Hoch, runter, rechts, links... Ehm, ich hab die Orientierung verloren.

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Der nächste Tag in der Schule war die Hölle. Ständig sah ich Lindsay, die nichts Besseres zu tun hatte, als meinem Bruder die Zunge in den Hals zu stecken und Brown nervte auch mal wieder.
Ich war gerade auf dem Weg zum Kunstunterricht, als er mich abfing und in einen leeren Klassenraum zog. Ich schaute ihn überrascht an und befreite mich aus seinem Griff.
„Guck nicht so, ich werde bestimmt nicht über dich herfallen."
„Was willst du?"
„Wir haben ein Austauschprogramm mit Italien, bei dem allerdings nicht jeder Schüler mitmachen kann. Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast?"
„Ist das nicht eine Bevorzugung?!"
Schulterzuckend erklärte er, „Ich werde dich lediglich vorschlagen, wenn du es machen willst."
„Ich muss aber vorher mit meinen Eltern reden."
„Sag mir einfach morgen Bescheid und alles weitere kläre ich dann."
Er lächelte mich an und ging dann wieder. Einen Moment später trat ich ebenfalls wieder auf den Flur und ging in den Unterricht.

Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, dass ich nicht mehr zu Hause gewesen war, aber es fühlte sich komisch an. Meine Mutter umarmte und zog mich eilig in die Küche, wo sie mir einen Teller mit Gemüseauflauf hinstellte.
„Wie lange willst du noch bei Mike wohnen? Ich meine, ich habe nichts dagegen, er ist ein anständiger junger Mann und alles, aber du kannst ihm doch nicht ewig auf den Wecker fallen."
„Keine Angst, das werde ich nicht. Ich bin allerdings wegen etwas anderem gekommen."
„Na schön. Um was geht es?"
„In der Schule wird ein Austauschprogramm mit Italien angeboten, an dem nicht jeder teilnehmen darf. Ich würde da gerne mitmachen."
„Meinst du, das ist gut für deine Noten?! Mitten im Halbjahr mal eben nach Italien zu fliegen..."
„Ma, das ist nur für maximal zwei Wochen und macht sich außerdem gut im Lebenslauf."
„Wenn du meinst. Ich werde mit deinem Vater reden und gebe dir dann bescheid."
„Danke. Ist Jack da?"
„Ja, er ist oben. Geh schon rauf."
Mit gemischten Gefühlen ging ich die Treppe hoch und blieb vor seiner Tür stehen. Zögernd hob ich die Hand und klopfte leise.
„Herein", drang es gedämpft zu mir. Langsam drückte ich die Klinke runter und betrat das Zimmer. Er saß an seinem Schreibtisch über ein Chaos aus Blättern gebeugt und sah nicht auf.
Ich atmete tief ein und stellte mich hinter ihn. Himmel, das konnte doch nicht so schwer sein. Einfach nur entspannt mit ihm zu reden, ohne dabei auf sein Aussehen zu achten oder diese großen Hände, die verdammt zärtlich sein konnten...!
„Lindsay, ich hab dir doch gesagt, dass ich heute keine Zeit habe."
Wups! Da verwechselte mein eigener Bruder mich mit seiner Schlampenfreundin. Echt nicht nett.
„Dann werde ich wohl lieber wieder gehen."
„Mae, was machst du denn hier?"
Überrascht drehte er sich um und musterte mich. Ich zuckte mit den Schultern und lächelte matt.
„Meinem Bruder einen Besuch abstatten, aber ich will dich nicht stören. Wir sehen uns."
Ich wandte mich ab und wollte wieder gehen, schon etwas enttäuscht, da schlang Jack seine Arme von hinten um mich und zog mich zurück.
„Moment mal, für dich habe ich immer Zeit."
„Gut zu wissen. Trotzdem will ich dich nicht aufhalten."
„Eigentlich war das nur eine Ausrede, ich dachte du wärst Lindsay."
„Sag bloß, es gibt Ärger im Paradies."
Ich verzog meine Lippen verächtlich und löste mich aus seiner Umarmung. Ganz ehrlich? Es kostete mich viel Überwindung, ihn nicht wütend anzuschreien. Immerhin hatte er mich einfach mit diesem Miststück ersetzt und das war ein echtes Problem für mich.
„Nein, sie nervt nur mit der Zeit."
„Mein Mitleid hält sich in Grenzen, immerhin bist du selbst daran schuld."
„Denk daran, wessen Idee es war, eine Pause zu machen."
„Damit habe ich bestimmt nicht gemeint, sich gleich jemand anderes fürs Bett zu suchen."
Mittlerweile hatte ich eine gefühlslose Maske aufgesetzt und stand mit verschränkten Armen gegen die Wand gelehnt da. Jacks Augen fixierten mich und schienen nach irgendetwas zu suchen, was er anscheinend nicht fand.
„Mae, bitte."
„Keine Angst, der Bedarf mit dir zu diskutieren ist weder vorhanden noch spielt das alles eine Rolle."
„Bist du sauer?"
„Sollte ich?!"
Mit hochgezogenen Augenbrauen starrte er mich an, bis er sich endlich in Bewegung setzte und auf mich zukam.
„Du weißt genau, dass ich dich liebe. Seit du bei Mike wohnst, ist es hier so ruhig und ich vermisse dich, Kleine."
„Tu mir einen Gefallen! Wenn du vorhast, nach dieser Pause eine Beziehung mit mir zu führen, dann schlaf nicht mit Lindsay. Mir ist es egal, ob du dich mit ihr vergnügst, so lange du dann nicht erwartest, dass ich da sein werde."
„Glaub mir, ich hatte nie vor, jemals mit jemand anderen als dir zu schlafen. Ich will nur dich."
„Gut so."
Ich lächelte und deutete auf den Fernseher.
„Lust auf ein DVD-Abend?"
„Klar, immer doch."

Wir lagen beide auf seinem Bett, ich meinen Kopf auf seiner Brust gebettet und Jack strich gedankenverloren durch meine Haare. Der Film war bereits vorbei und im Zimmer war es dunkel. Aber nicht mehr lange. Aus dem Flur drangen Schritte und plötzlich wurde die Tür schwungvoll aufgerissen. Das Licht ging an und die wunderschöne Hexe Lindsay betrachtete uns.
„Was macht die den hier?"
„Das ist meine Schwester und sie wohnt zufällig auch in diesem Haus."
„Ich dachte sie ist zu Mike gezogen."
„Trotzdem darf sie mich noch besuchen und das ist noch immer ihr zu Hause!"
Langsam wurde Jack wütend, was ich deutlich an seinem Blick sehen konnte.
„Und mir sagst du, du hast keine Zeit. Ist sie dir wichtiger als ich?!"
„Lindsay, schalt einen Gang zurück. Sie ist meine Schwester und hat mich besucht."
„Entschuldige, dass ich Zeit mit MEINEM Freund verbringen will."
„Himmel, Lindsay. Beruhig dich. Ich werde jetzt eh gehen, dann habt ihn noch genug Zeit für einander."
Mühsam stand ich auf und ging. Jack folgte mir und sah mich entschuldigend an.
„Es tut mir leid. Ich dachte, sie würde mich wenigstens heute mal in Ruhe lassen."
Schulterzuckend drehte ich mich zu ihm um und sog scharf die Luft ein, als ich mit ihm zusammenstieß. Seine Nähe war einfach berauschend und ich konnte nicht anders, als mich kurz gegen ihn zu lehnen. Er kommentierte meine Reaktion mit einem Brummen und zog mich noch etwas fester an sich.
„Jack, ich muss gehen", nuschelte ich in sein Shirt und versuchte mich zu befreien, doch Jack hielt mich in seiner eisernen Umarmung.
„Ich will aber nicht, dass du gehst."
Ich spürte seinen warmen Atem an meinem Hals und bekam Gänsehaut. Seine Lippen streiften meine Wange und ich seufzte.
„Jack, mach es uns beiden nicht schwerer, als es sein muss."
Widerstrebend löste er sich von mir und ich ging.

Mike lag auf dem Sofa, als ich die Wohnung betrat. Der Fernseher lief, auf dem Couchtisch stand eine leere Müslischüssel und Mike schnarchte leise. Ich legte eine Decke über ihn und brachte die Schüssel in die Küche. Die Spülmaschine lief bereits, weshalb ich das Geschirr in der Spüle schnell per Hand spülte. Danach setzte ich mich zu Mike , der immer noch in seiner Traumwelt war und schaltete durch das Fernsehprogramm, bis ich bei How I Met Your Mother stehen blieb.
Neben mir regte sich die verstrubbelte Gestalt unter der Decke und gähnte müde.
„Wie wäre es, wenn du ins Bett gehst?"
Mike schreckte auf und sah mich mit großen Augen an. Kopfschüttelnd fuhr er sich durch seine Haare und grinste.
„Hast du mich vielleicht erschreckt. Ich hatte dich heute nicht mehr erwartet."
„Ich kann dich doch nicht alleine lassen."
„Echt nett. Lass uns schlafen gehen. Es ist spät."

Leidenschaft verboten!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt