12 Gino

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Jarons Lächeln ist aufrichtig. Er freut sich darüber dass ich da bin. Das macht mir ein ganz warmes, kribbeliges und schönes Gefühl in meinen Bauch. Noch nie hat sich jemand gefreut dass ich einfach nur da bin. "Gino!" jubelt Jaron fröhlich. Jaron sieht furchtbar aus. Er hängt an unendlich vielen Kabeln und beide Arme sind in Gips. Die Arme stehen im Winkel von seinem Körper ab und sie sind hoch gehängt. Jaron ist in einer halb sitzenden Position und es sieht alles andere als bequem aus. Um Jaron herum sind ganz viele Aperate und sie piepsen alle. Auf einem Monitor über Jarons Kopf kann man Jarons Herzschlag sehen. Jarons Herz schlägt wunderbar regelmässig. "Ich bin so froh dass du da bist. Ich hab gedacht dass ich vor Langeweile sterben muss." grinst Jaron. Ich setze mich zu ihm ans Bett und ich hole ihm meinen Riesenmonchichi aus meinem Rucksack. Jaron schaut mich verwundert an. "Das ist mein Chichi. Der hat bisher jede Nacht mich beschützt." erkläre ich Jaron. Obwohl das ein wenig geflunkert ist. Chichi hat die letzten beiden Jahre im Regal gewohnt und nicht mehr bei mir im Bett. Aber immerhin durfte er als einer der wenigen Stofftiere mit ins Heim ziehen. "Ich dachte dass du ihn besser gebrauchen kannst als ich, weil dein Teddy futsch ist." Jaron schaut mich nun unglaublich traurig an. Er weint sogar ein bisschen. "Hast du Teddy gesehen?" fragt er und seine Tränen laufen nun ungehindert die Wangen hinab. Ich nicke und erzähle ihm dass Teddy bei mir ist. "Ich hab ihn in Sicherheit gebracht, weisst du." sage ich und kann mir vorstellen dass seine sogenannte Familie den heiss geliebten Bären wahrscheinlich weggeworfen hätte. Nun strahlt Jaron und weint aber noch mehr. "Das hast du für uns gemacht?" schnieft er. "Danke, danke, danke!" sagt er. Damit er sich ein bisschen beruhigt lasse ich ihn sich die Nase putzen und ich wische ihm die Tränen weg. Jaron fragt mich ängstlich: "Teddy hat Feuer gefangen. Ist er doll kaputt?" Ich nicke nachdenklich. Soll ich ihm das Ausmaß der Katastrophe wirklich sagen? Ich denke dass ich da nix dran schön reden kann. "Teddy hat noch sein Gesicht und ich glaube den Bauch werde ich auch retten können." sage ich nachdenklich. Jaron starrt mich entsetzt an. Ich lächle obwohl ich gerne weinen würde. Für Jaron scheint der Teddy alles zu bedeuten. "Ich hab dein Geschenk zerstört." jammert Jaron tonlos. Ich streichle ihn beruhigend. "Wie ist denn das passiert?" frage ich neugierig und Jaron erklärt mir dass er gerne für mich Karamellbonbons kochen wollte. Dabei hat sein Teddy zugeschaut und dann hat er wohl versehendlich Feuer gefangen. Er sass zu nahe an der Gasflamme. Jaron ist sehr geknickt. "Nun hab ich gar nichts mehr für dich zum Geburtstag." sagt er enttäuscht. Ich streichle ihn fester und ich sage: "Ich bin froh dass du noch lebst. Das reicht mir als Geburtstagsgeschenk. Was ist eigentlich mit dir passiert dass du beide Arme gebrochen hast?" Jaron erzählt mir eine völlig abstruse, abenteuerliche Phantasiegeschichte. Drachen, Riesen und sein Teddy kommen darin vor. Die Geschichte ist wirklich spannend aber sie ist nicht wahr. Ich schaue Jaron an und er erzählt so ernst, so inbrünstig, dass ich den Eindruck habe dass er wirklich glaubt dass es sich so ereignet hätte. Nachdem Jaron mir die Geschichte erzählt hat schaut er mich so richtig müde an. Er schaut dabei richtig traurig. Ich streiche ihm über seine Stirn und frage: "Was ist los?" Jaron schaut geknickt und er sagt: "Ich bin müde aber du bist doch da." Er meint wohl dass er nicht schlafen dürfe weil ich hier bin. Ich lächle ihn an und sage: "Du darfst schlafen auch wenn ich da bin." Jaron nickt und er schliesst die Augen. Er sieht ganz friedlich aus, wie er da so liegt. Nur leider gar nicht wie ein sechzehnjähriger Junge. Er ist zwei Jahre älter als ich aber er sieht viel jünger aus. Vielleicht höchstens wie zwölf oder so. Nach ein paar Sekunden öffnet Jaron seine Augen schon wieder. "Kannst du dich neben mich legen?" fragt er schüchtern. Ich nicke und er rückt etwas zur Seite. Das sieht gar nicht mal so einfach aus, weil er ja beide Arme in Gips hat. Ich lege mich zu ihm und Jaron legt seinen Kopf an meine Schulter. Das ist so unbequem! Jaron jammert auch dass er so nicht schlafen kann. Wir probieren hin und her und dann schnaubt Jaron frustriert und rollt sich auf die Seite. Ich glaube er weint. Ich lege mich hinter ihn und umarme ihn einfach. "Schschschsch.... nicht weinen." versuche ich meinen Freund zu beruhigen. Jaron schaut mich aus glasigen Augen an. "Ist es so bequemer?" frage ich ihn leise und Jaron nickt. "Aber Teddy" schluchzt er. "Dein Teddy ist bei mir zu Hause. Dafür habe ich Chichi mitgebracht." Ich lege Chichi an Jarons Gesicht und er drückt seine Nase in mein Kuscheltier. "Der riecht ganz lecker." sagt Jaron verträumt. "Nach dir" schiebt er hinterher und schläft lächlelnd ein. Ich halte meinen Freund umarmt und mache mir Gedanken um ihn. Was wird wohl aus ihm werden wenn er wieder gesund ist? Muss er dann wieder in seine Familie? Werden die ihm weiter so weh tun? Ich hoffe so sehr dass Jaron nicht weiter der Willkür seines Vaters ausgesetzt sein wird. Ich wünsche dass er bei mir ins Heim ziehen darf. Das fände ich schön. Ich stelle es mir toll vor mir mit Jaron mein Zimmer zu teilen und nie mehr von ihm getrennt zu sein. Mit diesen wunderbaren Gedanken schlafe ich neben Jaron ein.

Selig sind die hoffnungslosen, denn sie werden nicht enttäuscht. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt