Mom's Schwester

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Tik. Tak. Tik. Tak.

Eine Uhr funktionierte immer gleich. Eine Sekunde war immer gleich lang. Eine Minute war immer gleich lang. Eine Stunde war immer gleich lang.

An ihr war nichts zu ändern, sie hatte ihre Funktion und erfüllte diese stets. Klar, blieb auch eine Uhr einfach mal stehen, aber selbst dann, wenn man die Batterie wechselte, kehrte sie in ihren urpsprünglichen Zustand und sie lief wie gewohnt weiter.

Wieso war das bei uns Menschen nicht so? Irgendwann kommt jeder an dem Punkt, an dem er keine Energie mehr hat. Man kann unseren Akku nicht einfach austauschen, sodass man wieder in den vorigen Stand gesetzt wird.

Die Uhr auf die ich starrte, gegenüber von mir, zeigte, dass es bereits später Nachmittag war. Es war kurz vor 5 Uhr. Ich saß im Gang des momentan leeren Krankenhauses wartete auf Mom. Dad hatte sie hier abgelassen, da sie einen Termin zur Untersuchung ihrer Werte hatte, und bat mich, sie dann wieder von hier abzuholen. Er hatte wohl keine Zeit dafür.

So saß ich da, meinen Kopf auf meinen Handflächen gestützt und beobachtete die jeweils einzelnen Menschen die sich in meinem Umkreis befanden. Ein Mann und eine schwangere Frau spazierten diesen Gang immer wieder langsam auf und ab. Anhand der Tatsache, dass sie alle 6 Minuten eine kurze Pause einlegen musste, schloß ich, dass sich der Spross der beiden wohl langsam bereit auf dem Weg zur Welt machte. Es war süß, wie ihr Mann versuchte sie unterstützen und ihr den Halt gab, denn sie brauchte.

Auf der anderen Seite des Flures stand ein Mann gestützt an einem Rollator, begleitend von einem Infusionsständer. Ich schätze ihn aufgrund seines Aussehens her auf mitte 70, doch seinem Auftreten her, hätte er auch als 90 Jähriger durchgehen können. Er atmete sehr schwer, und jeder Schritt tat ihm vermutlich bis in die Knochen weh. Ich empfand Mitleid für ihn. Ich fragte mich, was er hier so allein suchte, bis einige Sekunden später eine Frau, etwa um die 40, in begleitung von zwei Kindern hinter ihn auftauchte. ,,Dad, wo warst du? Ich hab doch gesagt, du sollst da sitzen bleiben".

Obwohl die Stimme der Frau bestimmend war, legte sie sehr sanft ihren Arm um ihren Vater und schob in langsam richtung Cafeteria. Ich hörte noch, wie der alte Mann etwas sagte wie, dass er sich leider nicht mehr daran erinnerin konnte. Ich tippte auf Alzheimer.

Ein Krankenhaus ist ein mysteriöser Ort. Menschen erlebten hier den schönsten, schlimmsten, ersten und vermutlich letzten Tag ihres Lebens. Mich beschäftigte vorallem letzteres. Ich weiß, dass auch eines Tages Moms letzter Tag da sein wird. Ich versuche mir so wenig Gedanken, wie möglich darüber zu verschwenden, doch dennoch ist er da. Und ich weiß auch, dass der Tag, an dem Mom mich verlässt, der Tag sein wird, an dem ich vollkommen zerbrechen werde.

Bevor ich noch einen weiteren Gedanken fassen konnte, ging die Tür des Sprechzimmers schräg gegenüber auf. Ich blickte zu meiner lachenden Mom. Und zu Mrs. Sanchez. Ich stand langsam auf und schritt auf die beiden zu. Obwohl ich Alecs Mom bereits begegnet war, fühlte es sich dennoch komisch an. Vorallem, da ich mich fragte, was sie hier zu suchen hatte.

Mom bemerkte mich zuerst. ,,Hallo Schatz, ich hoffe du wartest nicht schon lange?". Mom gab mir eine Umarmung, welche ich kurz erwiederte. ,,Nein, alles Gut Mom. Hallo, Mrs. Sanchez".

Alecs Mom grüßte mich zurück und entschuldigte sich dafür, Mom so lange aufgehalten zu haben. Ich lächelte zwar, zog aber dennoch leicht eine Augenbraue in Höhe. Mir war erst jetzt der weiße Kittel und die Medizinschuhe an ihr auffgefallen. Arbeitete sie hier?

Ich winkte auf ihre ,,Entschuldigung" nur ab, und teilte Mom mit, dass wir jetzt los müssten. Mom nahm ihre Hand von meiner Taille und blickte mich nur verwirrt an. ,,Ach ja? Wieso denn?".

Mom hatte wohl gemerkt, dass ich mich ihrere Freundin gegenüber etwas unbehaglich fühlte.

,,Weil... ehm ... nun jaa... du weißt doch ... diese Sache, Mom. DIESE Sache .....". Oh Gott. Ich hörte mich total des Sinnes verlassen an. Mir fiel einfach nichts ein. Mom sah mich nur misstrauisch an, ging jedoch darauf ein.

,,Ah jaa ... Sag doch gleich, Spatz. Isabell, es tut mir leid. Wir sehen uns nächte Woche". Wir verabschiedeten uns schnell voneinander und lief vorraus, in der Hoffnung, Moms Frage aus dem Weg gehen zu können. Dies funktionierte auch ganz gut. Für etwa ganze 3 Minuten.

Ich stieg in das Auto ein, und sobald auch Mom sich hatte auf dem Sitz fallen lassen, legte sie los. ,,Was ist los?". Ihr Blick stach sogar von der Seite aus. Ich nahm meine Hand von dem Schlüssel der bereits in der Zündung steckte.

Mom's sind in Wahrheiten Lügendetektoren. Daher brachte es jetzt auch nichts, sie anzulügen.

,,Ich finde es komisch, dass ihr befreundet seit."

,,Weißt du Schatz, es tut mir gut, mit jemanden befreundet zu sein und reden zu können. Auch wenn es Alec's Mom ist". Sie blickte mich nur vielsagend an. Ich spreitze meine Lippen und setzte an etwas zu sagen, doch sie kam mir zuvor.

,,Ich weiß, dass es das ist was dich stört. Auch wenn momentan zwischen euch beiden nicht alles so rosig erscheint, bin ich mir sicher, dass das wieder wird. Und Isabell sieht das genauso".

,,Du hast mit ihr darüber gesprochen ?!". Ich war kurz davor einen Herzinfarkt aufgrund von erhöhter Peinlichkeit zu erleiden.

,,Meghan, ihr seit unsere Kinder. Natürlich unterhalten wir uns über euch. Isabell findet es nämlich ebenso schade, dass es bei euch beiden so in die Brüche gegangen ist. Ihr beide braucht euch". Dieses Gespräch nahm eine völlig falsche Wendung an.

,,Mom. Es geht nicht um Alec. Okey, zumindest nicht ganz. Wieso hast du Dad nichts davon erzählt?". Sie versuchte nun meinem Blick auszuweichen. Sie verheimlichte etwas.

,,Hör zu Spatz. In der Vergangenheit, ist nicht alles so verlaufen, wie es hätte sein sollen. Ich weiß, das hört sich jetzt komisch an, aber bitte stell für den Moment einfach keine Fragen. Und ja ich weiß, es ist nicht fair von mir, dass du Dad belügen musst. Ich möchte einfach das du weißt, dass Dad momentan einfach nicht gut auf die Sanchez zu sprechen ist. Ich würde aber gerne weiterhin mit Isabell befreundet bleiben, es lässt sich sowieso nicht umgehen, dass wir uns treffen. Sie ist immerhin meine zugewiesene Krankenschwester".

Das waren gerade sehr viel Informationen aufeinmal. Alec's Mom war die Krankenschwester meiner Mom? Das Dad auf Alec nicht gut zu sprechen ist, weiß ich. Aber auf alle Sanchez? Warum nur?

Anstatt auf Mom einzugehen, drehte ich den Schlüssel und fuhr los. Ich wusste nicht genau, was ich dazu sagen sollte. Mom beließ es ebens dabei.

Ich war gerade dabei im Eingang der Tür meine Jacke und Schuhe auszuziehen, als es an der Tür bereits klingelte. Mom und ich sahen uns verwundert an. Ich öffnete die Tür und eine fröhlich grinsende Miley trat ein. Sie ließ mich nicht einmal zu kommen, ihr ein nettes Hallo zu entegegnen.

,,Today it's Partytime!".

Second Chance -pausiert-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt