Kapitel 19 ~ Der Schmied der Elfenkrone

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Crystals Sicht:

Es gelang mir mit einem leisen Aufatmen die Tür hinter mir zu schließen. Erleichtert über die plötzliche Stille und das Gefühl, endlich nicht mehr von der Masse an Elfen um mich herum erstickt zu werden, lehnte ich mich gegen das warme Holz und erlaubte mir, eine Minute lang nur das Dunkel hinter meinen Augenlidern zu sehen.

In den zwei Tagen, die seit dem Beginn der Hochzeitsvorbereitungen bereits verstrichen waren, hatte ich kaum einen Moment nur für mich gehabt. Wenn ich nicht gerade mit dem Rat, Judes angeordneter und von ihr persönlich durchgeführter Nachhilfe in Selbstverteidigung und Gift, die mich zum Schlafen nötigte, beschäftigt war, musste ich nun auch noch die absolut dämlichsten Details aller Zeiten festlegen. Ich meine, ja. Viele Dinge waren sehr wichtig und ich konnte das Meiste verstehen und nachvollziehen. Aber wen interessierte es schon, welche Farbe das Geschirr auf dem Fest hatte, so lange noch nicht einmal feststand, was es überhaupt zu Essen gab?

Aber ich hatte nicht unhöflich sein und den Stolz der Köche verletzen wollen, als war ich so schnell und unauffällig wie nur irgendwie möglich verschwunden, um allein über alles nachzudenken. Und hier stand ich nun wieder. Inmitten des Artefaktraums, dem so ziemlich einzigen Ort, der für mich eine dauerhafte und immer gleichbleibende Konstante sein würde, in dessen schweigende Unordnung ich mich zurückziehen konnte.

Allmhlich fiel mir das Luftholen leichter und ich konnte wieder klarer denken, alles rationaler betrachten als in solchen Stresssituationen. Es gab viel zu tun, aber all das war auch von Bedeutung.

Wir mussten herausfinden, wo Locke und Taryn sich befanden, deswegen hatten wir ja auch die Botschafter ausgesandt, um die Elfenreiche, die am nächsten zu unserem lagen, zu warnen. Leider war es wahrscheinlich, dass sie längst weiter waren, immerhin konnte man in zwei Monaten weit kommen.

Wir mussten die Hochzeit vorbereiten, um das Bild zu wahren, dass alles unter Kontrolle war. Auch, wenn ich viele dieser Entscheidungen mit Cardan gemeinsam hätte treffen wollen, konnte ich jetzt nichts daran ändern, wie es war und musste das Beste daraus machen.

Wir mussten zusehen, dass mir nichts passierte, zumindest so lange, bis Cardan wieder da war. Mir wäre es an sich egal gewesen, wenn mein Leben als Austausch für Elfenheims Sicherheit gelten würde, aber so war es im Moment nicht. Mein Tod würde – jedenfalls in der Zeit, in der ich als Königin und einzige anwesende Herrscherin fungierte – keine Rettung vor der Übernahme oder Zerstörung von Elfenheim, sondern eine Garantie.

Während meine Gedanken so wanderten und immer wieder an einen Punkt zurückkehrten, an dem die rational denkende Seite meines Selbst klar zeigte, dass ich meinen Pflichten nachgehen und das alles irgendwie unter einen Hut bringen musste, seufzte ich und rutschte auf den großen Schreibtisch umher, bis ich eine angenehme Sitzposition gefunden hatte. Die uralte Magie dieses Raumes schirmte den Lärm, das Licht, die Leute von außen ab und auch, wenn es verlockend war, einfach ein paar Stunden hierzubleiben, mich in den Geschichten und Träumen der Artefakte zu verkriechen und damit mir selbst zu erlauben, einen Teil meiner Verantwortung abzugeben, wusste ich, dass ich das nicht tun konnte. Früher oder später würden meine Schuldgefühle mich noch ins Grab treiben, wenn ich nicht auf sie hörte. Wieder seufzte ich laut. Das hieß dann wohl, dass ich wieder zurückmusste.

Als ich mich gerade wieder vom Tisch herunterschwang, hörte ich, wie die Türklinke nach unten gedrückt wurde, aber natürlich war es ohne das Passwort und den Schlüssel unmöglich, den Raum zu treten. Da ich bereits ahnte, dass es jemand war, der mich brauchte, ging ich einfach zur Tür und öffnete sie von innen. Glücklicherweise hatte nie jemand vorgeschlagen, eine Sicherung von innen anzubringen, das machte es um einiges leichter für mich, ein paar Minuten hier zu sein. Vor der Tür stand Jude, deren Haare etwas zerzaust waren. Vermutlich hatte sie bis eben trainiert oder sich zumindest aufgewärmt. „Gift hatte recht. Du bist tatsächlich hier."

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