Der Schmerz

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**Acht Wochen später**

Die Regentropfen fielen in unaufhörlichem Rhythmus, prasselten unbarmherzig auf das Autodach und verwandelten die Straße vor mir in einen verschwommenen Schleier. Ich fuhr langsam, fast zögerlich, als wäre ich mir der Realität nicht gewachsen. Die letzten Tage waren wie aus einem surrealen Film entsprungen, so unrealistisch, dass ich sie nicht wirklich begreifen konnte. In meinem Kopf liefen die Szenen in einer endlosen Wiederholung ab, während die Anspannung in mir wuchs. Fest umklammerte ich das Lenkrad von Alecs Auto, als wäre es mein einziger Halt.

An einer roten Ampel angekommen, versuchte ich, tief durchzuatmen. Einatmen... und ausatmen. Doch so sehr ich mich bemühte, die Ruhe zu finden, stiegen die unerträglichen Erinnerungen wieder in mir auf. Mit geschlossenen Augen versuchte ich, dem Druck zu entkommen, bis ein Hupen hinter mir mich zurück in die Gegenwart katapultierte.

Vielleicht fragt ihr euch, warum ich in Alecs Auto sitze und wohin ich unterwegs bin. Doch dafür muss ich etwas weiter ausholen.

Ich parkte direkt vor dem großen, schwarzen Tor, das wie aus einem alten Gruselfilm wirkte. Ein tiefer Atemzug, um mich zu sammeln. Alec braucht dich.

Mit diesem Gedanken griff ich nach meinem Regenschirm auf dem Beifahrersitz und öffnete die Tür. Der Wind blies mir ins Gesicht, der Regen peitschte unbarmherzig auf mich nieder. Der Boden war längst zur matschigen Morastlandschaft geworden, und ich spürte, wie der Schlamm sich zwischen meinen Schuhsohlen festkrallte. Zitternd legte ich meine kalten Hände auf das alte, rostige Tor, das mit einem quitschenden Geräusch aufschwang.

Der Regenschirm bot uns kaum Schutz, so heftig tobte das Wetter. Dennoch hatte ich das Gefühl, unter ihm in Sicherheit zu sein, als ob ich so der Realität entfliehen könnte. Doch die Wahrheit war unbarmherzig.

Vor mir saß Alec auf dem kalten, nassen Boden. Ich beschleunigte meine Schritte und blieb vor ihm stehen. Ich wusste nicht, ob er hier sein sollte; mein Bauchgefühl hatte mir gesagt, ich solle kommen.

Statt eines überraschten Blickes, starrte er jedoch weiterhin ins Leere. „Alec?", flüsterte ich zunächst, doch der Regen übertönte meine Stimme. Ich versuchte es erneut, lauter: „Komm schon, Alec, lass uns nach Hause gehen." Doch er reagierte nicht.

Ein Seufzer entfuhr mir, als ich meine Jacke ablegte, um sie ihm überzuziehen. Er saß nur in einem Sweatshirt und Jeans da; ich konnte mir vorstellen, wie sehr ihm kalt sein musste. Ich legte meinen Mantel über seine Schultern und setzte mich neben ihn auf den nassen Rasen. Der Regenschirm reichte nicht für uns beide, also schob ich ihn beiseite. Alec war ohnehin bereits durchnässt.

Ich zog die Knie an und sah ihn an. Er wirkte so verloren, als wäre er in eine andere Welt entrückt. Ich wusste, dass ich ihn nicht mit Worten erreichen konnte, also legte ich meine Hand auf sein Knie. Dann, endlich, wandte er seinen Blick zu mir. Seine Augen waren leer, und ich hätte schwören können, dass Tränen über seine Wangen liefen, doch der Regen machte es unmöglich, das zu erkennen.

„Es ist meine Schuld", murmelte er, und mein Herz zerbrach bei diesen Worten.

„Nein, das ist es nicht, und das weißt du", entgegnete ich. Er starrte wieder geradeaus, und ich tat es ihm gleich.

„Was in den letzten Wochen passiert ist, Alec... dafür bist du nicht verantwortlich! Hör auf, so zu denken. Die Last dieser Welt liegt nicht allein auf deinen Schultern..."

„So fühlt es sich aber an."

„Ich weiß. Und es tut mir leid, aber es wird noch eine Weile so sein. Aber du kannst nur herausfinden, dass es nicht deine Schuld ist. Andernfalls wirst du nur tiefer in dieses schwarze Loch sinken, aus dem es kein Zurück gibt."

Er biss sich auf die Lippen, und ich sah, wie er versuchte, die Tränen zurückzuhalten.

„Wie hast du das geschafft, Meg?" Seine Stimme war gebrochen. Ich wünschte mir, ihn einfach in den Arm zu nehmen, ihm Trost zu spenden, doch ich wusste, dass ich ihn stattdessen ermutigen musste, weiterzumachen. Es gab keinen anderen Ausweg aus dieser ausweglosen Situation.

„Durch dich, Alec. Du hast mir Halt gegeben, und den werde ich dir auch geben. Du musst nur bereit sein, ihn anzunehmen. Sonst wird das nichts", erklärte ich ihm sanft, aber bestimmt.

In diesem Moment sah er mir tief in die Augen und legte seine Hand auf meine, die immer noch auf seinem Knie lag. Es war ein Zeichen: Ich bin bereit, mir helfen zu lassen.

„Vergiss nicht, wenn wir das hier überstanden haben, müssen wir einen großen Streit klären", versuchte ich, die angespannte Stimmung aufzulockern. Alec hob nur einen Mundwinkel, aber das genügte mir. Es war ein Anfang.

Ich würde für ihn da sein, und danach könnten wir in Ruhe unsere Differenzen ausdiskutieren. Denn in den letzten Wochen war im Hause Sanchez und Parker viel geschehen, doch das spielte jetzt keine Rolle.

„Warum?"

Ich hob eine Augenbraue, verwundert über seine Frage.

„Warum jetzt?"

Ich atmete tief durch, hielt die Tränen zurück.

„Gott nimmt uns immer zuerst die guten Menschen."

„So kann es nicht weitergehen. Zu viele sind in letzter Zeit um uns herum gestorben. Ich werde das ändern."

Ich drückte seine Hand. „Das werden wir."

So saßen wir da, im Regen, auf dem nassen Rasen, pitschnass und uns gegenseitig Halt gebend, vor dem Grab.

Second Chance -pausiert-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt