Kapitel 18: Verirrt in der Kälte

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POV Lucinda

Stöhnend öffnete ich meine Augen. Alles was ich sehen konnte war ein blendend helles Weiß.
‚Was ist passiert.', dachte ich und richtete mich mühsam auf. Ein scharfer Schmerz durchbohrte meine Seite und ich krümmte mich. Vorsichtig betastete ich die Stelle. Eine große Wunde klaffte auf Taillenhöhe an meiner Seite und blutete. ‚Ich muss das verbinden... darf nicht zu viel Blut verlieren...', dachte ich angestrengt. Doch etwas geeignetes hatte ich nicht... wenn ich jetzt noch meine Kleidung zerriss, würde ich vielleicht erfrieren. Es musste irgendwie so gehen. Erleichtert merkte ich, dass meine Knöchel weder verstaucht, noch sonst etwas waren. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine kleine Gestalt in einem rosa Kimono, welche bewegungslos im Schnee lag. „Nezuko!", rief ich und stolperte zu ihr. Sie war nicht tot, doch sie schlief tief und fest. Verdammt, wie kam ich hier weg ohne Nezuko zurückzulassen.!
Der Wind nahm wieder zu und ich schlang frierend meine Arme um meinen Körper. Mit wenig Hoffnung kniete ich neben ihr nieder und flüsterte in ihr Ohr: „Nezuko, falls du mich hören kannst: versuch dich kleiner zu machen, ansonsten kann ich dich nicht mitnehmen!" Gebannt wartete ich und atmete erleichtert aus als sie tatsächlich auf die Größe eines fünfjährigen Kindes schrumpfte. „Gut so... Danke...", sagte ich und hob sie hoch. Zum Glück war sie auch noch relativ leicht... aber jetzt musste ich den Berg hoch!
Es traf mich wie ein Schlag. Das würde niemals klappen... vorher würde ich erfrieren oder abstürzen! Die Hänge des Frostpasses waren glatt und unter teils meterdickem Eis verborgen.  Als ich mich umsah und versuchte durch den schweren, weißen Nebelvorhang etwas zu erkennen, könnte ich schemenhaft einige dunkle Silhouetten aus den Eis- und Schneeschichten erkennen. Ein Schauer lief meinen Rücken hinunter. Wir waren nicht die Einizigen gewesen, die hier runtergerutscht waren... würden wir auch so enden?
Zumindest ich würde als eingefrorene Leiche enden, Nezuko würde wahrscheinlich lebendig eingefroren werden, da sie ein Teufel war... Allein die Vorstellung steigerte meine Entschlossenheit von hier zu entkommen ein wenig.  Auch wenn ich große Zweifel am Erfolg meines Vorhabens hatte wenn ich meinen Blick an der glatten Wand neben mir entlangwandern lies.
Doch versuchen musste ich es...
Entschlossen stapfte ich auf den steilen Hang zu, Nezuko in meinen Armen wie ein Baby. ‚Ich muss sie zu Tanjiro zurückbringen, ich muss einfach!', spornte ich mich an und griff nach der ersten Stütze und zog mich hoch. Der Schmerz in meiner Seite lähmte mich, doch ich musste weiter!
Immer höher, bis ganz nach oben.
Ich krallte mich verbissen an dem winzigen Vorsprung fest und stemmte meine Füße gegen die Wand. Nach etwas herumsuchen, fand ich einen kleinen Spalt in die ich den rechten Fuß stecken konnte und somit mit meiner Hand nach der nächsten Stütze suchte.
Voller Schmerz knirschte ich mit den Zähnen und kletterte weiter nach oben.
Immer weiter.

Keuchend und völlig außer Atem zog ich mich mühsam nach oben und brach auf dem Frostpass zusammen. Ich hatte es geschafft! Ich war ganz oben angekommen!
Schwer atmend legte ich die schlafende Nezuko auf den Weg und setzte mich kurz auf um mich auszuruhen.
Jetzt würde es wieder schwer werden... ich musste irgendwie den steilen und tückischen Pass wieder nach unten folgen...
Mittlerweile war ein Großteil meines Körpers taub geworden vor Kälte. Alles tat mir weh und ich hätte gleich hier auf der Stelle einschlafen können. Doch ich riss mich zusammen, auf keinen Fall durfte die Müdigkeit Überhand nehmen!
Plötzlich sah ich im Augenwinkel einen kleinen roten Fleck im Schnee. Ich krabbelte zu der Stelle und sah, dass es Blut war. ‚Sie laufen bereits zurück! Wie lange war ich wohl bewusstlos. Wann wird es überhaupt Tag.!', dachte ich und stolperte zurück zu Nezuko.
Erbärmlich frierend nahm ich meinen Umhang ab und wickelte sie fest darin ein. Bei ihrem Gesicht lies ich nur Nase und Mund frei, damit sie noch atmen konnte. Zähneknirschend richtete ich mich mit ihr in meinen Armen nochmals auf und ging weiter.
Voller Schmerzen und frierend.

‚Ein Schritt nach dem anderen.'

Diese Worte wiederholte ich beständig in meinem Kopf, ein endloses Mantra, eine Aneinanderreihung von Worten mit denen ich versuchte mich am Leben zu erhalten und weiter zu laufen. Meine Lunge brannte, ebenso wie meine Beine. Der Schmerz an meiner Seite wurde immer schlimmer und die Wunde hörte auch kaum auf zu bluten...
Ich wusste nicht wie lange ich schon lief, alles um mich herum verschwamm. Es gab nur noch mich, Nezuko und den quälenden Schmerz in meinem ganzen Körper. Viel zu oft rutschte ich aus, oder stolperte und fiel hin. Doch ich stand immer wieder auf und lief weiter. Es dauerte so lang, so lang... der Schmerz war kaum noch auszuhalten. Fast fühlte ich mich als ob ich sterben würde und trotzdem kämpfte ich mich weiter... aber irgendwann... schwanden auch meine wenigen Kräfte.
Als ich verzweifelt nach vorne sah und fast schon aufgab, sah ich im Nebel schemenhafte Gestalten. Verzweifelt schrie ich so laut ich konnte.

„GIYUU! TANJIRO! INOSUKE, ZENITSU! IRGENDJEMAND!"

Voller Erleichterung bemerkte ich wie die Gestalt inne hielt. Kurz darauf kam sie näher. Erleichtert atmete ich auf, ich hatte es geschafft.

Dachte ich zumindest.

Plötzlich begann der Wind zuzunehmen. Er wurde so stark, dass ich einen Schritt zur Seite machen musste, damit ich das Gleichgewicht nicht verlieren würde.

Ein Schritt ins Leere.

Entsetzt kippte ich wie in Zeitlupe über den Rand und fiel. Von oben hörte ich jemand etwas Unverständliches rufen. Ich fühlte mich so frei, von allem losgelöst in dem Moment. ‚Werde ich jetzt sterben.', dachte ich müde. Es war mir gleich, hauptsache diese Qualen hatten ein Ende...
Mit letzter Kraft rollte ich mich ein um wenigstens Nezuko zu beschützen und spürte wie ich auf etwas aufprallte. Ein noch schlimmerer Schmerz begann an meiner Schulter und ich flog erneut, bis ich wieder auf den Boden aufprallte.
Diesmal schoss der Schmerz durch mein gesamtes rechtes Bein, aber zu Glück flog ich nicht nochmal, sondern rollte in rasender Geschwindigkeit einen steilen Abhang hinunter. Der Schnee bremste mich ein wenig, doch nicht genug. Die Welt um mich herum verschwamm zu einem einheitlichen Grau, ein endlos grauer Raum durch den ich flog.
‚Das wars dann wohl.', dachte ich und knallte ein letztes Mal gegen irgendwas hartes.

Alles wurde schwarz.

Frozen Blossom ||•Kimetsu No Yaiba FanFiction•||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt