Elian
»Ich begleite dich!«
»Bist du dir sicher?«
»Zu hundert Prozent! Außerdem, lasse ich dich ganz sicher nicht alleine gehen. Irgendjemand muss ja auf dich aufpassen und diese Aufgabe werde ich ganz sicher nicht Kain in die Hände legen. Weder in die von irgendjemand anderen.«
Ich hatte ihm alles erklärt.
Okay, nicht alles. Ich hatte ein paar Details ausgelassen.
Darunter fiel, dass ich der Kronprinz des Geisterreiches war. Dass ich bei dem Angriff vor langer Zeit schwer verletzt, enthauptet, entführt und dann über viele Jahre gefoltert wurde.
Ich hatte um den genauen Fakt herum getänzelt. Ich hatte ihm erklärt, dass ich die Königin begleitet hatte und wir in einen Hinterhalt gelockt wurden. Damit die anderen fliehen konnte, spielte ich den Köder und wurde gefangen genommen. In meiner Gefangenschaft verwandelte ich mich, weil ich im Schmerz der Dunkelheit verfiel.
Zwar fühlte ich mich nicht wohl dabei, ihn zum Teil anzulügen. Aber irgendwas in mir drin, hatte Angst davor, ihm zu sagen, was für Qualen ich wirklich durchlitten hatte.
All die Jahre hatte ich die Folter, die Schmerzen und das Leid vergessen und eine leise Stimme in mir wünschte sich, dass ich wieder alle meine Erinnerungen verlor. Selbst die an meine Familie. Denn mit meiner Familie kam eine Pflicht auf mich zu, die ich früher mit solchem Stolz getragen hatte und nun nur noch loswerden wollte, um bei Silvan sein zu können. Die ich nicht einmal mehr mit demselben Stolz tragen konnte, wegen der lauernden Finsternis in mir.
Aber wenn Silvan mich nun begleitete, würde er früher oder später sowieso herausfinden, dass ich der Kronprinz war. Es beängstigte mich daran zu denken, wie er reagieren würde. Hätte er dann Angst vor mir? Würde er wütend sein, weil ich es ihm nicht erzählt hatte? Würde er mich von sich stoßen? Oder würde er mich so akzeptieren, wie ich war?
Ich hatte Angst. Schreckliche Angst. Aber ich stellte ihn lieber vor unvorbereitet vor die Tatsachen, als mich meiner eigenen Angst jetzt zu stellen. Machte mich das zu einer schlechten Person? Wahrscheinlich.
»Ich gehe ein paar Sachen einpacken, die wir sicher gebrauchen können. Gibst du ihnen Bescheid?«, sagte er und ich nickte müde.
Es war soweit. Ich würde nach Hause gehen.
»Silvan?«, hielt ich ihn noch einmal auf.
»Ja?«, erwiderte er und sah mich über seine Schulter hinweg an.
»Bringt bitte die beiden Umhänge mit runter, die wir beim Mittelalterfest damals getragen haben und sprüh auf einen davon ein ziemlich... blumiges Parfüm. Er muss schön stinken.«
Stirnrunzelnd nickte er und verschwand daraufhin.
Die Umhänge würden vorerst als kleines Versteck fungieren. Ich wollte nicht gleich einen Massenaufstand anzetteln, wenn ich mit meinen weißen Haaren durch die Straßen wanderte. Denn diese Haarfarbe symbolisierte die Königsfamilie.
Wenn ich auf Kains Worte vertrauen konnte — das konnte ich — dann hatte das Volk um meinen Tod getrauert und wenn sie mich nun durch die Straßen wandern sahen, würden sie durchdrehen. Da war ich mir sicher.
Der Umhang, der nur so nach Parfüm stinken sollte, war für Silvan gedacht. Ich war mir nicht sicher, ob Menschen — oder halt Wölfe, wie er — in das Geisterreich konnten.
Mit Sicherheit konnten sie es. Nur mussten sie die Erlaubnis zur Passage von Lord Asker erhalten — dem Wächter der Tore.
Ob wir ihm nun meine Identität verrieten oder nicht, war mir noch unklar. Immerhin sollte er erfahren, wen er nach Nelantulis ließ. Aber gleichzeitig war mir unklar, ob es schlauer wäre, Silvan einzuschmuggeln. Ihre Art würde sofort zwischen uns auffallen. Deshalb das Parfum — es würde den menschlichen Geruch überdecken. Selbst wenn es penetrant roch, würde es nicht so schnell auffallen.

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Forest Spirit
Fantasia*wird heavily überarbeitet und bald ins Englische übersetzt!* Cover Credits gehen an @Beyond_Borderland ! Danke für dieses fantastische Cover! ☪ Elian, der verfluchte Waldgeist, der zu einem Walddämonen wurde und seinen Gefährten in der Geschichte v...