Kapitel 1

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Die Sonne schien durch die Glasscheibe, an der gespiegelt und in romantischen Schnörkeln Cafépause stand. Eine Mischung aus Blumenduft und Duftkerzen umgab mich. Das monotone Gebrumme der Menschen war von überall zu hören. Hier und da ertönte ein Lachen oder ein Seufzen. Ich beobachtete gerade eine kleine Spinne dabei, wie sie ein Netz von einer Wand zur anderen aufspannte und fragte mich, ob sie wusste, was für schöne Muster sie damit zauberte. 

"Cassie, hörst du mir überhaupt zu?"

Ertappt richtete ich den Blick zurück auf meinen Vordermann, nur um Martin, den Angestellten aus der Bank, mit einem gezwungenen Lächeln auf den Lippen anzusehen. Ich konnte unmöglich sagen, wie es überhaupt soweit gekommen war, dass ich mit ihm in einem Café saß und Spinnen beobachtete. Ich wusste nur noch, dass Suz mich solange genervt hatte, bis ich die Nummer von Martin gewählt und schließlich angerufen hatte. Jetzt hatte ich den Salat.

"Es tut mir Leid."

Er wusste genauso gut wie ich, dass diese Worte gelogen waren. Selbst ein Autist hätte verstanden, dass ich hier genauso freiwillig war wie ein Tiger im Käfig. Ungeduldig rutschte ich von einer Seite auf dem Stuhl zur nächsten.

"Ich befürchte das wird nichts mit uns."

Überrascht blickte ich in seine warmen, braunen Augen, die ganz und gar nicht amüsiert wirkten. Ich musste sehr an mich halten, nicht zu grinsen. So viel Schneid hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Außerdem war es erschreckend, da ich gerade genau dieselben Worte von mir geben wollte. Ein schlechtes Gewissen überkam mich ob meines Desinteresses an einem Gespräch mit ihm, doch es verflog so schnell, wie es gekommen war. Mit mir hatte schließlich auch keiner Mitleid!

"Okay", war deshalb das Einzige, was ich als Antwort hervorbrachte. Ich nahm einen letzten Schluck von meinem Chai Latte und erhob mich. In diesem Moment war ich wirklich froh, dass Martin unsere Getränke schon vorab bezahlt hatte. Die Stimmung zwischen uns war mehr als unangenehm. Wie so oft in letzter Zeit spürte ich Wut in mir aufkeimen. Wut auf die Welt. Wut auf meine Mitmenschen. Und schließlich auch Wut auf mich selbst.

Ich ging hinter Martin her, der mir schließlich die weiße Tür im Landhausstil auf hielt, bis wir das kleine Café verließen. Er überraschte mich, als er sich räusperte. Ich war jedenfalls der Meinung gewesen, dass alles zwischen uns gesagt worden war. Neugierig drehte ich mich zu ihm um.

"Wieso hast du mich angerufen, wenn du doch überhaupt kein Interesse an einem Date hattest?"

Die Enttäuschung, die kurz sein Gesicht verzerrte, ließ schließlich mein Herz langsam erweichen. Ich schalt mich innerlich für mein unmögliches Verhalten ihm gegenüber. Er konnte ja schließlich am wenigsten dafür, dass ich gerade überhaupt nicht gut auf Dating zu sprechen war. Seine braunen Augen erhielten durch die Sonne einen rötlichen Schimmer. Seine braunen Haare hatte er mit Gel nach hinten gestrichen, um dem jugendlichen Gesicht mehr Härte zu verleihen. Obwohl er nicht von schlechten Eltern war, blieben bei seinem Anblick jegliche Reaktionen meines Körpers aus. Das Gesicht von Gabe tauchte plötzlich vor meinem inneren Auge auf, was ich so schnell wie möglich wieder verbannte. Eigentlich hatte ich Martin die Wahrheit ersparen wollen, doch ich wusste, dass ich ihm eine Erklärung schuldig war.

"Hör zu, Martin. Du bist ein gut aussehender und netter Mann, doch ich habe erst kürzlich eine schmerzvolle Trennung hinter mich gebracht. Meine Freundin meinte, dass ein viel zu frühes Date Abhilfe verschaffen könnte. Doch sie hat sich leider geirrt."

Ein ehrliches, wenn auch nur kleines Lächeln bildete sich auf seinen Lippen, die zuvor zu einem Strich zusammengekniffen gewesen waren.

"Weißt du? Auch wenn wir eindeutig kein Paarmaterial sind, können wir gerne Freunde bleiben. Ich glaube das könnte funktionieren."

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