Es war bereits einige Minuten her, seitdem Michail und Karina aus der Limousine ausgestiegen waren und mich und Dimitri mit der Hiobsbotschaft zurückgelassen hatten. Obwohl ich endlich die Antwort auf meine Frage, wofür dieses ganze Theater mit dem Training gewesen war, bekommen hatte, hätte ich niemals damit gerechnet, dass ich wieder hier sein würde. In Sizilien. Auf der Hochzeit von Giulia und Akos. Bei Gabe. Mit Michail, Karina und Dimitri im Schlepptau.
Die einzelnen Puzzleteile, die ich die letzten Tage mühsam gesammelt hatte, bildeten schlussendlich ein gesamtes Bild, das zum einen mein Herz beinahe zum explodieren brachte, jedoch auch die Gedanken wild umher kreisen ließ, ohne auch nur einen vollständigen, sinnvollen Satz zu hinterlassen.
Meine Hände taten bereits weh von dem Festkrallen in meine Oberschenkel, um meine Hände ruhig zu stellen. Die Nägel bohrten sich bereits schmerzhaft in das Fleisch unter meinem Kleid, doch das war mir egal. Dies war nur ein weiteres Zeichen dafür, dass ich nicht träumte und wirklich mit Dimitri in diesem Wagen saß. Kalter Schweiß begann bereits vor voller Aufruhr in leichten Tropfen von meinem Kopf herunterzuperlen. Möglicherweise lag dies aber auch daran, dass sich dort die einzigen Poren befanden, die nicht mit einer gefühlten Tonne Makeup oder irgendwelchen Cremes vollgestopft waren, um das Kunstwerk Cassandra perfekt zu machen.
Noch vor wenigen Minuten hätte ich nicht einmal im Traum daran gedacht, einen der Menschen aus meinem vergangenen Leben wiederzusehen. Jetzt, nach so vielen unerträglich langen Tagen voller Schmerz und Drill, sollte ich endlich die Chance bekommen, Gabe wiederzusehen. Obwohl mich dieser Umstand vor Freude hätte in die Höhe springen lassen müssen, gab es da etwas, das ich nicht vergessen durfte. Michail und Karina würden niemals zulassen, dass ich mich in Gabes Nähe aufhielt und irgendeinen Hinweis darauf gab, was sie mit mir anstellten. Wenn es etwas gab, worin ich mir sicher war, dann war es, dass Gabriel Delanotte von dem, was hier passierte, nicht den blassesten Schimmer hatte. Dennoch begriff ich immer noch nicht, was dieser ganze Auftritt mit Dimitri sollte. Gabe würde uns niemals dieses Schauspiel abkaufen. Jedenfalls hoffte ich das. Schließlich musste ich einfach daran glauben, dass Gabe mich besser kannte und dieses Theater durchschauen würde.
Sofort schämte ich mich für diesen Gedanken, als mir das Bild von meinen Großeltern im Einkaufsladen in den Sinn kam, das sich in mein Gehirn eingebrannt hatte. Niemals durfte ich es zulassen, dass ihnen etwas passierte. Der Zwiespalt in mir zerriss mich innerlich. Ich spürte, wie mein Atem sich beschleunigte und sich eine Gänsehaut über meinen Körper legte. Meine Hand legte sich von selbst auf meine Brust, die sich hektisch hob und senkte.
Oh nein.
Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war eine Panikattacke, die mir wieder nichts als Schmerzen bringen würde.
Ich muss mich ablenken.
Mein Blick schnellte zu Dimitri, der nichts von meinem inneren Sturm der Gefühle mitbekam. Er selbst war zu sehr damit beschäftigt, mit zitternden Beinen auf seinem Platz zu warten und nach vorne zu starren. Noch nie hatte ich ihn so nervös wie in diesem Moment erlebt, was mich keineswegs beruhigte. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, ob es das erste Mal war, dass er wirklich mal an die frische Luft kam und etwas von der realen Welt erlebte. Doch für Mitleid oder Gedanken diesbezüglich blieb jetzt keine Zeit. Ich hatte gänzlich andere Sorgen.
Ich sprang leicht von meinem Sitz auf, als Dimitri plötzlich in die Stille des Autoinnenraums ein leises "Ja" entließ. Die Verwirrung über diese merkwürdige Aussage blieb jedoch nur kurz bestehen, denn wenige Sekunden später hörte ich Karinas Stimme in meinem Ohr.
"Antworte mir, wenn du mich hörst!"
Obwohl ihre Stimme so ruhig wie immer war, konnte ich dem leichten Zittern entnehmen, dass auch sie sichtlich nervös war.
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Phönixchroniken - Entflammen ✔️
ParanormalAbgeschlossen --- Band 2 der Phönixchroniken --- Nach einer nervenaufreibenden Sizilienreise hat Cassie nur einen sehnlichen Wunsch: Die Rückkehr in ein normales Leben. Dass dies jedoch nach alldem, was vorgefallen ist, nicht so einfach ist, wird ih...