Kapitel 11 ~ Auf der Flucht

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Am nächsten Morgen erwarteten mich nicht nur ein Stapel Briefe, sondern auch eine sofortige Ratsversammlung. Während dem Anziehen schaffte ich es, mir zwei der Nachrichten durchzulesen. Die Erste kam nochmal von Baphen, der in etwa das schrieb, was ich schon wusste, die Zweite kam vom Hof der Geier, dessen Botschafter hofften, dass wir die Verhandlungen bald wieder aufnehmen konnten Das hatte ich fast schon wieder vergessen. Zwei Minuten später, als ich gerade meine Haare zur Hälfte flocht und gleichzeitig versuchte, einen dritten Brief zu öffnen, klopfte es. Überrascht hob ich den Kopf. „Ja?" Durch einen schmalen Spalt schlüpfte Pandora hindurch und lächelte mich an. „Guten Morgen, Crystal. Gut geschlafen?"

„Ich habe so gut wie gar nicht geschlafen und in der Zeit, in der ich es getan habe, hatte ich Alpträume. Kannst du dir daraus eine Antwort bilden?" Ihr Lächeln wurde sorgenvoll und ich fühlte mich wieder schlecht. „Ja, die Antwort kenne ich von mir selbst schon gut genug." Ich seufzte nur und rieb mir über die Augen. Am liebsten hätte ich mich wieder hingelegt und versucht, doch noch Ruhe zu finden, obwohl ich wusste, dass es keinen Sinn gehabt hätte. „Können wir los?", fragte ich möglichst enthusiastisch, um mir nichts anmerken zu lassen. Pandora hob die Augenbrauen. „Hast du nicht was vergessen?" Mit einem irritierten Blinzeln schüttelte ich den Kopf. Mir fiel nichts ein das ich noch mitnehmen sollte. Sie verdrehte die Augen, ging ins Schlafzimmer und kam nach zwanzig Sekunden wieder zurück. Mit skeptischer Miene hielt sie die Kiste mit der Krone hoch. Der Wunsch, mich selbst zu schlagen, kam mir in der Kopf. Wie kann ich die bloß vergessen? Habe ich jetzt völlig den Verstand verloren? „Danke...", murmelte ich ein wenig beschämt und nahm den silbernen Dornenreif wieder an mich. Pandora winkte mit einem Lächeln ab. „Keine Ursache, sowas passiert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Cardan das auch an die hundert Male verpennt hat und sie nur dank Jude noch nicht aus Versehen weggeworfen hat."

„Seit wann ist Cardan denn in diesem Bereich ein guter Maßstab?", hakte ich mit einem Stirnrunzeln nach, konnte aber ein Schmunzeln nicht verbergen. Cardan würde seinen Kopf vergessen, wenn er nicht festgewachsen wäre. „Das ist auch wieder wahr. Guter Konter. Aber wir sollten los, der Rat wartet nicht allzu gerne." Mein Schmunzeln verschwand, ich setzte die Krone schweren Herzen auf und ging los. „Wem sagst du das?"


Baphen und der Rest des Rates warteten bereits an dem großen Tisch aus Holzfossilien und sie sahen alle nicht sehr erfreut über die lange Wartezeit aus. Alle, außer Fala, aber Fala sah immer gut gelaunt aus. Ich hoffte inständig, dass ich es schaffte, ihre anschuldigenden Blicke nicht zu beachten. Für einen Moment zögerte ich und blieb vor dem Tisch stehen. Der einzige freie Stuhl gehörte Cardan. Es kam mir fast so vor, als würde ich ihn damit ersetzen wollen. Wahrscheinlich übertrieb ich einfach nur und niemand außer mir dachte so, aber diese Gedanken ließen sich einfach nicht vertreiben. Der Moment ging vorbei und ich setzte mich schnell hin, damit die Versammlung nicht noch weiter herausgezögert wurde. „Also...was genau ist passiert?", begann ich zögerlich und sah in die Runde. Nihuar verzog das Gesicht und verschränkte die Arme, während Randalin zu erklären begann. „Wie bereits gesagt hat Baphen gestern etwas in den Sternen gesehen."

„Ja, und was jetzt?", schnaubte Jude und verschränkte die Arme vor der Brust. Von allen hier sah sie mit Abstand am grimmigsten aus, die Augen zusammengekniffen, die Lippen zu einem schmalen Strich gepresst. Baphen antwortete, seine ruhige Stimme schwappte durch den Garten und ließ mich zumindest für wenige Momente alle Anspannung verlieren. „Die Sterne zeigten mir, dass ein sternenloser Schatten über Elfenheim liegt. Durch die Schatten hindurch liefen zwei Wesen, die eine groß und aufrecht, die andere klein und agil. Sie liefen zum Licht der untergehenden Sonne, doch anstatt die Finsternis hinter sich zu lassen, folgte sie ihnen wie ein Hund. Sie wurde erstickender, tödlicher, bis das Sternzeichen der Nixe immer höher stieg und die Schwärze und das Meer das Land verschlangen. Und die Dunkelheit folgte den Gestalten immer weiter, bis jeder Stern verloschen war."

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