~12~

3.9K 167 32
                                    

Thranduil hatte mehrere Tage an Ilmas Bett gesessen und die Elbin einfach nur angesehen. Tief in seinem Inneren hoffte er, dass sie aufwachen würde und ihm wieder auf der Nase herumtanzen würde. Leider war er sich aber sicher, dass das in naher Zukunft wohl nicht passieren würde. Noch war sie nicht über dem Berg. Gestresst fuhr sich der Elbenkönig durch seine langen Haare. Er hätte sie niemals nach Bruchtal schicken dürfen. Leidend ließ er seinen Blick über die Elbin schweifen. Die weiche Samtdecke verdeckte sie zwar beinahe komplett, trotzdem blieb sein Blick an ihrer Schulter hängen, dort wo ein weißer Stoff ihre Wunde verbarg. Mit einem tiefen Seufzen stützte er seinen Kopf mit seiner Hand. Wieder ließ er seinen Blick über Ilma schweifen. Ihr Gesicht war kreidebleich und eingefallen, ihre Wangenknochen traten stark hervor und auch die Ringe unter ihren Augen waren stark ausgeprägt. Sie lag halbtot in diesem Bett und er konnte nichts dagegen tun.
Auch am folgenden Tag verharrte er still neben ihrem Bett. Er sprach nicht, aß nichts und zeigte auch sonst keine Reaktion auf sämtliche Heiler, die immer wieder ins Zimmer gehuscht kamen und Ilmas Wunden überprüften. Nur der Blick, der immer wieder prüfend über Ilma huschte und sein Griff zum Weinkelch zeigte, dass er noch nicht ganz versteinert war.

Als die Sonne gerade hinter dem Düsterwald untergegangen war klopfte es leise an die Tür und Legolas trat ein. Er wusste, dass er seinen Vater hier zu finden war, immerhin war er seit Ilmas Auftauchen verschwunden gewesen. Legolas hatte eins und eins zusammengezählt. Normalerweise wäre er schon früher bei seinem Vater erschienen und hätte ihm Bericht erstattet aber er war zu sehr damit beschäftigt gewesen sich von dem zu erholen, was er in Bruchtal gesehen hatte. Allein bei dem Gedanken an die vielen Toten, die Bruchtals lief es ihm eiskalt den Rücken runter. Er hatte kaum einen Fuß vor den anderen setzen können, ohne auf einen toten Körper zu treten. Langsam ließ auch er seinen Blick über Ilma huschen, bevor er Thranduil ansah.

»Wir haben keine Überlebenden gefunden Vater. Auch Lord Elrond ist tot.« deprimiert ließ er seinen Blick wieder zu Ilma wandern. In Gedanken sprach er ihr sein stummes Mitleid aus. Das hatte sie nicht verdient. Thranduil löste sich jetzt langsam aus seiner Starre und stand auf. Unzufrieden musste Legolas feststellen, dass Thranduils Gesichtsausdruck wie in Stein gemeißelt war. Wann würde er sich endlich eingestehen, was er für die Elbin fühlte? Legolas hatte zumindest erwartet etwas Besorgnis in seinen Augen zu erkennen, stattdessen spiegelten die eisigen Augen von Thranduil aber nur die Kälte wider, die in ihm herrschte. »Alle Bruchtalelben? Informiere Mithrandir. Und stell mehr Wachen auf, falls die Orks auch uns angreifen!« Das schien größer zu sein, als sie befürchtet hatten. Wenn die Orks es schafften ohne viel Aufwand ein ganzes Volk auszulöschen, dann wollte er gar nicht daran denken was ihnen noch alles bevorstand. Verzweifelt malmten seine Zähne aufeinander, als sein Blick wieder auf Ilma fiel.

Sie hatte alles verloren. Ihren Vater, ihre Heimat, ihre Familie und ihr Volk. Vielleicht würde sie sogar ihr Leben verlieren. Und selbst wenn sie es überstand, dann würden der Schmerz sich tief in ihr Herz graben. Er konnte nur hoffen, dass sie daran nicht zerbrach. Thranduil sah Ilma niedergeschlagen an. Das hatte die Elbin nicht verdient. So ein grausames Schicksal hatte keiner verdient.

Er sah Legolas erst wieder an, als dieser ihm antwortete »Ja, alle Bruchtalelben. Wir haben alles abgesucht. Es scheint so, als hätten die Orks versucht komplett Bruchtal auszulöschen und es ist ihnen beinahe gelungen.« Er deutete leicht auf Ilma »Sie hatte unglaubliches Glück. Auch in den umliegenden Dörfern gibt es keine Bruchtalelben. Und natürlich werde ich sofort die Wachen verdoppeln lassen.« Thranduil schüttelte langsam den Kopf. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was Legolas in Bruchtal gesehen hatte. »Wie grausam.« Seine Worte reichten nicht um das Grauen zu beschreiben, also beließ er es bei 'grausam'.

Legolas nickte zustimmend und lief dann zur Tür. Er hatte seine Hand schon auf den Türknauf gelegt, als er stockte und wieder zu seinem Vater sah. »Es ist nicht eure Schuld Vater!« Wieso war Legolas nicht früher in den Sinn gekommen, dass sein Vater sich vermutlich massive Vorwürfe machte. Allein, dass er ihr Zimmer nicht verlassen hatte, seit sie in den Thronsaal gestolpert war, sprach Bände. Thranduil senkte seinen Kopf und wich somit dem stechenden Blick von Legolas aus. Die Schuldgefühle hatten sich während der letzten Tage stumm durch seinen Körper gefressen und das taten sie auch jetzt noch. »Ihr wäre nichts passiert, wenn ich sie hierbehalten hätte Legolas.« Er flüsterte diesen Satz so leise, dass Legolas ihn kaum hören konnte. Der stechende Schmerz in seinem Herz erlaubte ihm nicht lauter zu sprechen. Egal was Legolas sagte, es war seine Schuld, dass Ilma jetzt um ihr Leben kämpfen musste.

Thranduil - Der eiskalte König ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt