut sich offensichtlich nicht rein zu kommen und Herr Brandt macht sich ein wenig über ihn lustig. Der Junge traut sich schließlich doch herein und er hat seine Hose offen. Ich wundere mich weshalb er sie nicht schließt. Er kommt auf mich zu und ist wahrscheinlich mein Sitznachbar. Schade, eigentlich, denn würde er seitlich von mir sitzen könnte ich besser in seine blauen Augen schauen. Doch neben mir ist besser als hinter mir denke ich zufrieden. Der Junge schaut mich erstaunt an und sein leicht geöffneter Mund lassen ihn jünger erscheinen als er wahrscheinlich ist. Er guckt nicht er starrt als würde er mich kennen. Aber ich weiß dass ich ihn nicht kenne. So einen wie ihn würde ich doch nicht übersehen, oder? Unser Lehrer zitiert ihn nach vorne damit er sich der Klasse vorstellen möge. Ich hätte es spannend gefunden zu wissen wie der hübsche Junge heißt, doch weil sich der neugierige Ausdruck auf seinem Gesicht in einen panischen wandelt und er wimmernd nach vorne schleicht wünschte ich ich könnte ihn davor bewahren. Was nun mit ihm passiert sind die schrecklichsten Minuten meines Lebens. Klar hab ich mir vorhin gewünscht dass mal jemand anders als immer nur ich geärgert wird. Aber was die Klasse und Herr Brandt da mit Jaron abziehen ist schrecklich. Sie zwingen ihn zu sagen dass er dumm sei. Er windet sich und weint weil sie ihn auslachen weil er seine Hosen festhält anstatt zu schließen. Als mir bewusst wird dass er sie nicht schließen kann gehe ich zu ihm und helfe ihm. Ja, ich. Ich, der Menschen nicht mag helfe diesem armen Jungen. Warum? Weil ich es kann. Ich kann für ihn das Martyrium beenden und das mache ich auch. Ich nehme Jaron mit nach draußen. Der kleine Kerl schüttelt sich vor Kummer. Es war alles andere als fair was die mit ihm gemacht haben. Ich gehe mit dem Kleinen erst einmal nach draußen. Bloß weg von diesen entsetzlich eingebildeten Fatzkes. Ich wünschte ich könnte diesem traurigen, zarten Wesen helfen. Er sieht so niedlich aus und er ist so unglücklich. Ich weiß dass es nicht fair ist und ich die Situation ausnutze aber ich halte das traurige Bürschchen eng umarmt. Ich stehe ihm bei und lasse ihn seinen Kummer von der Seele reden. Ich fasse den Kleinen an, wuschle durch sein herrlich weiches Haar, schmuse mich seinen Rücken rauf und runter und zu guter letzt gebe ich ihm einen Kuss. Der Kleine scheint sich darüber zu freuen und er küsst mich zurück. Nun bin ich es der sich freut. Ich hoffe dass er es ernst meint und er mich mag. Doch in meinem Inneren schreit mir mein Gewissen zu dass der Kleine mich nur küsst damit er nicht alleine ist.
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Selig sind die hoffnungslosen, denn sie werden nicht enttäuscht.
De TodoJaron lebt seit er denken kann im Schatten seines Bruders Noah. Noah ist intelligent, sieht gut aus, ist beliebt und der ganze Stolz seiner Eltern. Jaron ist Jaron. Er träumt gerne und im Traum kann er lesen und rechnen, dann hänseln ihn nicht alle...