Kapitel 8 ~ Die Königin

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„Und du denkst wirklich, dass das eine gute Idee war?" Ich verdrehte die Augen und versuchte, Jude nicht anzuschreien. Wenn sie mir noch einmal diese Frage stellte, konnte ich nicht mehr garantieren, dass ich freundlich blieb. „Jude, es ist die einzige gewaltfreie Idee, die wir haben. Cardan reist in die Tiefsee, arbeitet gemeinsam mit Orlagh einen Friedensvertrag aus und wir kümmern und in der Zeit darum, dass hier alles gut läuft und niemand versucht, ihn zu töten oder zu verraten.", seufzte ich und sah den Dienern dabei zu, wie sie die letzte Kiste in der Kutsche verstauten. Cardans Pferd wurde gerade aufgezäumt und gesattelt, die roten Augen und das nachtdunkle Fell ließen es dämonisch erscheinen, dem leicht panischen Blick des Stalljungen zufolge war es vermutlich sehr schwer zu reiten. „Wir hätten einfach Pandora nach unten schicken sollen, dann würde er jetzt nicht in Gefahr sein." Ich presste die Lippen zusammen und wandte den Blick ab. Mir war bewusst, wie gefährlich es war, aber er hatte darauf bestanden, selbst mit Orlagh zu sprechen und Pandora war erst gestern von ihrer Reise zum Hof der Termiten und zum Hof der Geier zurückgekehrt. Sie hatte unfassbar erschöpft ausgesehen, sie war ja auch drei Tage unterwegs gewesen. „Jetzt haben wir auch keine Zeit mehr, um alles umzuändern. Wir müssen einfach hoffen, dass alles gut wird und Cardan mit Orlagh eine gute Lösung für alle findet."

„Cardan? Eine gute Lösung finden? Für alle? Glaubst du das wirklich? Bei Cardan?" Sie zog die Augenbrauen hoch und ich zuckte mit den Schultern. Konnte sie ihm nicht einmal vertrauen? Sicher, Cardan konnte ziemlichen Mist bauen und das war mehr als nur untertrieben, aber wenn er etwas wirklich ernst meinte, dann konnte man sich auch auf ihn verlassen. Eine Antwort konnte ich nicht mehr geben, denn die Tore zum Palast schwangen auf und gaben den Blick auf Cardan frei. Wie so oft wirkte er, als sei die Verkörperung von Rauch und Schatten, allerdings waren sein Umhang und einige Applikationen an seiner Kleidung in Tönen des Meeres gehalten, eine Geste von indirektem Respekt, wie sie an den Höfen der Elfen geschätzt wurden. Es war keine offensichtliche Schleimerei oder dergleichen, aber auch keine offene Abneigung gegenüber dem Verhalten des Hofes, an den man reiste. Ich spürte, wie mir unerwartet das Blut in die Wangen stieg und ich schlucken musste.

Mir wurde mal wieder klar, wie sehr ich ihn doch mochte. In letzter Zeit passierte das immer häufiger in jähen Schüben, die meistens in den unpraktischsten Situationen aller Zeiten auftraten. So natürlich auch jetzt, kurz bevor er eigentlich wegmusste. Warum musste das immer in solchen Momenten passieren? Jude schien gemerkt zu haben, dass ich mich nicht mehr so wirklich bewegen konnte, auf jeden Fall gab sie mir einen Stoß in die Rippen, bevor sie zu Cardan hinüberging. Ich zuckte zusammen, schüttelte mich leicht und lief rasch hinterher. An der Treppen angekommen konnte ich auch Pandora hinter ihm stehen sehen. Sie sah noch immer müde aus, aber überraschenderweise kippte sie nicht alle zwei Sekunden um, so wie gestern Abend. Über Cardan Schulter warf sie mir ein verschlafenes Lächeln zu, das ich nervös erwiderte. Ich hatte jetzt schon das ungute Gefühl, dass ich ihn mehr als nur vermissen würde. Als ich Cardan kurz umarmte und er mir einen Kuss auf die Stirn drückte, konnte ich aus dem Augenwinkel Nicasia durch die Tür treten sehen. Mir fiel wieder ein, dass sie ebenfalls mit zum Strand kommen würde und Cardan vermutlich auch in die Tiefsee selbst begleiten würde.

Ein Gedanke schoss mir durch Kopf: Wenn Locke nicht wäre, wären sie vielleicht noch zusammen und es gäbe keine Probleme. In den letzten Wochen hatte ich wieder öfter über meinen Bruder nachgedacht. Mein Bruder. Wie vertraut das doch klang. Es fühlte sich an, als würde ich über jemanden sprechen, für den ich mein Leben geben würde, nicht wie jemand, der mich verraten und in der Einsamkeit zurückgelassen hatte. „Crystal, ist alles in Ordnung?" Cardan Worte rissen mich aus meinen Gedanken und ließen mich aufblicken. Er hatte die Stirn gerunzelt und sah scheinbar besorgt auf mich herab. „Du bist ganz blass." Ich schüttelte mich und verbannt jeden Gedanken an Locke in die hinterste Ecke meines Kopfes. „Ich habe zu viel nachgedacht, mehr nicht. Ist alles bereit?"

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