Kapitel 26 ~ Das zweite Geheimnis

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Geists Sicht:

Es dauerte ein wenig, bis ich in der Dunkelheit die alte Laterne fand. Es knarrte, einmal stolperte ich über etwas, das wahrscheinlich ein Teppich war, meine Hand fuhr über etwas unangenehm Weiches, als ich versuchte, mich an der Wand entlangzutasten. Schimmel vermutlich. Dann schaffte ich es endlich, den Metallgriff und das Glas zu ertasten. Ein winziger Feuerzauber und ein Teil des kleinen Raumes wurde in orangegoldenes Licht gehüllt. Mithilfe der Laterne gelang es mir, die Kerzen auf dem Regal und an den Wandhalterungen zu finden und zu entzünden, bis jede Ecke gut ausgeleuchtet war. Es war alles noch genauso, wie ich es in Erinnerung hatte, nur noch verstaubter und unordentlicher.

Die Decke war gerade so hoch, dass jemand in meiner Größe aufrecht stehen konnte, dicke Holzbalken verhinderten, dass der ganze Raum zusammenbrach. In einer Ecke stand ein alt aussehendes Bett, auf dem nur ein zerknautschtes Kissen und eine dünne Decke lagen. In der Wand daneben befand sich eine kleine Feuerstelle, die man zum Kochen oder Aufwärmen nutzen konnte, der Rauch wurde auf magische Weise abgeleitet. Oder durch ein sehr langes Rohr, sicher war ich mir nicht mehr. Ein Truhe mit Ausrüstung, auf der sich Ersatzkleidung türmte, welche den Geheimgang dahinter verbarg, ein kleiner Schreibtisch, dessen Beine bereits morsch waren, ein einsamer Stuhl und ein winzig kleiner Vorratsschrank rundeten die sichtbare Einrichtung ab. Zusätzlich stapelte sich in den Ecken noch der unterschiedlichste Ramsch. Ein Eingang ohne Tür führte in ein notdürftig eingerichtetes Badezimmer, um sich frischzumachen. Auch in diesem Raum gab es einen versteckten Ausgang, direkt hinter dem Spiegel, aber er war so klein und eng, dass er nicht dafür geeignet war, jedem zur Flucht zu verhelfen. Selbst ich war mir bis zum Schluss nicht sicher gewesen, ob ich nicht doch steckenbleiben würde.

Mit einem schiefen Lächeln drehte ich mich zu Crystal um, die die ganze Zeit über im Türrahmen stehengeblieben war und sich umgesehen hatte. „Willkommen in meinem Reich. Ich weiß, nicht gerade der schönste Platz in diesem Palast und auch nicht gerade majestätisch. Ist auch eher zweckmäßig, normalerweise bin ich ja gar nicht hier." Sie hob die Schultern und trat ein paar Schritte weiter in den Raum hinein, die Tür hinter sich schließend. „Na und? Ich finde es eigentlich ganz schön hier. Es muss nicht immer alles Samt und Seide sein." Da hatte sie natürlich recht, auch wenn ich zugeben musste, dass sie hier drin etwas verloren aussah, in dem bodenlangen, seidenartig schimmerndem Kleid aus fließend blauem Stoff, der nach unten hin immer dunkler wurde. Die Krone schimmerte unübersehbar auf ihrem Kopf, die langen Ärmel und die Silberverzierungen am Saum ließen sie viel erwachsener aussehen. Aber es war nicht, als würde eine Königin in einem alten, für sie unpassenden Raum stehen. Nein, es wirkte viel mehr, als würde man ein Mädchen, das in diese etwas unordentliche, bescheidene Umgebung gehörte, in elegante Gewänder hüllen und sie Edeldame spielen lassen. Es passte einfach nicht wirklich zusammen.

Als ich merkte, dass ich zu lange nur geschwiegen und dagestanden hatte, blinzelte ich kurz einige Male. „Wie auch immer, es ist eigentlich eine ganz gute Möglichkeit, hier mal ein bisschen zu entrümpeln. Das hatte ich sowieso vor. Möchtest du was trinken? Ich kann uns Tee machen.", schlug ich schnell vor und ging zum Vorratsschrank, aus dem ich einen altmodischen Teekessel holte, sowie eine Dose mit Teeblättern. „Gerne. Kann ich dir irgendwie beim Aufräumen helfen oder so?"

Ich schüttelte den Kopf, während ich die Teeblätter in eine Schale gab und mit dem Mörser zu Krümeln zerrieb. „Oh nein, ich werde das schon noch schaffen, aber danke. Setz dich doch einfach...", der Stuhl sah mir viel zu instabil aus, um auch nur Bombes Gewicht zu tragen, „auf das Bett und versuch, mir das alles zu erklären, ja?" Sie nickte langsam, ging zum Bett und schob die Decke beiseite. Eine Staubwolke quoll aus dem Stoff und verteilte sich in der Luft. Sie hustete einige Male und wedelte die Wolke in eine andere Richtung, die zum Glück nicht meine war.

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