Nachsitzen

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Alec POV


,,Wo waren Sie gestern, Mister Sanchez?". Nun saß ich da. Es war halb 3 Nachmittags, die Schule war aus und ich konnte mir demnächst eine Standpauke von Mister Ryan anhören, dass ich gestern nicht zum Nachsitzen erschienen bin.

Und die Tatsache, dass Meghan genau neben mir, einen halben Meter entfernt saß -obwohl sie sich von den 28 anderen Plätzen einen hätten aussuchen können- machte es nicht besser.

,,Es Tut mir leid Mister Ryan, es wird nicht wieder vorkommen". Ich saß an der Rückenlehne angelehnt und spielte in meinem Händen mit einem Kugelschreiber herum. Ich interessierte mich nicht wirklich für seine Anschuldigungen.

,,Sie haben meine Frage nicht beantwortet". Dieser Drecksack ließ aber nicht locker.

,,Ich-" ,,Er hatte einen Arzttermin. Es ist meine Schuld, ich hatte vergessen Ihnen Bescheid zu geben". Sprachlos blickte ich zu Meghan rüber, doch sie widmete ihren Blick unserem Lehrer. Wieso nahm sie mich in Schutz? Das konnte ich ja wohl auch alleine regeln.

Mister Ryan wollte ebenso ansetzten ihr zu Antworten, als Meghan ihren unschuldigsten Hundeblick spielen ließ. Er seuftze und sagte:,, Na gut. Ich will nicht, dass Sie nochmal unentschuldigt fehlen".

Hmm, ich nehme meine Aussage von vorhin zurück.

,,Ich sollte Sie in Kenntnis setzten, dass Mister Garcia nicht am Nachsitzen teilnehmen wird. Er wurde von der Strafe befreit". Ich setzte mich sofort auf.

,,Was? Wieso?". Er nahm hinter seinem Tisch Platz und richtete seine Krawatte. ,,Ich schätze, dass geht weder Sie noch mich etwas an, Mister Sanchez". Sein Blick verriet mir, dass ich nun lieber meine Klappe halten sollte, sonst würde ich mir noch mehr Nachsitzen einbrocken.

Ich konnte mir die Antwort schon denken, der Wichser hatte den Rektor gekauft. Typisch. Ich lachte nur auf und schüttelte meinen Kopf. Dummerweise, fing ich wiedereinmal Meghans Blick auf.

Ich wusste was sie vorhat. Ich kannte sie gut. Schon viel zu gut. Sie wollte, dass wir uns wieder anfreunden, deswegen die Aktion vorhin. Außerdem verrieten mir ihre Augen alles. Sie war verletzt, dass ich ihr Gegenüber so kalt war, aber auch sauer.

Ohne den Blick von mir abzuwenden Sprach sie:,, Mister Ryan, Alec und ich sind Chemiepartner, wäre es in Ordnung, wenn wir hier an dem Projekt arbeiten würden? So könnten wir die Zeit hier beim Nachsitzen wenigstens sinnvoll nutzen".

Was. Oh Nein.

Ich blickte panisch zu Mister Ryan rüber, in Hoffnung er verneinte ihre Frage. Doch leider war der Gegenteil der Fall. Er blickte erstaunt von seiner Zeitung auf:,, Ja natürlich, das ist eine Gute Idee". Einmal. Einmal in meinem Leben, wünschte ich mir, dass ein Lehrer einfach Nein sagen soll ...

Hmm .. Cleverer Schachzug, Meghan. Ich sah zu ihr und erkannte ihr kleines aber feines bosshaftes lächeln. Ich blendete wieder einmal alles um mich aus und fokussierte sie. Ihr langes braunes Haar strich ihr über die Schulter, die rote Strickjacke die sie heute trug kam mir sogar sehr bekannt vor.

Denn sie gehörte einst meiner Mom. Wir hatten früher als kleine Kinder sehr gerne verkleiden gespielt, vermutlich hatte sie sie seit dem einfach behalten.

Ihre freigelegten Beine. Sie trug heute einen kurzen schwarzen Mini-Jeans-Rock. Ich hatte diese Dinger schon früher an ihr gehasst.

,,Kommst du?". Ich erwachte aus meiner Starre. Redete sie da gerade etwa mit mir?

,,Eh was?". Ich blickte zu Mister Ryan, der luckte nur aus seiner Zeitung zu uns rüber.

,,Na, wir müssen doch in den Chemieraum, um unsere Sachen zu holen ... für das Projekt?".

Oh Mist, war ich gerade wirklich so sehr in Gedanken versunken, dass ich nicht einmal mitbekommen hatte, dass sie nach den Schlüsseln gefragt hat?

Ca. 6 Minuten später befanden wir uns nun im Chemieraum. Meghan war dabei alles für unser Projekt zusammen zu suchen. Ich stand währenddessen nur gelangweilt gegen den Lehrertisch gelehnt und versuchte sie nicht zu beachten.

Sie lief hin und her, machte Türen und Schränke auf. Manchmal sogar zweimal die selben. Bis sie plötzlich in ihrer Bewegung inne hielt.

,,Alec". Fuck. Einfach ignorieren ...

,,Alec?"

,,ALEC!"

Ich blickte erschrocken zu ihr rüber. Jedoch verkniff ich mir ihr zu antworten.

,,Hör zu. Ich weiß, wir sind zwar gerade nicht so gut aufeinander zu sprechen, doch das ändert nichts daran, dass du auch einen Teil dieses Projekts zu erledigen hast!".

Ich sah sie nur eindringlich an. Ich konnte ihr nicht widersprechen, immerhin hatte sie recht.

Also seuftze ich nur laut, und stieß mich vom Lehrerpult ab. Ich ging auf sie zu und nahm ihr die Liste aus der Hand. Wohlgemerkt das sie jeder meiner Bewegungen verfolgte.

Die Dinge, die sie bereits gefunden hatte, waren mit einem Häkchen markiert. Wir tauschten die Rollen, nun sah sie mir dabei zu wie ich die restlichen Teile zusammensuchte. Dies lief weiter im Stillen ab.

Bis ..

,,Also ich bin der Meinung, dass wir uns abwechselten sollten im Vortrag. Damit es nicht so eintönig wird. Und bei dem Projekt an sich, finde ich dass jeder einen Teil-"

,,Stopp". Ich unterbrach sie, damit hatte sie nicht gerechnet. Schließlich war es das erste, dass ich wirklich seit unserer Begegnung zu ihr gesagt habe.

,,Eh, was?". Ich stellte die Reagenzgläser ab. Mein Blick lag noch einige Sekunden auf ihnen, bis ich mich zu ihr wandt. Ich schüttelte zuerst leicht fassungslos meinen Kopf.

,,Wie kannst du das?".

Meghan verstand wohl nichts mehr. Völlig aus dem Kontext gerissen fragte sie:,, Wie kann ich was?"

Wer weiß, was mich nun dazu brachte diese Wörter im folgenden auszusprechen. Wahrscheinlich hatte sich die Luft in meinem Inneren genug angestaut.

,,Du tauchst drei Jahre später einfach auf, und tust so als wären wir normale Mitschüler die nun zusammen an einem Chemieprojekt arbeiten würden". Sie schluckte.

Weder sie noch ich waren wohl bereit dazu gewesen, jetzt mit der Wahrheit konfrontiert zu werden. ,,Alec ich ...".

,,Nein, Meghan. Du hörst mir jetzt zu. Wir beide sind Chemiepartner für dieses Projekt, nicht mehr nicht weniger. Ich kenne dich viel zu gut, als das du nur versuchst einen auf -Wir-Sind-Normale-Mitschüler zu tun".

Wieso konnte ich um Himmels Willen nicht einfach meine dumme Klappe halten. Das ist nicht meine Art, mitten am Tag solch einen Gefühlsausbrauch zu erleiden. Ich wusste selbst nicht einmal, war ich nur wütend? Enttäuscht? Oder doch auch etwas traurig?

Und es machte auch nicht besser, in Meghans Augen zu sehen, die nun voller Traurigkeit gefüllt waren. Ich hielt inne und atmete schwer.

Von ihr war bisher kein Ton gekommen. Sie schluckte nocheinmal und versuchte ihre Stimme zu fassen:,, Alec, du weißt ich-".

Damit Arschloch Alec noch eins drauf setzte, unterbrach ich sie:,, Versuch es gar nicht erst. Für dich ist kein Platz in meinem Leben. Nicht mehr".

Ich wandte mich ab und ließ eine völlig bedrückte Meghan stehen.

Second Chance -pausiert-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt