Kapitel 12

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Ich konnte gar nicht mehr aufzählen, wie viele Flure wir bereits entlang gelaufen waren, doch mit absoluter Sicherheit konnte ich sagen, dass alle Flure einander bis ins kleinste Detail ähnelten. Allesamt waren sie von grauem Beton umschlossen. Metalltüren waren ab und zu in die Wände eingelassen, wobei ich nicht wirklich wissen wollte, wie die einzelnen Räume dahinter genutzt wurden. Der Klang unserer schweren Stiefel hallte im gesamten Flur wider und hinterließ eine unwillkommene Gänsehaut. So wie die Stiefel an meinen Fersen rieben, brauchte es nicht viel Vorstellungskraft, um zu erahnen, dass mich sehr bald unwillkommene Blasen an eben diesen Stellen begrüßen würden.

Erst war ich überrascht gewesen, dass wir ohne Masken durch die Flure geführt wurden. Schließlich hatte ich gestern um keinen Preis erfahren dürfen, wo der rote Raum war. Schnell jedoch wurde mir klar, dass wir aus einem ganz bestimmten Grund sehen durften, wohin wir gingen: Aus diesen Fluren gab es kein Entkommen. Es würde kein grün beleuchtetes Notausgangsschild auf mich warten und mir den Weg aus dieser Hölle weisen. Wenn es so einfach gewesen wäre, hier zu entkommen, wäre sicherlich bereits einer vor mir auf diese Idee gekommen.

Die Lichtverhältnisse änderten sich, als wir in den nächsten Flur abbogen und direkt in einem großen, von weißem Kunstlicht durchfluteten Raum zum Stehen kamen. Der Raum selbst war mit Tischen und Stühlen aus Metall bestückt und fasste geschätzt Platz für über dreihundert Personen. Die Kolosse führten uns durch die Bänke hindurch zu einem Tisch, der ziemlich mittig im Raum platziert war. Dass dies unsere Destination war, war unschwer daran erkennbar, dass bereits fünf weitere Personen am Tisch Platz genommen hatten und aus einem Strohhalm, der in einem großen, weißen Plastikbecher steckte, schlürften. 

Ilvy, die die gesamte Zeit vor mir hergelaufen war, setzte sich auf die Metallbank ohne auch nur einmal aufzublicken. Sofort war ihr Blick auf die Tischplatte vor ihr gerichtet, ihre Hände platzierte sie gut sichtbar auf der Tischplatte. Ich merkte erst, dass ich in meiner Bewegung erstarrt war, als ich grob von einem der in schwarz gekleideten Männer zu dem Tisch gedrängt wurde, bis ich gezwungenermaßen gegenüber von Ilvy Platz genommen hatte. Prompt setzten sich die Männer wieder in Bewegung Richtung Ausgang. Verwirrt blickte ich ihnen hinterher.

"Können die nicht sprechen oder wollen sie es einfach nur nicht?"

Ausnahmslos alle Blicke, die zuvor auf den weißen Becher oder die Tischplatte gerichtet waren, schnellten zu mir. Ich sah direkt in Ilvys entsetztes Gesicht und ich hatte Angst, dass ihr die Augen aus den Höhlen fallen würden, wenn sie mich nur noch eine weitere Sekunde so anstarrte. Meine Lippen öffneten sich und wollten erneut etwas von sich geben, als mir Ilvys Worte von vor ein paar Minuten in den Sinn kamen.

Unterhaltungen sind im Speiseraum nicht erlaubt.

In dem Moment, wo ich begriff, wie töricht meine Aktion gewesen war, wurden auch meine Augen größer. Angst kroch von meinen Füßen bis hinauf zu meinem Nacken und ich schluckte. Meine Kehle war staubtrocken und ich musste ein Husten unterdrücken, um nicht noch mehr aufzufallen.

Mein Blick schnellte von Ilvys Gesicht weiter zu einem grinsenden, braunhaarigen Mädchen, dessen giftgrüne Augen mir instantan eine Gänsehaut von der unguten Art bescherten. Ganz davon abgesehen, dass Ilvy nur einen weiteren weiblichen Namen erwähnt hatte, als sie von den anderen Mitstreitern erzählt hatte, wusste ich anhand dieses Grinsens sofort, wem ich gerade ins Gesicht blickte: Samantha.

Der dunkelhäutige Junge neben ihr, der mit seinen fast schwarzen Augen wieder zum Tisch blickte, war mit seiner bescheidenen Art genau das Gegenteil von dem kleinen Teufelchen neben ihm.

Das muss Kamal sein.

Als ich meinen Kopf weiter nach rechts drehte und mich dem nächsten Gesicht in der Runde widmete, schluckte ich. Das Blau dieser Augen kam mir unheimlich bekannt vor und ich brauchte keine weiteren Details von dieser Person zu kennen, um zu wissen, wen ich gerade vor mir sah.

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