Der Traum vom Rennen

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Die Stadt Rose Wood war ein Ort voller Geheimnisse und Abenteuer. Die Straßen waren gesäumt von alten Bäumen, deren Blätter im Wind flüsterten, als würden sie Geschichten aus längst vergangenen Zeiten erzählen. Die Nachbarschaften waren eng verbunden, und jeder kannte jeden. Doch unter der Oberfläche der Idylle brodelten die Geheimnisse, auf die Alec und ich immer wieder stießen.

Während die Sonne hinter den Hügeln verschwand und die Dunkelheit hereinbrach, verwandelte sich die Stadt in einen Schauplatz für unsere nächtlichen Streiche. Wir schlichen uns aus unseren Häusern, ausgestattet mit Taschenlampen und einem unersättlichen Drang nach Abenteuer. Wir fühlten uns unbesiegbar, als wir durch die Gassen schlichen, auf der Suche nach dem nächsten großen Abenteuer.

„Komm schon, Meghan! Lass uns zum Platz gehen!", rief Alec mit einem Funkeln in den Augen. „Es wird sicher Spannendes passieren!"

Der Platz war bekannt für seine aufregenden Autorennen, aber es war auch der Ort, an dem wir uns mit anderen Kindern trafen, die in derselben Nachbarschaft lebten. Es war eine Mischung aus Nervenkitzel und Gemeinschaft, die die Nacht lebendig machte. Wir beobachteten die älteren Jugendlichen, wie sie mit ihren schnellen Autos um die Kurven rasten. Das Geräusch der Motoren gellte durch die Nacht, und wir fühlten uns wie Teil eines großen, geheimen Clubs.

Trotz des Abenteuers, das uns umgab, gab es auch eine ständige Bedrohung: die Angst vor Entdeckung. Unsere Eltern hatten uns gewarnt, und die Vorstellung, erwischt zu werden, verlieh unseren nächtlichen Ausflügen einen zusätzlichen Nervenkitzel. Wir waren die Rebellen, die gegen die Regeln ankämpften, und das machte unser Band nur stärker.

Und jedes mal, wenn wir waren waren, verweilte ich für einige Sekunden in die Erinnerung an unser erstes Mal hier ...


„Na komm schon, Meg! Versuch doch wenigstens, nicht so laut zu sein." Alec blickte zu mir, während wir uns in der Dunkelheit schlichen. „Ja, ich versuch's doch. Ich bin aber so aufgeregt, weißt du. Eigentlich haben es unsere Eltern ja verboten", gestand ich mit gesenktem Blick.

Er nahm mein Gesicht in seine großen Hände – nicht auf die romantische Art, wie ihr es euch jetzt vielleicht vorstellt; wir waren schließlich noch Kinder. Er drückte mein Gesicht so fest zusammen, dass ich wie ein Fisch aussah, der ihn mit großen Augen ansah.

„Hey, das ist alles gar nicht so schlimm. Uns passiert doch gar nichts. Ich passe doch auf uns auf. Und außerdem wird das hier doch niemand erfahren. Ich hab doch Geburtstag, Meg. Also ist doch alles okay!" Seine grünen Augen stachen in mich, durchdrungen von Hoffnung und Zuversicht. In diesem Moment konnte ich nicht anders, als zu schweigen. Ich konnte ihm meine innere Unruhe nicht gestehen.

„Du vertraust mir doch, oder?" fragte er frustriert und ließ gleichzeitig mein Gesicht los, das sich schon taub angefühlt hatte. Doch er hielt seinen Blick fest auf mir.

„Ja, Alec, ich vertraue dir."

„Na dann los, das Rennen fängt gleich an!" rief er begeistert und zog mich mit sich.

Ach, Alec. Die Geräusche der jubelnden Menge und der aufheulenden Motoren wurden lauter, je näher wir dem Platz kamen. Alec ließ meine Hand nicht los. In diesem Moment brauchte ich seinen Halt, denn mein 8-jähriges Ich hatte solche Bauchschmerzen, weil ich mich heimlich aus dem Haus geschlichen hatte. Meine Eltern dachten, ich läge friedlich schlafend in meinem Bett.

Das Rausgeschleichen war eine kleine Prozedur! Pünktlich um 21:45 Uhr sollte ich an meinem Fenster stehen. Alec wartete bereits auf mich. Wie er es schaffte, sich unbemerkt rauszuschleichen, weiß ich bis heute nicht. Mein Zimmer lag zwar im Erdgeschoss, sodass ich einfach durch das Fenster klettern konnte, aber die Ohren meiner Eltern waren überall. Sie hörten einfach alles. Ich hatte solche Angst, dass sie mein Herzklopfen hören würden.

„Alec, was soll ich tun? Was, wenn meine Eltern reinkommen und sehen, dass ich nicht da bin? Oder sie uns jetzt gerade hören, wie wir versuchen, uns rauszuschleichen?" flüsterte ich panisch.

„Meg, du machst dir viel zu viele Sorgen. Leg einfach ein paar Kissen so hin, dass es aussieht, als würdest du drin liegen. Sie werden uns schon nicht hören. Beeil dich, sonst verpassen wir den Startschuss!" Wie ich bereits erwähnt hatte, gegen Alec konnte man nicht widersprechen. Selbst wenn seine Idee heute unsicher und fürchterlich war, fand ich sie damals genial.

Zehn Minuten später standen wir also auf dem Platz. „Schau mal da! Wir müssen versuchen, noch weiter nach vorne zu kommen."

„Noch weiter? Alec, die Leute schauen uns schon komisch an. Wir als Kinder haben hier gar nichts zu suchen! Ich finde, es ist keine gute Idee, uns jetzt noch in die erste Reihe zu drängen", versuchte ich ihn zu überzeugen. Aber wie gesagt, gegen Alejandro Sanchez hatte man keine Chance. Alec sah mich mitleidig an: „Bitte. Ich hab doch gesagt, ich pass auf uns auf! Es passiert schon nichts, sollen die doch gucken, wie sie wollen." Manchmal hatte er so viel Selbstbewusstsein, dass ich mich fragte, wo das in seinem kleinen Körper Platz fand.

Also drängten wir uns langsam aber sicher nach vorne. Alec ließ mich nicht eine Sekunde los. Wenn er sagte, er passe auf uns auf, dann tat er das auch. Wir hockten uns auf den Boden und pressten unsere kleinen Gesichter durch die Gitterstäbe der Absperrung, die die Menge von den Autos abgrenzte.

Die beiden Autos nahmen ihre Position an der Startlinie ein und ließen ihre Motoren aufheulen. Ein Mädchen mit langen blonden Haaren und einem viel zu kurzen Rock stellte sich zwischen die beiden Autos in die Mitte. Sie zog sich ihr rotes Oberteil über den Kopf, und die Menge – vor allem der männliche Teil – jubelte und pfiff.

Alec beobachtete alles fasziniert. Es war, als würde er versuchen, jeden einzelnen Moment festzuhalten.

„Gentlemen. Startet. Die. Motoren", rief Miss Blondie, und die jubelnde Menge und die aufheulenden Motoren wurden noch lauter. Alec's Gesichtsausdruck war kaum zu beschreiben. Freude, Glück und Aufregung spiegelten sich darin wider. „Meg, hörst du das! Die Autos hören sich voll cool an. Eines Tages habe ich auch so ein Auto. Ich werde Rennen fahren, und du wirst mich anfeuern!"

„Wie? Du und Rennen fahren? Und ich soll dich anfeuern? Das ist doch viel zu gefährlich."

„Das ist mein Traum. Der beste Rennfahrer in Rose Wood zu sein. Mit dem krassesten Auto, das es gibt, und alle beneiden mich! Und das einzig Gefährliche, das werde ich sein", sagte Alec und hob sein Kinn so hoch, dass man nicht anders konnte, als sein unerschütterliches Selbstvertrauen zu bewundern.

„Hmm. Na dann viel Glück dabei, Alec."

„Diese Art von Glück brauche ich nicht. Denn egal welches Rennen ich fahren werde, mein einziger Glücksbringer, der ich brauche, wird immer dabei sein."

Ich sah ihn verwirrt an.

„Du, Meg. Du bist mein Glücksbringer."

Second Chance -pausiert-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt