Kapitel 3

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"Weißt du, wer das ist?"

Es war Stefans fragende Stimme, die mich aus meiner Lethargie löste. Seitdem mein Gemälde für eine beträchtliche Summe versteigert worden war, konnte ich die Blicke aller anderen Gäste auf mir spüren. Ich war mir sicher, dass darunter auch der Blick eines eiskalten, blauen Augenpaares war. Ich rieb mir die freien Arme, um die Kälte aus meinem Körper zu verbannen. Außerdem hätte ich schwören können, dass der Raum um einige Grad kälter geworden war.

"Nein, ich habe wirklich keine Ahnung."

Die fragenden Gesichter meiner Großeltern und Freunde bedeuteten mir, dass sie mir nicht vollends glaubten. Ich konnte es ihnen noch nicht einmal verübeln. Wenn jemand bereit war für ein Gemälde, das von einer namenlosen Künstlerin gemalt worden war, für eine fünfstellige Summe zu kaufen, war es nur schwer vorstellbar, dass dies ohne persönliche Beziehung geschah.

Ich sah es zuerst in dem Blick von Stefan. Seine Augen waren auf etwas hinter mir fixiert und verengten sich kaum merklich. Eine kalte Hand legte sich auf meine nackte Schulter. Gänsehaut durchfuhr meinen gesamten Körper. Auch ohne hinzusehen wusste ich, zu wem diese Hand gehörte.

Langsam drehte ich mich um und blickte direkt in kalte, blaue Augen. Seine Haut war unmenschlich glatt und bleich. Seine Zähne wirkten messerscharf. Alles in meinem Körper sträubte sich dagegen, ihm weitere Beachtung zu schenken, doch ich konnte mich von diesem intensiven Blick einfach nicht davon reißen. 

"Mylady, dürfte ich Sie kurz für ein Gespräch unter vier Augen entführen?"

Seine mehr als merkwürdige Aussage unterstrich er, indem er einen vollendeten Knicks vor mir vollzog. Kaum merklich rollte er das R, woraus ich schloss, dass er aus dem slavischen Raum stammen musste. Obwohl ich alles Andere lieber gemacht hätte, als ihm zuzustimmen, spürte ich, wie ich nickte. In diesem Moment fehlten mir jegliche Worte. Früher hatte ich nie verstanden, wie man vor Angst gelähmt sein konnte, doch jetzt spürte ich dies an meinem eigenen Körper und ich wusste, dass ich nichts dagegen tun konnte.

Mit einem vielsagenden Lächeln drehte er sich um. Ich setzte einen Fuß vor den anderen und dachte nichts mehr, als ich ihm zu der Wand folgte, an der mein Gemälde hing, das nun offiziell ihm gehörte. Als er sich umdrehte hatte er immer noch dieses diabolische Grinsen auf den Lippen.

"Ein sehr interessantes Konzept, um das Thema Persönliche Entfaltbarkeit auszudrücken."

Als hätte jemand einen Schalter in meinem Kopf umgelegt, spürte ich, wie sich meine Zunge wieder löste.

"Anscheinend finden Sie es interessant genug, um eine beträchtliche Summe dafür auszugeben." 

Die Frage, warum er das getan hatte, musste ich nicht explizit stellen. Er wusste ganz genau, worauf ich hinaus wollte. Ein melodisches Lachen drang aus seiner Kehle, wobei er mich jedoch keine einzige Sekunde aus den Augen ließ. Meine Augen indes verengten sich.

"Du hast Feuer! Das muss man dir lassen, kleines Täubchen."

Meine Augen waren mittlerweile zu engen Schlitzen gepresst. Jedes seiner Worte klang so falsch und unaufrichtig. Mein Körper schüttelte sich bei seinen Worten. Sein Grinsen wurde breiter und ich verfluchte meinen Körper dafür, dass er meinen inneren Gefühlssturm so verriet. Der Mann vor mir schien es sichtlich zu genießen, mich unter Spannung zu sehen.

Jetzt reicht es mir!

Ich schloss meine Augen und atmete tief ein und aus. Die Lust auf Spielchen war mir schon lange vergangen. Meine Erinnerungen schweiften ab nach Sizilien, wo Gabe und die Anderen nichts anderes mit mir gemacht hatten. Sie hatten mich verraten und mir nur etwas vorgespielt. Darauf hatte ich wirklich keine Lust mehr!

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