Als ich den Deckel aufklappte, blieb mir für eine Sekunde die Luft weg und ich wollte meinen Kopf auf die Tischplatte schlagen. Auf dem weißen Samt schimmerte ein winziger Smaragd, in dessen Mitte eine Sanduhr eingekerbt war. Nichts besonderes in Elfenheim, oder? Eigentlich nicht. Nur, dass ich genau wusste, warum sie durchgestrichen war.
Erinnerungen, die früher nicht mir gehört hatten, stiegen in mir auf. Die Weide. Das Gespräch mit Cardan. Ein nach hinten losgegangener Zauber. So viel Schmerz in diesen winzigen zwei Szenen. Mein Versprechen, nachdem ich die Erinnerungen zerstört hatte.
Und wenn es das Letzte ist, was ich tue, ich werde versuchen, dich auf deiner Suche zu unterstützen.
Damals war es leichter als es jetzt war und doch war es nie einfach gewesen. Ich hatte Cardan versprochen, ihm zu helfen, seine Schwester zu finden und dann war es auf einmal in den Hintergrund gerückt. Zu überleben, das Überleben anderer zu sichern, Lügen aufzudecken, das alles war wichtiger geworden. Ob er selbst überhaupt noch daran dachte, Ashas ältestes Kind zu finden?
Meine Gedanken wurden unterbrochen, als die Tür aufschwang und Pandora hereinkam. Sie hielt einen Beutel in den Händen und lächelte mich an. „Hey. Ich dachte mir schon, das du hier bist. Wie weit bist du gekommen?"
„Nicht sehr weit.", murmelte ich vor mich hin und seufzte laut. Sie schloss die Tür wieder und ging um den Tisch herum, sodass sie nun auch sehen konnte, was ich da so geistesabwesend anstarrte. Interessiert betrachtete sie den Smaragd.
„Ist was?"
„Ja. Ich habe den hier gerade wiedergefunden. Er gehört Cardan und...hat mich daran erinnert, dass ich ihm etwas versprochen habe, was ich noch nicht einlösen konnte."
Sie verdrehte die Augen und stützte sich mit einer Hand auf der Tischplatte ab. „Spuck's doch einfach aus."
„Ich habe ihm versprochen, ihm bei der Suche nach einer Schwester zu helfen."
Pandora blinzelte mich einige Sekunden lang völlig verständnislos an, dann begann sie zu lachen. Sie lachte so sehr, dass ich glaubte, Tränen in ihren Augen glitzern zu sehen. Erst, als sie merkte, dass ich nicht mitlachte, hörte sie wieder auf.
„Sag mir bitte, dass du eine Möglichkeit gefunden hast, zu lügen und gerade einen Witz gemacht hast."
Ich schüttelte den Kopf und sah wieder auf den Smaragd. „Ungefähr das habe ich mir auch gewünscht, als Cardan es mir erzählt hat, aber nein."
„Aber...er weiß schon, dass Rhiya, Caelia und Elowyn tot sind, oder...?", hakte sie mit gerunzelter Stirn nach, während sie gleichzeitig um den Tisch herumging, sich den Stuhl nahm, ihn zu meiner Seite zog und sich dann darauf fallen ließ. Dieses Mal nickte ich. „Ja, natürlich weiß er das."
„Und warum zur Hölle sollte er sie dann wiederfinden wollen? Er kann sie nicht aus dem Land der Balladen – oder wie ich es nennen würde: Tod. – zurückholen." Ich seufzte leise und lehnte mich zurück. Hoffentlich würde sie mir einfach glauben und nicht alles tausendmal hinterfragen, sonst würde ich hier sehr wahrscheinlich komplett verzweifeln. „Es ist schon etwas länger her, dass er es mir erzählt hat. Damals habe ich ihn noch unterrichtet. Erinnerst du dich noch, dass er einmal einen Brief für mich bei dir abgegeben hat?"
„Sicher erinnere ich mich. Das kommt nicht sonderlich häufig vor und war ziemlich verwirrend. Lilian hat dich fast gefressen."
Wieder nickte ich. Damals. Wie weit weg das klang, dabei war es nicht einmal vor einem halben Jahr gewesen. Wenn die Zeit schon jetzt so schnell verging, wie sollte das mal in ein- bis zweihundert Jahren sein? „Genau. Cardan wollte von mir wissen, ob es ein Artefakt gibt, das Erinnerungen durchsuchen kann, weil er seine Schwester finden wollte. Seine Halbschwester, die ältere Tochter seiner Mutter Asha."
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Elfenring
Romance(Teil zwei der Reihe. Band eins: Elfenkuss) Die Welt scheint perfekt: Madoc hat seine Pläne aufgegeben und sitzt im Turm des Vergessens, das Geheimnis um Crystals Vergangenheit wurde gelüftet und die Hochzeit ist gerade in Planung. Doch ein Schatten...