Kapitel 2 ~ Nebelring

81 5 0
                                    

Als ich aufwachte, war es wie eigentlich immer, wenn ich aufstand, viel zu früh für normale Leute. Für mich war es jedoch Alltag. Ich rieb mir über die Augen und gähnte leise, während ich mich aufsetzte. Cardan schlief noch, auch das war zur Routine geworden. Er war einfach abends aktiver und ich konnte am besten arbeiten, wenn es noch früh war. Ich musste mir ein Kichern verkneifen, denn dieser Anblick war wirklich zu niedlich, um nicht zumindest für ein Lächeln zu sorgen. Cardans Mund war halb geöffnet, sein Haar sah aus wie ein Vogelnest, er hatte sich zusammengerollt und sabberte leicht auf sein Kissen. Kurz strich ich ihm über den Kopf und gab ihm einen Kuss auf die Wange, bevor ich mich aus dem Bett rollte. Seine Nase zuckte und er grummelte leise, wobei er sich noch tiefer ins Kissen drückte, aufwachen tat er jedoch weiterhin nicht. Besser so, er konnte morgens immer so launisch sein. So zog ich mir nur kurz ein dünnes nachtblaues Kleid über und ging ins Arbeitszimmer. Dort setzte ich mich auf den Schreibtischstuhl und griff nach den Dokumenten, die in der linken Ecke lagen. Während die Sonne langsam tiefer sank und es dunkler wurde, was man auch hier daran erkennen konnte, dass sich nach einiger Zeit die magischen Kerzen anzündeten, arbeitete ich die unterschiedlichen Dinge durch, die ich auch machen konnte, ohne dabei Cardan zu fragen.

Irgendwann hörte ich ein Geräusch aus dem Schlafzimmer, blieb allerdings sitzen, um mich nicht selbst abzulenken. „Morgen.", rief ich nur. Eine aussagekräftigere Antwort außer einem „Ich will schlafen..." bekam ich nicht, aber das war ich schon gewöhnt. Cardan war und blieb ein Morgenmuffel und brauchte immer etwas, um wach zu werden und normale Gespräche zu führen. Kopfschüttelnd und gleichzeitig schmunzelnd richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Stapel Pergament vor mir. Heute musste ich mich etwas beeilen, ich würde später noch einmal in den Artefaktraum gehen müssen, das hatte ich schon gestern nicht mehr geschafft und langsam wurde es wirklich wieder Zeit. Als mich jemand von hinten umarmte und sich an mich kuschelte, zuckte ich kurz zusammen und lachte dann. „Was?", grummelte Cardan, noch immer deutlich verschlafener als ich oder sonst jemand, und legte sein Kinn auf meinen Kopf ab. Ich winkte ab, lehnte mich zurück und stellte die Schreibfeder beiseite. „Ich bin nur erschrocken, alles gut. Schön geschlafen?"

„Mhm...zu kurz. Ich hab Kopfschmerzen."

„Ich habe dir doch gesagt, du solltest nicht immer so viel trinken. Das nennt man Kater und ist deine eigene Schuld." Er murrte zwar, wirkte aber resigniert und gähnte wieder, als er mich unvermittelt losließ und ins Badezimmer schlurfte. Nachdenklich blickte ich hinter ihm her, bevor ich mich wieder umwandte und weiterarbeitete oder es zumindest versuchte. Denn schon im nächsten Moment legte sich eine eiskalte Hand auf meine Schulter. Aus einem Reflex heraus schrie ich auf und wirbelte herum. Zwei Sekunden später atmete ich erleichtert auf und auf Cardans irritierte Frage, was passiert war, konnte ich mit einem „Nichts, ich bin nur schon wieder erschrocken" antworten. Dann wandte ich mich der Person zu, die mich so überrascht hatte.

„Bombe, was sollte das denn jetzt?" Die Spionin kicherte leise und zuckte mit den Schultern, wobei ihre schimmernden, kleinen Flügel in allen Regenbogenfarben aufleuchteten. „Tut mir leid, es hat sich nur gerade so gut angeboten und ich mache das einfach gerne. Alles okay?" Ich nickte nur und stand auf. Zum Arbeiten würde ich wohl vorerst nicht mehr kommen. So wie eigentlich immer. „Ja, schon gut. Was gibt's? Irgendwelche Neuigkeiten oder so?"

„Wäre ich sonst hier, um euch zu sagen, dass später eine Besprechung ist? Vielleicht wäre ich es, aber ich kann ja nicht lügen. Also nochmal fürs Protokoll: Treffen am Hof der Schatten um Mitternacht." Kurz schwieg ich und überlegte, was ich heute noch alles erledigen musste. Von Cardan wusste ich es noch nicht, ich würde ihn später fragen, wenn er wieder da war. „Ist es in irgendeiner Weise wichtig?", fragte ich nach und drehte meinen Stuhl so, dass ich mit dem Gesicht zu Bombe saß. „Bis jetzt noch nicht, aber was nicht ist, kann ja noch werden, nicht wahr?", lachte sie und schüttelte den Kopf, „Ich sollte jetzt auch langsam mal los, Jude hat mich gebeten, noch ein paar Sprengsätze zu basteln." Und so tippte sie gegen den geheimen Mechanismus, der den Gang in den unterirdischen Teil des Palastes freigab. Ich winkte ihr schmunzelnd nach, bis sich die Äste wieder verschlossen hatten, dann arbeitete ich weiter, bis Cardan aus dem Bad kam, jetzt deutlich wacher als zuvor.

ElfenringWo Geschichten leben. Entdecke jetzt