Kapitel 9 ~ Der Hofpoet

41 3 0
                                    

Wieder zurück im Schloss folgte ich Pandora in Cardans Büro, welches sonst nie verwendet wurde. Ich wusste es noch, das war der Raum, in dem Jude mir gesagt hatte, dass ich nicht länger als Lehrerin arbeiten würde. Wer hätte gedacht, dass es dann geendet hätte wie es nun geendet war? Schon jetzt fühlten sich die Räume zu leise, zu kalt, an, um gemütlich zu sein. Vielleicht täuschte ich mich, aber womöglich spürte das Land tatsächlich, dass sein König fort war. Würde etwas passieren, wenn Cardan verletzt, oder noch schlimmer, ermordet werden würde? Würde die Erde es vor uns bemerken und sich deswegen verändern?

Pandora bedeutete mir, mich zu setzen, schüttelte allerdings den Kopf, als ich mich auf den Stuhl vor dem Tisch setzen wollte. Ich sah sie nur irritiert an und runzelte die Stirn. Was war denn jetzt schon wieder falsch? „Du bist jetzt auf der anderen Seite des Tisches. Komm.", sagte sie mit einem feinen Lächeln. Ich zögerte kurz, bevor ich wieder aufstand und um den Tisch herumging, wobei ich mich sichtlich unwohl fühlte. Es war nur ein Sitzplatz, das war mir klar, aber hier im Elfenreich konnte man wirklich anhand von Sitzpositionen erkennen, wer welchen Position bekleidete. Da ich hin und wieder in diesem Raum gewesen war, um in Ruhe nachzudenken, war es schon etwas seltsam, das Büro auch einmal aus dieser Perspektive zu sehen. „Okay, was genau haben wir zu tun?" Ich versuchte, so sicher wie möglich zu klingen, um mir selbst Ruhe einzureden. Pandora rutschte auf die Tischplatte und überschlug ihre Beine. „Wir erklären dir jetzt, was du als Königin alles zu tun hast und inwiefern wir dir dabei helfen können."

„Wir?", wiederholte ich ein wenig irritiert. Sprach sie von Jude? Oder vom Hof der Schatten? Oder von sich und Gift? Das machte sie ja manchmal, um uns alle zu ärgern. Dann fragte ich mich allerdings, warum wir ausgerechnet hier waren und nicht einfach in Cardans oder ihren Zimmern oder am Hof der Schatten oder sonst wo. Sie lachte nur über mein verwirrtes Gesicht und nickte knapp. „Ja, wir."

„Wer sind denn wir?"

„Naja, ich und Val." Sie deutete in eine Ecke des Raumes, zu der ich mich sofort umwandte und heftig zusammenzuckte, als der Mann, der dort gegen die Wand gelehnt stand, „Guten Morgen, Pandora" sagte. Ich hatte ihn weder beim Hereinkommen noch in der Zeit, in der wir nun schon hier waren, gesehen oder gehört. Als ich jünger gewesen war und noch mit auf die Feste im Schloss gegangen war, hatte ich ihn manchmal neben Eldred stehen und mit ihm reden sehen. Sein Name...er wollte mir zuerst gar nicht einfallen, mein Kopf war mit zu vielen Dingen vollgestopft, sie behinderten meine Gedanken. Dann fiel es mir wieder ein. Val Moren. Der ehemalige Seneschall von Eldred und jetzige Hofpoet.

„Wie lange stehen Sie schon da?", fragte ich vorsichtig, nachdem ich meine Stimme wiedergefunden hatte. Val Moren schien unter all den Zweigen zu lächeln, aber vermutlich bildete ich mir das nur ein. „Schon eine Weile. Und bitte, Kind, duze mich doch, sonst komme ich mir so alt vor." Kind. Eigentlich konnte ich es nicht leiden, wenn ich so genannt wurde, es gab mir das Gefühl, viel zu jung zu sein, aber bei Val Moren fühlte es sich nicht abwertend oder besorgt an. Es kam mir eher vor, als wäre es ganz normal für ihn, mich als ein Kind zu sehen. Als ein Kind des Elfenreiches. Pandora lachte laut auf. „Du bist alt, Val, das kannst du nicht abstreiten. Du kanntest Eldred in seiner Jugend." Kurz hatte ich das Gefühl, dass seine Gestalt noch einen Funken farbloser wurde, als sie es schon zuvor gewesen war. Ich kannte die Gerüchte über Eldred und Val Moren, natürlich, aber bis jetzt hatte ich nicht darüber nachgedacht, ob er je über Eldreds Tod getrauert hatte. „Also...", versuchte ich, das ursprüngliche Thema wiederherzustellen, „Was genau wollt ihr mir jetzt erklären?"

Pandora schmunzelte und nickte mir zu. „Moment, ich brauch ganz kurz Papier. Val, hast du vielleicht welches?"

„Du weißt, dass ich immer nur Sachen mit mir rumtrage, die nützlich sein könnten." Ich legte die Stirn in Falten. So wie ich das sah, konnte Papier immer nützlich sein, warum sollte man es also nicht mit sich herumtragen? Aber gut, das war ja nur meine Meinung und jeder konnte Dinge sehen, wie er wollte. „Aber", sprach Val Moren weiter, „ich habe diese hier, um das darzustellen, was du ihr zeigen möchtest. Zumindest, wenn ich mit meiner Vermutung richtigliege." Er zog drei kleine Gegenstände aus den Falten seiner Kleidung, die ich nicht richtig erkennen konnte, und trat zu uns heran. Als er die Gegenstände auf den Tisch legte, sah ich auch, was es war: eine gewundene graue Muschel, eine gläserne Schneeflocke und eine metallene Spielfigur, die wie der Kopf einer Ziege geformt war. Jetzt stellte ich mir zwar die Frage, inwiefern diese Dinge jetzt praktischer waren als Papier, aber ich schwieg und wartete einfach nur ab, was genau nun passieren würde.

ElfenringWo Geschichten leben. Entdecke jetzt